„Der Sport ist ein gewichtiges Pfund zur gelungenen Integration“

Thüringer Migrationstour, Dirk Adams auf Sommertour bei Sportvereinen

Foto: LSB Thüringen
Minister Adams überreicht an den LSB-Hauptgeschäftsführer Thomas Zirkel sowie an die Fachkräfte IdS, vertreten von Michaela Michl und Markus Fromm einen Zuwendungsbescheid für das Jahr 2022 zum Projekt „Regionale Fachkräfte Integration durch Sport“. Foto: LSB Thüringen

Die diesjährige Sommertour des Thüringer Ministers für Migration, Justiz und Verbraucherschutz (TMMJV) führte Dirk Adams auch zu Thüringer Sportvereinen, um vor Ort über deren Engagement im Bereich Integration zu sprechen. Der SV Schott Jena sowie der La Familia Fightclub Erfurt sind offiziell anerkannte Stützpunktvereine im Bundesprogramm „Integration durch Sport“. Aktuell werden 60 Thüringer Sportvereine für ihr Wirken für Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund über das Programm gefördert.

Am Tag des Besuchs der Abteilung Tischtennis des SV SCHOTT Jena zeigte das Thermometer 30 Grad Celsius. Entsprechend heiß war es in der Turnhalle der Janisschule in Jena. Denn trotz Sommerferien waren alle neun Tischtennistennisplatten gleich mehrfach belegt – mit Spieler*innen aller Altersklassen. Auch Talente mit Migrationshintergrund trainierten Aufschläge und Ballwechsel im Einzel oder Doppel. Entsprechend stolz blickte Andreas Amend, Abteilungsleiter und Integrationsbeauftragter des Vereins, in die Turnhalle, als Migrationsminister Dirk Adams das Training besuchte, um in der Praxis zu erleben wie Integration über den Sport funktioniert.

In Jena gelingt dies bereits seit dem Jahr 2006 sehr gut. Fast 20 Prozent der rund 150 Abteilungsmitglieder haben einen Migrationshintergrund, entweder sie selbst oder mindestens ein Elternteil haben damit ausländische Wurzeln. Im Verein sind sie längst fester Bestandteil und in die Strukturen eingebunden – sei es als Spieler*innen in den neun Mannschaften oder als ehrenamtliche Übungsleiter*innen. Ohne deren Einbindung wäre der tägliche Trainingsbetrieb nicht in diesem Rahmen abgesichert. Zudem spornt die zusätzliche „Konkurrenz“ zu beachtlichen sportlichen Erfolgen an. Andreas Amend tritt für diese Integration mit beiderseitigen Vorteilen aktiv ein. Über ein Förderprogramm zum europäischen Freiwilligendienst gewinnt er regelmäßig junge Menschen als Übungsleiter*innen – sie kommen aus Syrien, der Ukraine oder auch aus Spanien und Armenien. Der Verein hilft bei der Wohnungssuche, der Einbürgerung oder bei der Vermittlung von Studienplätzen.

„Als Sportverein sind wir auch gesamtgesellschaftlich verantwortlich und bringen uns daher selbstverständlich über den Sportbereich hinaus ein“, bringt Andreas Amend das Ansinnen des Vereins auf den Punkt. Für dieses Engagement dankte Dirk Adams dem Verein. Dem Minister liegt die Integration im Sport „am Herzen“. „Die Integration in die Gesellschaft kann nirgendwo so schnell und unkompliziert erfolgen wie eben in Sportvereinen. Sprachbarrieren werden schnell überwunden, die Regeln sind international gleich, man trainiert zusammen, geht offen aufeinander zu.“

Zum Abschluss des Besuches in Jena ließ es sich der Minister nicht nehmen, selbst einen Tischtennisschläger in die Hand zu nehmen und gemeinsam mit Oberligaspieler Hasan Bradei einige Ballwechsel zu spielen.

Doch die Integration bringt auch Herausforderungen mit sich. Nicht immer ziehen alle Vereinsmitglieder mit dieser Haltung des Vorstandes gleichermaßen mit. Davon berichtete Tobias Horn, Beauftragter für Demokratie und Integration beim La Familia Fightclub Erfurt, seit 2020 anerkannter Stützpunktverein im Bundesprogramm „Integration durch Sport“. Vor rund zwei Jahren kam der Verein auf den Landessportbund Thüringen zu, um sich mit einem neuen Konzept gegen die Unterwanderung von rechten Gewalttätern zu schützen.

Dass diese Werte nun aktiv im Verein gelebt werden, davon konnte sich Dirk Adams überzeugen. Inzwischen verfügt La Familia über einen Vereinskodex, Verstöße führen zum Vereinsausschluss. Der Verein um Tobias Horn, den Vorsitzenden Daniel Zeuner und Michaela Michl, dreifache Weltmeisterin im Kickboxen, Trainerin und regionale Fachkraft Integration durch Sport, wissen um ihre Verantwortung. Denn gerade Kampfsportarten werden oftmals ausgenutzt und es wird versucht den sportlichen Aspekt zu umgehen. „Doch Kickboxen gehört in den Ring und nicht auf die Straße“, so Michl. Der Verein positioniert sich ganz klar, 30 Prozent der Mitglieder haben einen Migrationshintergrund. „Wir haben eine Historie mit Problemen in diesem Bereich, davon distanzieren wir uns ganz klar, Menschen mit rechter Gesinnung haben bei La Familia keine Chance“, erklärte Tobias Horn. Um diesen Prozess erfolgreich umzusetzen, hat sich der Verein selbst von entsprechenden Mitgliedern und Sponsoren getrennt. Auch der Aufnahmeprozess ist klar definiert: „Bereits beim ersten Kontakt mit potentiellen Mitgliedern legen wir unsere Werte offen dar, schauen uns die jeweiligen Personen, ihren Dresscode an, klicken ihre Social-Media-Kanäle“. Alle Mitglieder müssen die Werte akzeptieren, „ansonsten machen wir den Ruf des Kampfsports kaputt“.

Dirk Adams bedankte sich beim Verein für diese Arbeit: „Es ist toll, dass der Verein so offen auch über Probleme spricht, sich mit diesen auseinandersetzt und nun gemeinsam mit dem LSB einen neuen Weg eingeschlagen hat“. Seit der klaren Positionierung hat der La Familia Fightclub zudem Zuspruch bei den Mitgliederzahlen zu verzeichnen. Erst im August 2022 eröffnete der Verein sein neues modernes Kampfsportzentrum. Auch der LSB förderte die Umsetzung mit 147.000 Euro aus dem Projekt „Vereinseigener Sportstättenbau“ (Gesamtkosten 245.000 Euro).

Als Abschluss der Besuchstour überreichte Minister Adams an den LSB-Hauptgeschäftsführer Thomas Zirkel einen Zuwendungsbescheid für das Jahr 2022 zum Projekt „Regionale Fachkräfte Integration durch Sport“. Die Förderung in Höhe von insgesamt 263.750 Euro fließt in die Personal- und Sachkosten zur Anstellung von sechs regional tätigen Fachkräften, angestellt in Kreis- und Stadtsportbünden. Diese unterstützen thüringenweit Sportvereine in ihren Integrationsbemühungen, sie informieren in bestehenden Netzwerken der Flüchtlingsarbeit, in zentralen Gemeinschaftsunterkünften oder bei den Anbietern von Integrations- und Sprachkursen und Schulen über die Angebote und Leistungen der Sportvereine. Perspektivisch wird versucht, den Förderzeitraum nicht auf ein Jahr zu begrenzen, um so eine langfristige Planbarkeit und Sicherheit zu ermöglichen. Bisher muss der LSB die Förderung jährlich neu beantragen und auf eine Befürwortung hoffen.

Im Austausch zwischen LSB und dem Minister wurde auch die aktuell schwierige Situation der Sportvereine bezüglich der Belegung von Sporthallen durch Geflüchtete aus der Ukraine besprochen. „Sportvereine leisten herausragendes in der Integration, nach den Einschränkungen durch die Pandemie und dem Kostenanstieg der Energiepreise, ist die Sperrung von Turnhallen aufgrund der Unterbringung von Geflüchteten eine große Belastung“, so Adams. Er hofft darauf, dass „spätestens nach den Herbstferien die Sporthallen wieder für den Sport zur Verfügung stehen sollten“.


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    Minister Adams überreicht an den LSB-Hauptgeschäftsführer Thomas Zirkel sowie an die Fachkräfte IdS, vertreten von Michaela Michl und Markus Fromm einen Zuwendungsbescheid für das Jahr 2022 zum Projekt „Regionale Fachkräfte Integration durch Sport“. Foto: LSB Thüringen
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    „Als Sportverein sind wir auch gesamtgesellschaftlich verantwortlich und bringen uns daher selbstverständlich über den Sportbereich hinaus ein“, bringt Andreas Amend das Ansinnen des Vereins auf den Punkt. Foto: LSB Thüringen
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    Minister Dirk Adams gemeinsam mit Oberligaspieler Hasan Bradei spielen einige Ballwechsel mit Jana Conrad. Foto: LSB Thüringen
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    Minister Dirk Adams und Hauptgeschäftsführer Thomas Zirkel bedankten sich beim Verein La Familia Fightclub Erfurt e.V. für dessen engagierte Arbeit. Foto: LSB Thüringen