Geschützte Räume

Der Schwimmverein Muslimischer Frauen Stuttgart zieht Mitglieder aus verschiedenen Ländern an und hat auch Geflüchtete in seinen Reihen

Bild: Verein
Bunte Gruppe: Rund 90% der Mitglieder des Schwimmvereins haben einen Migrationshintergrund.

Wenn Soheila Hosseini über die Anzahl der Vereinsmitglieder spricht, dann nimmt sie gerne den Konjunktiv. „Wenn wir ein attraktives Schwimmbad hätten, dann hätten wir ganz viel Zulauf“, sagt Hosseini. Seine Schwimmkurse hält der Schwimmverein Muslimischer Frauen Stuttgart derzeit jedoch in der Österfeldschule im Stadtteil Vaihingen ab. Dort gibt es ein kleines Becken unter der Schulturnhalle. „Attraktiv“ bedeutet für Hosseini etwas Anderes. Dennoch hat der Verein rund 100 Mitglieder und derzeit mehr als 100 Frauen und Jugendliche, die als Nichtmitglieder an den Kursen teilnehmen. Sie alle bilden eine bunte Gruppe. Die allermeisten sind Muslimas und kommen ursprünglich aus einer ganzen Reihe unterschiedlicher Länder, es sind aber auch deutsche Teilnehmerinnen und Nicht-Muslimas vertreten. Rund 90 Prozent der Mitglieder haben einen Migrationshintergrund, jedoch sind viele in Deutschland geboren. Im Verein wird ausschließlich auf Deutsch kommuniziert.

„Weg der Mitte“ bei der Kleiderordnung

Sie alle eint, dass sie nur unter Frauen schwimmen wollen, also nicht in Gesellschaft von Männern. Den größtenteils muslimischen Frauen verbiete es ihr Glauben, sich im Wasser allzu leicht zu bekleiden, erklärtHosseini. Daher tragen sie einen Badeanzug und eine Hose, die über dem Knie endet. Zwischen Bikini und Burkini sei das ein „Weg der Mitte“, erklärt Hosseini, die 1981 aus dem Iran nach Deutschland kam. Sie tat es nicht aus politischen Gründen, sondern weil ihr Mann bereits in Deutschland studierte und sie bei ihm sein wollte. Das Paar ist hiergeblieben und hat fünf Kinder. Die Hosseinis wohnen im Stuttgarter Osten, sie arbeitet in der Stadtteilbibliothek. Sie liebe Deutschland, es sei für sie Heimat, betont Hosseini. Den Schwimmverein Muslimischer Frauen gründeten sie und fünf deutsche Freundinnen vor etwa 30 Jahren, weil sie mit ihren damals noch kleinen Kindern schwimmen gehen wollten, erzählt sie. Muslimas wollten sich beim Schwimmen aber nicht in der Öffentlichkeit zeigen und blieben gerne unter Frauen – daher die Gründung des Vereins, der seit 2015 zum WLSB gehört. Seit 2017 wird der Verein durch das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ des DOSB gefördert. Das sieht bei Migrantensportvereinen „Integrationspotentiale für Menschen, die vielleicht sonst nicht den Weg in einen Sportverein gefunden hätten“, wie es in einem Text des DOSB heißt. Um das verständigungsfördernde Potential des Sports zu nutzen, sei es für Vereine mit überwiegend deutschen wie auch mit überwiegend zugewanderten Mitgliedern gleichermaßen bedeutend, sich für Teilnehmer unterschiedlicher Herkunft zu öffnen. Das Programm wird gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat und in Baden-Württemberg vom Württembergischen Landessportbund in Kooperation mit dem Landessportverband Baden-Württemberg umgesetzt.

„Wir haben von Anfang an gesagt: Alle Frauen können kommen, die unter Frauen schwimmen möchten“, erklärt Hosseini. „Wir haben einfach unsere Rahmenbedingungen. Jede, die sich daran hält, ist willkommen.“ Dazu gehöre eben auch die Kleiderordnung.

Geflüchtete Frauen sollen schwimmen lernen

Sie sei sehr stolz, „weil wir aus vielen verschiedenen Ländern kommen und es keine Streitigkeiten gibt“. Es wird Wert auf eine offene Kommunikation und eine Vermischung der Kulturen gelegt. Derzeit seien auch viele Geflüchtete darunter. Sie sollen mindestens einmal pro Woche zu einem der neun Kurse kommen und schwimmen lernen. Das ist das Ziel. Es sei auch möglich, dass Teilnehmerinnen, die beim Verein schwimmen lernen, später in öffentliche Schwimmbäder gehen würden, wo auch Männer schwimmen, meint Hosseini. „Wir sind dafür da, den Teilnehmerinnen das Schwimmen beizubringen, ganz gleich, ob diese später in andere Schwimmbäder gehen oder weiterhin bei uns bleiben wollen.“ Neben den Schwimmterminen gibt es auch noch zwei Gymnastikkurse, zudem veranstaltet der Verein hin und wieder Tanzabende für Frauen, der nächste findet im kommenden April statt.

Für die Zukunft hofft Hosseini, dass es für die Angebote mehr geschlossene Räume gibt, in denen die Frauen unter sich sein können. „Ich wünsche mir persönlich ein schönes großes Schwimmbad mit Sauna, wo sich alle Frauen, unabhängig von der der religiösen Angehörigkeit oder Ethnie, treffen und schöne Begegnungen stattfinden können und die Zugehörigkeit keine Rolle spielt“, sagt Hosseini. Dann würden wohl noch viel mehr Schwimminteressierte kommen, weil der Verein auch räumlich ein attraktives Angebot machen könnte. Zurzeit aber sei die Mitgliederanzahl auf etwa 100 Frauen beschränkt, weil dem Verein keine größeren Kapazitäten zur Verfügung stünden, erklärt Hosseini. Es gebe in Stuttgart zu wenige Schwimmbäder und Sporthallen. Grundsätzlich aber sei der Verein für alle Frauen zugänglich.


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    Bunte Gruppe: Rund 90% der Mitglieder des Schwimmvereins haben einen Migrationshintergrund.
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    Soheila Hosseini