Heimisch werden!

Ankommen in einer neuen Welt nach einer aufreibenden Flucht. Dies ist besonders für jugendliche Geflüchtete eine große Herausforderung. Altersgemäße Hilfen fehlen, um ihnen ihren Weg in die Gesellschaft zu erleichtern. Mit speziellen Ausbildungen zum Gruppenhelfer unterstützt der Sport den Neustart ganz gezielt.

Hussein lässt sich nicht beirren. Verschmitzt grinsend balanciert er über einen Balken, während andere der Gruppe fröhlich versuchen, ihn mit Ballwürfen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Gelächter erfüllt die Sporthalle in Wiehl. Gute Laune gehört einfach dazu in dieser bunt gemischten Truppe von 13 Jugendlichen aus sechs Nationen. Sie absolvieren gerade einen Praxissteil der Gruppenhelfer-I-Ausbildung speziell für junge Geflüchtete. „Wir sind begeistert von ihrer Bereitschaft zu lernen“, stellt Anja Lepperhoff, Geschäftsführerin des KSB Oberberg fest.

ODYSSEE: AFGHANISTAN, IRAN, TÜRKEI, GREECE... LINDLAR
Die Jugendlichen sprechen nicht gerne über ihre Flucht: „Das muss man nicht noch einmal haben“, kommentiert Ershad Mohebi trocken. Schon als Kind musste er aus Afghanistan zu seinem Onkel in den Iran ziehen. Nach einer wochenlangen Flucht über die Türkei und Griechenland kam der 14-Jährige dann vor zwei Jahren nach Lindlar und geht dort nun zur Schule. Fawad Amiry, der ebenfalls aus Afghanistan stammt, hat inzwischen sogar die Gruppenhelfer-II-Ausbildung in Hachen hinter sich gebracht – und die Übungsleiterlizenz fest im Blick. Der 17-Jährige, der Mitglied in einem Fußballverein ist, hat klare Ziele: „Ich würde gerne Trainer werden und mit Kindern arbeiten, am liebsten in der Integration.“ Ein naheliegendes Bedürfnis...

ANDERE LÄNDER, ANDERE SITTEN

In der Ausbildung lernen Ershad und Fawad Spiele und Übungen selbstständig zu planen und durchzuführen, um später Trainern und Übungsleitern zu assistieren. Auch das sichere Auftreten vor einer Gruppe sowie Aspekte zu Aufsichtspflicht, Erste Hilfe und Vereinsmanagement stehen auf dem Lehrplan. Theorie und Praxis gehen Hand in Hand, eine kleine Lehrprobe schließt die Ausbildung ab. Dennoch: Andere Länder, andere Sitten – einiges ist hier anders: „Die Lehrteams haben es mit heterogenen Gruppen zu tun, mit un-terschiedlichen Sozialisationen, Sport- und Sprachvorkenntnissen“, erläutert Serpil Kaya, Referentin im Kompetenzzentrum für Integration und Inklusion im Sport des LSB, „sie müssen daher besondere Offenheit und Geduld mitbringen und benötigen mehr Zeit für Erklärungen.“ Julia Hoffmann, Fachkraft des KSB Borken, die in diesem Jahr ebenfalls eine Ausbildung durchgeführt hat, bestätigt: „Die Teilnehmer haben einen erhöhten Unterstützungsbedarf, es ist schon sehr intensiv für sie.“ Viele neue Inhalte und die sprachliche Verständigung stellen Hürden dar. Schwierigkeiten werden aber durch eine vereinfachte Sprache, vermehrte Schaubilder und Demonstrationen gut umschifft. Die meisten Geflüchteten kennen kein (Vereins-)Sportsystem wie in Deutschland und bringen vielfach ein anderes Sportverständnis mit. Mit den gezielten Ausbildungen als Gruppen- und Sporthelfer geht der organisierte Sport auf diese Menschen zu – in Unterkünften, in Schulen, in Vereinen – um sie zur Teilhabe im Sport zu motivieren. Und übernimmt einmal mehr gesellschaftliche Verantwortung.