Hier spielen alle mit – Fußball als Kitt der Nationen

Erst kletterten sie einfach über den Zaun, jetzt trainieren Flüchtlinge im Jahnstadion offiziell beim Güstrower Sportclub 09 e.V.

Eckhard Rosentreter
Bild: Freuen sich über die bunten Truppe: André Schubert und Kinan Bahia (stehend von links) sowie Hans-Jürgen Klatt (r.)

Kommandos hallen über den Kunstrasenplatz, kaum verständlich, doch die in langer Reihe laufenden jungen Männer parieren scheinbar aufs Wort, sprinten plötzlich los, verharren, machen den Hampelmann, gehen in den Entenmarsch… Sowie Kinan Bahia die lange Aufwärmphase zu Ende gepfiffen hat, löst sich alles in ein  Gewusel auf, dreschen junge Beine  gegen Lederbälle. Ein paar Minuten lässt Bahia seinen Jungs freien Lauf, dann teilt er sie für  die Spieleinheiten auf.

Der 50-Jährige ist der Trainer des wohl buntesten Fußballteams in der Region. Seine Schützlinge kommen aus Afghanistan, Somalia, Eritrea, Gambia, Sierra Leone, Mauretanien, Guinea…  Bahia selbst flüchtete vor drei Jahren mit seiner Familie aus Syrien nach Güstrow. Ausgestattet mit einer syrischen Trainerlizenz, war der Fußball schnell der Kitt, mit dem er Bindungen im fremden Land fand. Inzwischen ist er das zweite Jahr beim Güstrower SC  Co-Trainer der B2-Jugend. Vor kurzem erst konnte die Familie aus der Asylunterkunft  in eine eigene Wohnung ziehen. Einer seiner vier Söhne ist ebenfalls für den GSC aktiv. So wie eine Handvoll weiterer Akteure mit aktuellem Migrationshintergrund  bei den II. und III. Männern sowie der A-Jugend des Güstrower Vereins.

Die 16-bis 25-Jährigen, die Kinan Bahia zweimal die Woche im Jahnstadion unter seine  Fittiche  nimmt, kicken indes nicht regelmäßig, noch nicht. „Die meisten von ihnen wollen auch mal im Verein spielen. Aber das ist nur dann sinnvoll, wenn klar ist, dass sie länger bleiben“, sagt Hans-Jürgen Klatt, der als Vereinsfinanzer um den Formalitätenaufwand  und auch Kosten dafür weiß.

Nachdem vor drei Jahren der große Flüchtlingsstrom kam, blieb es nicht aus, dass sich Jugendliche und Männer aus den Asylunterkünften auf Bolzplätzen  zum Kicken trafen. Fußball verbindet halt, unabhängig von Sprache und Hautfarbe. Doch einfach so auf den Kunstrasenplatz im Jahnstadion gehen, für den die Vereinsmitglieder große finanzielle Kraftanstrengungen unternehmen mussten? „Da gab es schon einigen Unmut unter unseren Mitgliedern“, blickt André Schubert, der Chef der Fußballabteilung im GSC, einige Wochen zurück. Wirklich Ärger habe es mit den Flüchtlingen nie gegeben. Wenn eine reguläre Trainingsgruppe des Vereins kam, hatten die Fremden den Platz bereitwillig geräumt, auch wurde nichts zerstört oder verschmutzt zurückgelassen. Aber natürlich sind Straßenschuhe – manch Flüchtling hatte nur dieses eine Paar – nichts für einen Fußballrasen, und auch nichts für Fußballerbeine. „Und wir wollten wissen, wer diese Leute sind, die da ,illegal’ auf den Platz gingen“,  sagt Schubert,  „Häkchen“ bei dem Wort illegal machend. Schubert gibt zu: „Das klappt heute immer noch nicht ganz.“

Doch man habe sich „einen Kopf gemacht“ im Verein, Unterstützung  beim Landessportbund gefunden, und auch  die Stadt gibt etwas dazu. So konnten Bälle und Laibchen  gekauft werden und sogar ein großes Fußballtor. „Das hatten wir sowieso gebraucht – so hat auch der Verein etwas davon“, sagt Hans-Jürgen Klatt.

Mit Kinan Bahia war auch schnell der passende Trainer für die bunte Truppe gefunden, zu der an manchen Tagen bis zu 30 Leute stoßen. Dann pfeift Bahia  gerne auch mal zu einem Spiel der Kontinente an: Afrika gegen Asien. Warum das klappt, dass alle auf sein Kommando hören? „Fußballsprache ist international“, hat der Güstrower Syrer da natürlich auch den passenden Spruch aus der Phrasensammlung drauf.

 

Bericht: Eckhard Rosentreter/Schweriner Volkszeitung


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