Integration ist keine Einbahnstraße!

Gelungene Premiere des ersten regionalen Kontaktforums „HEIMSPIEL“ in Reutlingen.

Was im letzten Jahr in der Mercedes-Benz Arena angekündigt wurde, wurde nun in die Tat umgesetzt: Das Kontaktforum „HEIMSPIEL – Der Sport als Dialogpartner für Integration“ des Programms „Integration durch Sport“ beim Landessportverband Baden-Württemberg (LSV) fand Mitte November zum ersten Mal auf regionaler Ebene statt.

Die Veranstalter mit ihren Taktiktafeln (Foto: Patricia Kozjek)
Die Veranstalter mit ihren Taktiktafeln (Foto: Patricia Kozjek)

Damit sollte eine Plattform geschaffen werden, bei der Migranten- und Sportorganisationen sich austauschen und erste Pläne für eine Zusammenarbeit schmieden konnten – und zwar ganz speziell vor Ort und auf die jeweiligen Bedürfnisse angepasst.

Den Auftakt machte die Region Neckar-Alb. Und dieser Auftakt war mehr als erfolgreich. Rund 60 Teilnehmer fanden den Weg in die Räumlichkeiten der Kreissparkasse Reutlingen. Die Veranstalter des „HEIMSPIELS“, der Landessportverband, die TSG Reutlingen und die BruderhausDiakonie Reutlingen zeigten sich am Ende des Tages sehr zufrieden. „Ich bin mir sicher, dass unser Austauschforum einen entscheidenden Anstoß für mehr Integration in den Vereinen und Verbänden rund um Reutlingen, Tübingen und Esslingen gegeben hat“, äußerte sich LSV-Präsident Dieter Schmidt-Volkmar optimistisch.

Die richtige Taktik für Integration
Um sich selbst und alle Besucher für das „HEIMSPIEL“ warm zu machen, stellten die Projektpartner am Morgen ihre jeweilige „Taktik“ für eine gelingende Integration im Sport vor. „Integration ist keine Einbahnstraße, sie braucht Zeit und Partner, um Kommunikation herzustellen und Barrieren abzubauen. Dem Sport muss es gelingen, dass Migranten nicht nur Mitläufer auf dem Spielfeld sind, sondern dass sie auch in Führungspositionen im Verein oder Verband hineinwachsen“, so Schmidt-Volkmar auf der Bühne. Thomas Bader, 1. Vorsitzender der TSG Reutlingen, machte deutlich, dass über das gegenseitige Kennenlernen einfacher und besser zusammengearbeitet werden kann. „Wir haben vor drei Jahren gemerkt, dass wir komplett neu denken müssen, weil unser Verständnis von Integration überholt war. Nur sagen, dass jeder zu uns kommen darf, reicht nicht. Wir müssen nicht nur die Türen für Migranten öffnen, wir müssen sie auch aktiv in unser Haus holen und ihnen zeigen, was wir zu bieten haben.“
Pfarrer Lothar Bauer, Vorsitzender der BruderhausDiakonie Reutlingen, ergänzte die Ausführungen seiner beiden Vorredner: „Unsere Spielidee ist die von Teilhabe und Teil-sein. Es ist unser Auftrag, die Menschen ins Spiel zu holen und dafür zu sorgen, dass sie im Spiel bleiben. Wir brauchen gute Coaches und Partner, denn nur so funktioniert Kooperation.“


Wege zur Teilhabe
Nach einem sportwissenschaftlichem Input zur Integration durch Dr. Tina Nobis, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin, diskutierten die Partner des Reutlinger Projekts „ELAN 2: Dabei sein – für alle!“, wie man neue Wege für die Teilhabe von Zugewanderten ebnen kann. Das Projekt der TSG Reutlingen wurde 2012 mit dem Ziel gestartet, den größten Verein der Stadt zu einem Verein für alle zu machen. Die TSG Reutlingen startete einen interkulturellen Öffnungsprozess und schuf neue Angebote. Als Schnittstelle zwischen dem Sportverein und den Migrantenorganisationen fungiert der Fachdienst Jugend, Bildung, Migration der BruderhausDiakonie Reutlingen.

Brückenpersonen als Hilfe
Gemeinsam wurden sogenannte Sportmultiplikatoren aus den Migrantenorganisationen angesprochen und für ein Engagement gewonnen. Mit Hilfe dieser Brückenpersonen konnten nachweislich Zugangsbarrieren abgebaut werden. Eine dieser Brückenpersonen ist Eveline Kanaa Mapa. „Ich vermittle den Frauen in meinen Kursen, dass Bewegung Spaß macht und gesund ist. Da hilft natürlich, dass ich ebenfalls einen Migrationshintergrund habe“, berichtete die aus Kamerun stammende Sportlehrerin. „Ein gemeinsames Vorgehen von Sport- und Migrantenorganisationen erfordert Neugierde und Geduld“, weiß Galina Lerner, Geschäftsführerin von Dialog e. V. aus ihrer langjährigen Erfahrung. Dr. Tina Nobis ergänzte diese Aussage durch den Aspekt, dass „Integration im Kopf anfängt. Man muss den Mut haben, etwas zu beginnen, ohne dass man vorher weiß, was dabei herauskommt.“ Die Diskutanten waren sich einig, dass für eine gelingende Integration vor allem die Rahmenbedingungen stimmen und sich beide Seiten – sowohl der Sport wie auch die Migranten – öffnen und sich in Toleranz üben. Als Zwischenfazit berichtete Dr. Benjamin Harr, Geschäftsführer der TSG Reutlingen: „Die interkulturelle Öffnung unseres Vereins ist eine ambitionierte Aufgabe. Ich kann nur jedem raten, sich nicht zu viele Schritte vorzunehmen und auch nicht zu schnell vorzugehen. Zunächst sollte sich jeder Verein über seine Organisationsstruktur Gedanken machen und überlegen, ob Integration überhaupt ein Thema für ihn ist. Wenn man sich schließlich dafür entscheidet, dann sollte man sich bewusst sein, dass Integration ein sehr langer Prozess ist. Dieser kann gut zehn bis 15 Jahre dauern.“


Stolpersteine
Um Stolpersteine auf dem Weg zur Vernetzung von Sport- und Migrantenvereinen von Anfang an aus dem Weg zu räumen, sollten beide Parteien ein gemeinsames Ziel definieren. „Wichtig ist auch, dass sich Vereine finden, die wirklich zueinander passen. Nicht jede Kooperation kann zu einem Erfolg führen“, weiß Dr. Tina Nobis aus den zahlreichen Projekten, die sie evaluiert hat. „Man muss jedem seine Kompetenzen lassen und akzeptieren, dass etwas auch mal anders laufen kann, wie man es sich selbst vorgestellt hat.“
Der Nachmittag war schließlich für den Austausch zwischen den Vertretern der jeweiligen Organisationen reserviert. Kontakte wurden geknüpft und Erfahrungen ausgetauscht. Die Weichen für eine künftige Zusammenarbeit sind also gestellt!


  • Die Veranstalter mit ihren Taktiktafeln (Foto: Patricia Kozjek)
    Die Veranstalter mit ihren Taktiktafeln (Foto: Patricia Kozjek)
  • Austausch in kleinen Runden (Foto: Patricia Kozjek)
    Austausch in kleinen Runden (Foto: Patricia Kozjek)
  • Foto: Patricia Kozjek
    Foto: Patricia Kozjek