Vertrauen von der Straße

Mit dem Projekt „respect2gether“ integriert der Heidenheimer SB Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen – über Straßenfußball und Sambo

 

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Fußball verbindet die Jugendlichen - über die Kulturgrenzen hinweg

Eduard Marker kann gut nachempfinden, in welcher Situation sich manche Jugendlichen befinden, wenn sie aus anderen Kulturen nach Deutschland kommen. Auch er selbst hat das erlebt. 1993 machten sich seine Eltern mit dem damals 18-Jährigen und seinem zwölfjährigen Bruder Juri von Kasachstan auf die Reise hierher und landeten zunächst in Berlin. Die Integration der Aussiedler war alles andere als leicht. Seine Eltern seien am Anfang völlig überfordert gewesen mit der neuen Situation, erklärt der heutige Mittvierziger.  „Wir Jungs haben in der ersten Zeit auch viele Fehler gemacht.“ Heute aber profitieren die beiden Markers von ihren Erfahrungen, denn sie können sie als Übungsleiter und Sozialarbeiter in das Projekt „respect2gether“ des Heidenheimer SB einbringen. Es betreut etwa 100 mehrheitlich männliche Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren, die in schwierigen sozialen Verhältnissen leben und sich schwer tun mit dem Alltag und dem Leben überhaupt. Weil sie aus schwierigen Familien stammen, als unbegleitete Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind oder mit Mutter und Vater aus Osteuropa, als die Eltern hier Arbeit suchten.

Niederschwelliges Angebot

Obwohl viele der Jugendlichen gerne Sport treiben, würden sie von sich aus in keinen Verein eintreten, erklärt Marker. Ein Mitgliedsantrag oder eine Kontonummer für den Jahresbeitrag seien zu hohe Hürden. Das schrecke sie ab. Daher ist das Angebot von „respect-2gether“ bewusst niederschwellig gehalten. Straßenfußball und die russisch-sowjetische Kampfsportart Sambo werden vor allem betrieben, Mitglieder müssen die Jugendlichen

dafür nicht werden. Mehrere feste Trainingseinheiten, an denen auch der frühere Basketballprofi Mike Nahar als Trainer mitwirkt, gibt es jede Woche. Zudem veranstaltet der HSB einmal im Jahr ein großes Straßenfußballturnier. Das nächste findet am 29. Juni statt. „Wir sind wie ein Verein, aber der Umgang ist etwas lockerer“, sagt Eduard Marker. 2015 startete die Stadt Heidenheim „respect2gether“, vor zwei Jahren hat es der

HSB übernommen. Finanziell gefördert wird das Projekt von verschiedenen Organisationen. Darunter ist auch der WLSB, der es mit Mitteln aus dem Bundesprogramm „Integration durch Sport“ des DOSB und des Bundesinnenministeriums unterstützt.

Streetwork am Busbahnhof

Wer sich in Heidenheim aufhält, kann Eduard und Juri Marker häufig am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOH) oder vor einem Supermarkt sehen, weil sich die vorwiegend ausländischen Jugendlichen dort treffen. „Die Markers machen da Sport-Streetwork“, sagt die HSB-Projektleiterin Ulrike Zeitler. Eduard Marker meint, zu Beginn des Kontakts sei die Kommunikation das größte Problem. „Aber wenn sie Vertrauen gewonnen haben, geht Vieles.“ Gerade als Verein sehe der HSB viel Potenzial, Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen über den Sport zu erreichen, betont Zeitler. „Wir sehen uns in der Pflicht, zu ihrer Integration beizutragen.“ Straßenfußball sei dabei das, was am besten funktioniere, erklärt Eduard Marker. „Es ist am einfachsten.“ Nur im Winter wird in einer Halle gespielt. Er will aber auch nicht verhehlen, dass die Arbeit nicht immer leicht ist. „Wenn viele verschiedene Kulturen zusammenkommen, kann es schwierig werden. Die Jugendlichen haben jeweils eine andere Wahrnehmung zum Beispiel von Beleidigungen“, sagt er. Daher geben die Trainer klare Regeln vor, fordern   gegenseitigen Respekt ein und sind immer präsent – sonst kann es auch mal knallen. Weil die Jugendlichen Bilder und Videos von ihrem Sport lieben und sie gerne in sozialen Medien verbreiten, hat Marker stets eine Kamera dabei. Würde etwa ein besonderer Torschuss im Bild festgehalten, seien die jungen Sportler mächtig stolz darauf. Auch das hilft ihnen dabei, ihren Weg durchs Leben zu finden, eine Berufsausbildung zu machen und ihr eigenes Geld zu verdienen. Sich also zu integrieren. „Unser oberstes Ziel ist, dass sie irgendwann sagen: Ich werde Mitglied im HSB und gestalte die Wettkämpfe mit, helfe bei Veranstaltungen und so weiter“, erklärt Eduard Marker. „Dann sehen wir unser Ziel erreicht.“


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    Fußball verbindet die Jugendlichen - über die Kulturgrenzen hinweg
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    HSB-Projektleiterin Ulrike Zeitler