„Integration durch Sport“ Ein kleines Wunder in Jülich

Die „Nordhalle“ in Jülich ist Dreh- und Angelpunkt einer Geschichte, die von einer guten Idee und von großem ehrenamtlichen Engagement erzählt. Sie erzählt aber insbesondere von einem besonders guten Beispiel, wie sich ein Verein im Rahmen von „Integration durch Sport“ einbringen und erfolgreich sein kann.

Klack, Klack. Es macht den ganzen Abend dieses typische „Klack, Klack“, wenn die weißen Bälle vom Schläger auf die Tischtennisplatte prallen. Die „Nordhalle“ im Jülicher Norden wird wie an jedem Abend in der Woche bis an die Grenzen der Kapazität von jungen Spielerinnen und Spielern und ihren Übungsleitern genutzt. Wohlgeordnet sind die 20 Tischtennisplatten verteilt, in einem Bereich hat der Verein sogar eine „Aufschlagmaschine“ platziert. „Ideale Bedingungen“, sagt Arnold Beginn, Ehrenvorsitzender des TTC SIG Combibloc Jülich

Rückblende: Der Jülicher Norden entwickelte sich Ende der 90er Jahre durch Migrantenzustrom zu einem der sozialen Brennpunkte der Stadt. Übergriffe, Einbrüche und Belästigungen, häufige Polizeieinsätze machten – so schildert es Vereinspräsident Reinhold Küven – das ehemals beschauliche Viertel zu einem Konfliktherd. „Aufgrund von Problemen, sich zu integrieren, bildeten sich Cliquen“, erzählt Küven. Die Alteingesessenen verließen den Wohnbereich, die Immobilienpreise sanken, der Stadtteil drohte umzukippen.

 

Turnhalle statt Straße

 

Dass hier die Heimat des TTC ist, sollte sich zu einem echten Glücksfall für den Jülicher Norden entwickeln. Erst einmal jedoch gab es eine Menge Ärger: „Auch unsere Halle wurde nicht von Schmierereien verschont, die Umkleiden waren nicht mehr sicher. Draußen lungerten die Jugendlichen herum. So ging es nicht mehr weiter“, berichtet Arnold Beginn. Seine Idee: Warum sollte der Verein den jungen Menschen aus Polen, Tschechien oder Kasachstan nicht ein Stück (sportliche) Heimat bieten. Das Projekt „Turnhalle statt Straße“ war geboren und wird nun seit sechs Jahren in die Tat umgesetzt.

Küven, Beginn und viele weitere Mitstreiter des Vereins gingen auf die Migranten zu, boten ihnen Trainingsmöglichkeiten in der Halle an. Auch für Sportschuhe, Bälle, Schläger sorgte der Verein – und befreite die Neuen vom Mitgliedsbeitrag. „Erst hörten wir oft: `Wir wollen lieber Boxen als Tischtennis zu spielen`. Aber das legte sich schnell“. Denn Tischtennis entfaltete seine eigene Faszination unter den Migrantenkindern. Viele sind mittlerweile jeden Tag in der Halle, wollen selbst nach Trainingsende, wenn nur noch die Notbeleuchtung brennt, nicht aufhören.

 

Die Kinder strömten in die Halle und wurden über die Jahre rundum betreut u.a. auch von ehemaligen Tischtennis-Bundesligaspielern wie Miroslav und Bobuslav Broda. Heute ist mit Dimitrij Hristodorov jemand aktiv, der das Projekt „Turnhalle statt Straße“ aus eigener Anschauung kennt und nun „etwas zurückgeben“ möchte. Gemeinsam ist vielen Übungsleitern beim TTC SIG Combibloc, dass sie selbst aus dem osteuropäischen Raum stammen. „Das macht einiges bei den teilweise vorhandenen sprachlichen Problemen leichter“, meint TTC-Jugendausschusssprecher Michael Küven.

 

Die Vereinsarbeit zur Integration der Jugendlichen wird vom Kreis Düren und der Kreissparkasse, den Stadtwerken und vom Verpackungshersteller SIG Combibloc bei einem Gesamtetat von über 30.000 Euro unterstützt. Auch die Sportjugend NRW steuert eine Menge bei. So werden allein fünf Übungsleiter aus dem Topf „Integration durch Sport“ in Kooperation mit dem Bundesinnenministerium finanziert. Da die Förderung durch das Programm „Integration durch Sport“ relativ sicher ist, hat der TTC nun größere Planungssicherheit. Außerdem bekam der TTC für die Dauer der Förderung als Stützpunktverein einen 9-sitzigen Bus zur Verfügung gestellt. „Eine große Hilfe für uns“, so Arnold Beginn, „da wir jetzt die Kinder und Jugendlichen leichter zu Training und Wettkampf, aber auch zu Freizeitaktivitäten bringen können.“

 

Seit 2006: Offizieller Stützpunktverein der Sportjugend

 

2006 wurde der TTC SIG Combibloc Jülich außerdem offiziell von der Sportjugend als „Stützpunktverein“ aufgenommen. Damit sind die Bande zwischen dem TTC und dem Sportjugend noch enger geworden. „Wir unterstützen und beraten, wo wir nur können“, sagt Hans-Peter Schmitz als Integrationsbeauftragter des LandesSportBundes. Von der Sportjugend werden darüber hinaus noch Tages- Wochen- und Ferienprojekte unterstützt. „Ohne die vielfältigen Zuschüsse wäre das Projekt nicht denkbar. Die Auszeichnung der Sportjugend hat uns zusätzlichen Rückenwind und eine Menge Anerkennung gebracht“, sagt Arnold Beginn.

Mittlerweile haben über 30 Prozent der jungen Vereinsmitglieder einen Migrationshintergrund. „Wir haben es geschafft, die teilweise destruktiven Energien der Jugendlichen in Trainingsbereitschaft umzuwandeln. Wenn man sieht, mit welcher Hingabe die Kids tagein tagaus sportlich aktiv sind, dann erfüllt mich das mit großer Befriedigung“, sagt der Ehrenvorsitzende.

 

Text: Theo Düttmann

Fotos: Andrea Bowinkelmann