Die Integrations-Profis

Mit einem gemischten Publikum zu arbeiten, ist für die Sportvereine der Stadt nichts Neues. Das war schon lange vor 2015 so. Damals kamen viele Geflüchtete nach Hamburg. Seitdem hat sich einiges getan in Sachen Integration.

Hasib Aziz war lange als Botschafter des Sports beim SV Eidelstedt tätig und engagiert sich nun weiter neben seiner Ausbildung im Verein
Hasib Aziz war lange als Botschafter des Sports beim SV Eidelstedt tätig und engagiert sich nun weiter neben seiner Ausbildung im Verein

Seit Jahrzehnten beweisen  Sportvereine ihre integrative Kraft. Mitglieder nichtdeutscher Herkunft sind eine Selbstverständlichkeit. Der Hamburger Sportbund (HSB) half und hilft den Klubs mit dem Programm „Integration durch Sport“ organisatorisch und finanziell. Zwischen den Geflüchteten von 2015 und Menschen mit Migrationshintergrund, die schon länger hier leben, unterscheiden die Vereine nicht.

Vieles hat sich weiterentwickelt: Fünf Beispiele aus der Stadt für Integration durch Sport in die Gesellschaft.

 

SV EIDELSTEDT - HASIB AZIZ

Im Boxkeller des SV Eidelstedt wärmt sich Hasib Aziz auf; Seilspringen, Schattenboxen. 2016 ist er aus Kabul geflohen. Zwei Jahre hat Aziz dann beim SVE als Botschafter des Sports gearbeitet. Er holte Geflüchtete aus den nahen Unterkünften ab und brachte sie zu den Sportkursen des SVE. Inzwischen kennt der 19-Jährige den Verein in- und auswendig und möchte bald als Boxtrainer arbeiten. Allerdings ist es zeitlich schwierig, die geforderte C-Lizenz zu absolvieren – Hasib macht eine Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker Metallbau. Das ist anstrengend und zeitaufwendig, auch, weil er für die Berufsschule lernen muss. Nach wie vor hilft er als Dolmetscher. Die Kinder, die er früher abholte, trifft er jetzt im Stadtteil wieder und plaudert mit ihnen. „Ich frage sie, auf welche Schule sie gehen“, sagt Hasib Aziz, „viele kommen immer noch zum SVE.“ So wie er.

 

SV NETTELNBURG/ ALLERMÖHE - VALENTIN AZI

In Nettelnburg im Südosten der Stadt hat auch Valentin Azi sein Tätigkeitsfeld verändert. Der 45 Jahre alte Familienvater ist beim SV Nettelnburg/Allermöhe das Mädchen für vieles und ein Aushängeschild in Sachen Integration. Als „Botschafter des Sports“ hat sich Azi darum gekümmert, Geflüchtete aus Unterkünften zum SV N/A zu bringen. Das macht der hauptberufliche Softwareentwickler nicht mehr. Er unterstützt nun vor allem beim „Papierkram“. „Die Leute kriegen Briefe von der Geschäftsstelle und verstehen nicht, was drinsteht“, sagt Azi. Antragsbefreiung, Leistungsbescheinigung: Wer könnte dabei keine Hilfe gebrauchen? „Die Trainer rufen mich an und fragen, welche Formulare sie brauchen“, sagt Azi. Aktuell plant der SV N/A eine Kooperation mit 75 fußballspielenden Somaliern zwischen 18 und 28 Jahren. Die Integrationsarbeit endet nicht. 

 

1. FC HELLBROOK

Einradfahren kommt beim 1. FC Hellbrook schon seit Jahren gut an. Heute Abend rollen sich neun Mädchen zur Musik von „Coldplay“ in der Schulsporthalle ein. Der Verein in diesem gemischten Stadtteil versteht sich als Anlaufstelle für klein und groß, gleichgültig welcher Herkunft. Die Hausaufgabenhilfe beispielsweise ist ein Renner. Eine Boxgruppe, die auch für Geflüchtete kostenlos angeboten wird, hat sich etabliert. Das Vereinsheim ist beliebter Treffpunkt, seit Wirt Cengiz Dogan es wiederbelebt hat. Dogan wirbt in der nahen Moschee für die Angebote des 1. FC. Eine Fußball-Mädchenmannschaft startet gerade.

Die Einradgruppe begann vor drei Jahren als Angebot, das aus den Töpfen des Programms „Integration durch Sport“ des HSB gefördert wurde. Inzwischen ist sie ein reguläres Vereinsangebot, und die teilnehmenden Kinder sind Vereinsmitglieder. Auch den offenen und kostenlosen Kurs „Fitness für Frauen“ will Geschäftsführer Holger Schmidt integrieren. In Zukunft werden dann die Teilnehmerinnen mit ihren Beiträgen das Angebot finanzieren.

 

HAUSBRUCH-NEUGRABENER TURNERSCHAFT

Beim Schwergewicht ganz im Süden der Stadt kämpft die Integrationsbeauftragte Indre Sereikyte um neue Mitglieder. Der Fitnesskurs „Femigration“ ist inzwischen in das Angebot der Hausbruch-Neugrabener Turnerschaft integriert. „Es war unsere beste Idee, sie im Verein einzugliedern. Es wurde drei Jahre gefördert, jetzt muss bezahlt werden. Das ist der Zweck des Ganzen. So lernen sie das Vereinsleben kennen“, sagt Sereikyte, 35. Die Grundlagen, um den Kurs für neue Mitglieder attraktiv zu machen: Nicht zu teuer, flexible Kündigung, Bezahlung in bar möglich. Mehr als 5000 Mitglieder hat die HNT inzwischen. Vieles in der Integrationsarbeit ist vorbildlich; es gibt neuerdings eine Sprechstunde mit einem Mitglied, das türkisch, Farsi und kurdisch spricht. Für die HNT läuft auch eine Basketballmannschaft auf, die aus Litauern in ganz Hamburg gebildet wird. Der Verein lebt Vielfalt vor.

 

TSV WANDSETAL - MARIA ALI

Maria Ali kümmert sich beim TSV Wandsetal schon seit fünf Jahren um die Integration. Voller Energie und mit vielen Ideen, geht Maria Ali auch weiterhin gern in Unterkünfte, um dort Menschen zum Sport zu bewegen. Das ist viel besser als sich zu langweilen. Maria Ali ist wie der gesamte Verein bestens vernetzt im Stadtteil, und profitiert hat der TSV in vielerlei Hinsicht von Geflüchteten – einige sind Vereinsmitglieder geworden, andere engagieren sich ehrenamtlich, als Übungsleiter im Fußball zum Beispiel. Maria Ali, 36, hat afghanische Wurzeln. Das hilft bei der Arbeit als Multiplikatorin und Brückenperson – man vertraut ihr. Bei aller Begeisterung für die Integrationsarbeit hat sie zuletzt eine Veränderung festgestellt. Sie sagt: „Die Willkommenskultur ist in Deutschland nicht mehr so vorhanden. Man muss in Gesprächen wieder begründen, warum man mit Geflüchteten arbeitet.“

 

 

TEXT: FRANK HEIKE


  • Hasib Aziz war lange als Botschafter des Sports beim SV Eidelstedt tätig und engagiert sich nun weiter neben seiner Ausbildung im Verein
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  • Valentin Azi ist beim SVNA Multiplikator und "Mädchen für vieles"
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  • Die Einrad-Gruppe des 1. FC Hellbrook hat sich im Verein etabliert
    Die Einrad-Gruppe des 1. FC Hellbrook hat sich im Verein etabliert
  • Litauer aus ganz Hamburg kommen zur HNT, um dort gemeinsam Basketball zu spielen
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  • Maria Ali ist für den TSV Wandsetal als Integrationsbeauftragte eine wichtige Bezugs- und Vernetzungsperson
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