Mit Ideen, Fröhlichkeit und viel Energie den Verein aufgemischt

Esra Evren arbeitet mit 21 Jahren im Vorstand des SC Urania (Stützpunktverein im Programm Integration durch Sport). Sie möchte vorankommen und den Verein weiterbringen. Ihre Freundin Bashira Khaliqi, 30 Jahre älter, begeistert die Vereinsmitglieder durch ihr sportliches Kursangebot. Zusammen zeigen die beiden Frauen, was mit ehrenamtlichem Engagement alles möglich ist.

An die skeptischen Blicke der älteren Herren bei Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen erinnert sich Esra Evren noch sehr gut. Wer ist denn die junge Frau? Esra Evren lacht. Das war anfangs ziemlich irritierend. „Da muss man sich erstmal hintrauen!“, sagt sie. „Inzwischen weiß ich, dass die alten Herren total lieb sind“, sagt die 21 Jahre alte Deutsche, „sie haben applaudiert und gratuliert, als ich in den Vorstand gewählt wurde, sie sagen jetzt ,Moin!‘ und ,Hey!‘. Ihr Blickwinkel hat sich durch mich geweitet.“

Esra Evren, geboren in Hamburg-Bramfeld,  hat ihren Verein mit Ideen, Energie, Fröhlichkeit ganz schön aufgemischt in dem Jahr, seit sie dabei ist.

Eigentlich wollten sie und ihre 18 Jahre alte Schwester Nisa anfangs nur ein bisschen helfen. Sie kannten Sylke Weise, die das Projekt Internationaler Frauensport ins Leben gerufen hat und Jugendwartin im SC Urania ist. Esra Evren erzählt, wie sehr ihr das Engagement der Familie Weise für den SC Urania imponiert; auch Weises Vater und ihr Ehemann, der Erste Vorsitzende,  leben für den Klub an der Habichtstraße, der sich das Thema Integration auf die Fahnen geschrieben hat. Esras Wunsch, mitanzupacken, wuchs aus Weises Vorbildfunktion. Nun engagiert sich die Pädagogik-Studentin im Vorstand des SC Urania, ihre jüngere Schwester kümmert sich um die Schriftführung im Vorstand.

Zunächst half Esra Evren beim Flüchtlings-Schwimmen im Berufsförderungswerk Farmsen. Dort wollte sie Netzwerkkoordinatorin Seyhan Dülger, die sich auch um Kursbelegungen kümmert, und Sylke Weise Arbeit abnehmen: „Ich wollte nach meinem FSJ wieder etwas Freiwilliges machen, das hat mir gefehlt.“ Der Kurs ist überbelegt, erzählt Esra Evren, und auch die Schwimmkurse für muslimische Frauen am Samstag sind sehr gut besucht: „Alle wollen schwimmen lernen“, sagt sie.

Neben dem Studium und der Vereinsarbeit betreut Esra Evren auch Kinder in der Nachmittagsbetreuung. Sie töpfert mit ihnen in einer Bramfelder Schule. „Meine Freundinnen fragen mich oft, wie ich das alles hinkriege“, sagt sie, „ob ich nicht kaputt bin am Ende des Tages. Aber ich mache das für mich selbst, Ich bin glücklich, wenn ich helfen kann.“ Wenige ihrer Freundinnen sind in Vereinen. Das stört Esra Evren. „Integration ist nirgends leichter als im Sport, denn hier sind alle Menschen gleich“, sagt sie. Esra Evren wirbt im Stadtteil für das Angebot „Frauensport international“. Für ihr eigenes Fortkommen sei die Vereinsarbeit Gold wert: „Wenn ich in meinem gewünschten Beruf arbeiten will, brauche ich diese Erfahrungen.“ Manchmal staunt sie selbst: „Wir sind hier im Stadtteil solch ein kleiner Verein – und haben so viel hingekriegt!“ Innerhalb des SC Urania ist der Frauensport International, gegründet 2012, eine Keimzelle neuer Ideen.

Anderes versteht sie nicht. „Manche Frauen haben es schwer, einen Antrieb zu finden“, sagte Esra Evren, „dabei wissen sie, wie gesund und wichtig regelmäßiger Sport ist.“ Sie fährt fort: „Es tut mir leid, wenn motivierte Übungsleiterinnen in der Halle stehen, und kaum jemand kommt. Es macht ja für alle mehr Spaß, mit vielen Sport zu machen.“ Sie ist nicht der Typ, der nur klagt, hinnimmt, ohne die Dinge verändern zu wollen. Viel mehr Werbung möchte sie machen, am besten mit großen Bannern an Hauswänden die vielen Angebote des SC Urania prominent platzieren. Und zwar im ganzen Stadtteil. Natürlich eine Frage des Geldes – der SC Urania ist klein, sicher nicht vermögend. Aber vielleicht fände sich ein Sponsor?

Esra Evren hat viel Energie, das merkt man sofort. Ihre Art, sich im Ehrenamt zu engagieren, wird von guter Laune getragen. Manchmal findet sogar ihre Mama, dass Esra auf zu vielen Hochzeiten tanze. „Aber Mama ist viel gewohnt, wir sind etwas untypisch, haben schon ganz viel Sport als Kinder gemacht“, sagt Esra und zählt auf: „Turnen, Judo, Kickboxen, Fußball.“

Herzlich und freundschaftlich ist ihr Umgang mit Bashira Khaliqi. 30 Jahre Lebensalter trennen die beiden Frauen. Die Begeisterung für den Sport und die Arbeit im SC Urania verbinden sie. Sei Dezember 2015 Jahren arbeitet Bashira Khaliqi hier ehrenamtlich im Klub, wann immer sie es mit ihrer Arbeitszeit vereinbaren kann.

Vor mehr als 20 Jahren floh sie aus Kabul in Afghanistan nach Hamburg, wo sie ihren Mann kennen lernte. Sie kannte Seyhan Dülger aus der Nachbarschaft und machte in ihrem Sportkurs für Muslima mit. So entstand der Kontakt. Längst hier heimisch geworden, arbeitet sie an der Vernetzung, der Verbesserung des Sportangebots und erforscht die Bedarfe der Frauen. Sie hat ihre Übungsleiter-C-Lizenz gemacht und einige Fortbildungen beim HSB absolviert. Sie sagt: „Ich wollte gern unter Menschen sein und soziale Kontakte knüpfen. Meine erste Frauensportgruppe begann abends um 20 Uhr. Da kamen natürlich nicht viele. Auch heute müssen wir zu besseren Zeiten kämpfen. Viele Frauen sagen, neben Haushalt und Arbeit geht nichts mehr. Viele sind auch bequem. Aber die, die kommen, sind supermotiviert. Und danach fühlen sie sich gut.“ Fitness, Prellball, Völkerball, Brennball, und am Ende ein bisschen Yoga zur Entspannung, das ist ein klassisches Programm. Zwölf bis 13 Frauen kommen, wenn es gut läuft. Nach dem Ramadan und den Sommerferien, einer langen Pause also,  müsse sie ihre Frauen wieder „einsammeln“, sagt Bashira Khaliqi. Es freut sie, wenn die Kursteilnehmerinnen sie loben – was oft vorkommt. Esra Evren sagt: „Bashira ist sehr motiviert und hat eine tolle Ausstrahlung. Das kommt gut an.“    

Natürlich geht es auch um Lebenshilfe, man spricht über private Probleme, über dies und das, und es wird auch mal gefeiert, wie an diesem Nachmittag, dem zweiten Tag des Zuckerfestes. Ramadan ist vorbei. Der SC Urania ist dank Frauen wie Esra Evren und Bashira Khaliqi das Zuhause vieler.

Bashira Khaliqis Kinder treiben in deutschen Sportvereinen Sport. Ihnen ist die hiesige Sportwelt alles andere als fremd. Und Bashira Khaliqi geht in ihrer Rolle als Übungsleiterin voll auf. Hier können die Muslima das Kopftuch abnehmen, ungestört von Blicken anderer. Sport im geschützten Raum. Gleiches gilt für das Schwimmangebot am Samstag. „Die Frauen sind einfach froh, dass sie hier bei uns ungestört ihren Sport machen können“, sagt Bashira Khaliqi, die auch selbst an den begehrten Radfahrkursen beim SC Urania teilgenommen hat.  Dort wird auch Geflüchteten das Radfahren beigebracht. „Die Frauen sind begeistert, dass es so etwas gibt“, sagt Bashira.

Nach den Sommerferien will Esra Evren das Kursangebot umgestalten, anders strukturieren. „Die Kurse müssten viel mehr gesehen und gehört werden. Sport ist so ein toller Ausgleich. Leider gibt es so wenige engagierte Leute. Das verstehe ich gar nicht, denn ich finde, wenn ich liebevoll zu anderen bin, sind sie das auch zu mir.“

Als Multifunktionärin fühlt sie sich richtig wohl. Und sie will den Frauen weiterhin die Möglichkeit geben, Sport zu treiben. Ob es für sie persönlich irgendwann der Vereinsvorsitz wird, das weiß Esra Evren nicht: „Ich kann es mir jetzt nicht vorstellen, aber wer weiß.“

Text: Frank Heike
Foto: Frank Molter

 

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