Neues aus unserer Portraitreihe

Dank Männern wie Wladimir Bondarenko hat die Integrationsarbeit bei Altona 93 einen großen Stellenwert

Foto: HSB/ Frank Molter
Foto: HSB/ Frank Molter

Der Ball knallt gegen den Pfosten. Mohammad greift sich an den Kopf, lächelt verlegen und läuft zu seinen Mannschaftskameraden an die Mittellinie zurück. Er ist nicht der einzige, der seinen Neunmeter an diesem heißen Nachmittag verschießt.  Macht nichts – ist ja nur ein Freundschaftsspiel, Saisonabschluss der D-Jugend von Altona 93 auf dem Grandplatz der befreundeten Groß Flottbeker SpVgg.

Mohammad Merhi ist elf Jahre alt und hat bis vor knapp zwei Jahren in Latakia gelebt, einer syrischen Hafenstadt am Mittelmeer mit 420.000 Einwohnern. Über seine Flucht nach Deutschland mag er nicht sprechen. Fußball ist ein besseres Thema, eines, das Mohammad in perfektem Deutsch abhandelt und so antwortet, dass sich sein neben ihm stehender Trainer Wladimir Bondarenko ein breites Grinsen nicht verkneifen kann. „Mein Lieblingsverein ist Altona 93!“, sagt Mohammad ohne Umschweife. Hier darf er mitspielen, im rechten Mittelfeld seine Schnelligkeit und gute Koordination zeigen, Mohammad ist nämlich auch ein sehr guter Turner.

„Als er zu uns kam, war er ein Fußball-Anfänger“, sagt Bondarenko, der bei Altona 93 auch der Integrationsbeauftragte ist. Seit 2012, um genau zu sein, und vor allem, weil er einfach nicht nein sagen kann, wenn es um die Arbeit für den Verein mit Kindern geht. „Ich habe eigentlich auch nicht richtig ja gesagt“, erinnert sich der großgewachsene Mann, der in Kasachstan geboren wurde und 1995 über Itzehoe nach Hamburg kam, „ich sagte nur, dass ich schon Arbeit bis Oberkante Unterlippe habe. Aber bei der nächsten Sitzung haben alle Anwesenden einfach applaudierend zugestimmt, als mein Name genannt wurde. So wurde ich Integrationsbeauftragter.“ Seit 2005 bei Altona 93, ist der 51 Jahre alte Vater dreier Kinder ein Ehrenamtler durch und durch geworden: zupackend, ehrlich, sympathisch. Einer, der Arbeit annimmt, wenn andere sich wegducken. Wie seine Jungs zu ihm aufschauen, wenn er in der Halbzeitpause die Taktik der zweiten Hälfte an der Tafel vorgibt – da ist einer Respektsperson und Teilzeit-Papa in einem.

Bondarenkos eigene Geschichte ermöglicht ihm einen einfachen Zugang zum Thema Integration. „Ich weiß, welche Probleme es gibt. Ich kam als erwachsener Mann ohne Sprache her. Du stehst plötzlich wie ein kleines Kind da, gleichgültig, welchen Status du vorher hattest. Du kannst nirgendwo anklopfen. Ich hätte mir mit 25 Jahren nie vorstellen können, einmal in Deutschland zu leben. Und dann: Ratzfatz bist du Flüchtling!“ Als Diplom-Ingenieur im Maschinenbau kam er vier Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland in seinen heutigen Job. Das war 1999. Man kann es gewiss schlechter treffen, das weiß Bondarenko. Er sagt: „Der Sport kann helfen. Durch Sport gehen Türen auf, weil es keine Sprachbarriere gibt.“

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Text: Frank Heike

 


  • Foto: HSB/ Frank Molter
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