„Kinderarmut bekämpfen, liegt mir besonders am Herzen“

Das erste Jahr des MTV Wolfenbüttel als neuer Stützpunktverein hat so ganz anders angefangen als geplant. Ob nun das Ostercamp oder die neu gegründete Tischtennisgruppe: Alle integrativen Maßnahmen im Verein sind – genau wie der reguläre Sportbetrieb auch – coronabedingt zum Erliegen gekommen. Doch die Integrationsbeauftragte Petra Vogel weiß als Sportlerin aus erster Hand, dass bei großen Zielen ein langer Atem vonnöten ist. Welche Ziele der MTV Wolfenbüttel genau mit seiner Integrationsarbeit verfolgt, berichtet die Übungsleiterin und Mitarbeiterin der Geschäftsstelle im ersten Teil der Interviewreihe mit Stützpunktvereinen.

 

Petra Vogel (3. v. li.) bei der Übergabe der Auszeichnung als Stützpunktverein
Petra Vogel (3. v. li.) bei der Übergabe der Auszeichnung als Stützpunktverein

LSB Niedersachsen: Der MTV Wolfenbüttel ist seit Anfang 2020 Stützpunktverein im Bundesprogramm „Integration durch Sport“. Wann seid Ihr das erste Mal mit dem Thema Integration in Berührung gekommen?

Petra Vogel: Das Thema begleitet unseren Verein schon lange, aber ganz besonders seit der sogenannten „Flüchtlingskrise“  im Jahr 2015/2016. Damals haben wir angefangen Bewohnern aus dem nahegelegenen Flüchtlingsheim unsere Sportangebote vorzustellen. Und natürlich habe ich als Schwimmtrainerin auch sehr viele Erfahrungen mit Geflüchteten und Migranten gemacht, die nicht schwimmen konnten, da sie in ihren Heimatländern nie die Chance hatten, es zu erlernen. Auch sehr viele Erwachsene zählten dazu. Aber auch  Fortbildungen zu dem Thema wie „Sport interkulturell“ haben mich damals für das Thema kulturelle Vielfalt im Sport sensibilisiert.  

LSB Niedersachsen: Und an welches Erlebnis kannst Du Dich noch ganz besonders erinnern?

Petra Vogel: Gerade beim Schwimmtraining habe ich natürlich sehr prägende Sachen erlebt. Erwachsene, die von ihrer lebensgefährlichen Flucht übers Mittelmeer traumatisiert waren und regelrechte Todesängste in Bezug auf Wasser ausstanden.  Aber auch sehr viele schöne Erfahrungen, wenn diejenigen dann doch schwimmen gelernt und sich ihren anfänglichen Unsicherheiten  gestellt haben.  Auch das Gymnastikangebot für Damen aus der nahegelegenen Flüchtlingsunterkunft war ein ganz besonderes Erlebnis. Eigentlich war es ja nur für die Frauen gedacht, doch die gesamte Familie der Frauen kam mit. Mütter und Väter turnten also in Alltagsbekleidung auf der Gymnastikmatte mit und die Kinder spielten mit Bällen zwischen den Matten. Und alle waren in diesem Augenblick einfach sehr dankbar und glücklich. 

LSB Niedersachsen: Und gab es auch frustrierende Erlebnisse und wie bist Du damit umgegangen?

Petra Vogel: Na klar lief nicht immer alles wie geplant. Bei dem Gymnastikangebot haben wir die Frauen beispielsweise immer von der Unterkunft abgeholt, da sonst niemand erschien. Gerade das Thema regelmäßige Teilnahme oder auch Pünktlichkeit muss anfangs oft noch vermittelt werden, aber das liegt halt auch daran, dass viele Neuzugewanderte  in ihren Heimatländern keinen organisiertem Vereinssport nachgingen und natürlich auch beim Ankommen in ein unbekanntes Land viele andere Probleme haben, als pünktlich und regelmäßig zum Sport zu gehen. Insofern muss man da einfach Verständnis zeigen und geduldig sein oder halt selbst die Initiative ergreifen und die Leute auch mal aufsuchen.

LSB Niedersachsen: Und welches Ziel verfolgt Ihr nun als Stützpunktverein bzw. in welchem Bereich liegt euer Schwerpunkt?

Petra Vogel: Wir wollen möglichst vielen sozial Benachteiligten und Menschen mit Migrationshintergrund den Zugang zum Sport im Verein zu ermöglichen, damit sie sich schneller in unsere Gesellschaft integrieren, soziale Kontakte knüpfen und sich damit „zu Hause“ fühlen können. Ein Thema was mir dabei besonders am Herzen liegt ist, Kinderarmut zu bekämpfen. Denn  Sport ist ein Teil ganzheitlicher Bildung und kann dazu beitragen, dass die Kleinen  später einen guten Bildungsabschluss und damit auch bessere Ausbildungschancen haben – und den Kreislauf der Armut durchbrechen.

LSB Niedersachsen: Wo seht Ihr euch in 5 Jahren bzw. was sind eure Fernziele in Bezug auf das Thema Integration?

Petra Vogel: Ich wünsche mir, dass wir in 5 Jahren, die Mitgliederzahl in Bezug auf den Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund und sozial Benachteiligten prozentual deutlich erhöhen können und dass sie sowohl in der Vorstandsebene als auch im Bereich Trainer anteilig höher vertreten sind, um ihre Wünsche besser berücksichtigen zu können. Klar ist: Das  wird nicht von selbst passieren, daher werden wir uns mit den örtlichen Institutionen besser vernetzen  wie bspw. dem Runden Tisch der Stadt Wolfenbüttel  anschließen und auch mehr Öffentlichkeitsarbeit betreiben.

Gut zu wissen:

Unter dem Motto „HomeSports – wir bewegen euch zuhause“ versorgt der MTV Wolfenbüttel alle Interessierten mit Sportvideos aller Art. Alle Videos gibt es hier:

https://www.mtv-wolfenbuettel.de/de/news/online-sport/


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