Sportlots*innen helfen beim Wiedereinstieg

Es geht wieder los!

Nach den entbehrungsreichen letzten Wochen läuft der Sport Schritt für Schritt wieder an.

Seit dem 27. Mai sind auch Indoor-Sportstätten wieder nutzbar. Auf diesen Moment haben viele Aktive sehnsüchtig gewartet. Beim mitunter euphorischen Wiedereinstieg muss jedoch auch auf die neue Situation und neue Regeln geachtet werden. Das ist nicht überall einfach zu vermitteln. Hier kommt einigen Vereinen die Unterstützung durch die Sportlots*innen des Programms „Integration durch Sport“ zugute.

Holger Franz / SAV
"Fußball verbindet" auch mit Abstand.

Silke Wirtz, Sportlotsin beim lateinamerikanischen Tanzsportverein Casa Cultural, hilft momentan aus, wo sie kann. Der Vorstand hat unter Hochdruck ein zur Wiedereröffnung notwendiges Hygiene-Konzept erstellt – verständlich, dass in dieser heiklen Phase des Wiedereinstiegs die Nerven angespannt sind. „Bei uns trifft Leidenschaft und Temperament auf neue Regeln.“ so Silke Wirtz. „Da hatten wir anfänglich schon etwas Bammel, aber bis auf einen direkt angesprochenen Patzer läuft es bisher glatt. Es ist zum Glück ein sehr schneller Lernprozess.“ Beim Lernprozess helfen unter anderem die übersetzten Leitplanken des DOSB, die sie für die Vereinsräumlichkeiten in Bremen-Mitte frisch ausgedruckt hat. Die gelernte Fotografin leitet seit letztem Sommer unter anderem eine Frauen-Walkinggruppe mit internationaler Besetzung und engagiert sich seit Beginn des Jahres als Sportlotsin. Die Ausnahmesituation der letzten Wochen hat zu Bewegungsmangel und bei vielen, die mit dem Lesen auf Deutsch noch zu kämpfen haben, auch zu vielen Unsicherheiten geführt. Gleichzeitig gab es durch die abgesagten Trainingsgruppen weniger Chancen zum Austausch. In solchen Phasen sind erreichbare Vertrauenspersonen, die zuhören und helfen können, Gold wert.

In Gröpelingen ist Roya Tasmim eine solche Vertrauensperson. Gemeinsam mit Laura Komorani übernahm die Gesundheitspädagogin die Rolle der Sportlotsin bei TURA Bremen. Die beiden leiten unter anderem ein Tanztheaterprojekt für Jugendliche, das sie über die letzten Wochen digital fortgesetzt haben. Häufig erreichen sie Nachfragen der Eltern ihrer Gruppenmitglieder, erläuterte sie in einem Interview mit dem Magazin MITeinander des Bremer Rates für Integration (BRI). „Viele sind stark verunsichert, trauen sich überhaupt nicht mehr raus, weil sie denken, das sei verboten und sie würden dann abgeschoben.“ Dieses aus Vorsicht gewählte Verhalten hat Folgen: „Weil sie jetzt nur noch drinnen sitzen, leiden viele unter gesundheitlichen Problemen, wie starken Rückenschmerzen“, so die Gesundheitspädagogin. Sie klärt über die aktuelle Situation auf und vermittelt Sicherheit. Außerdem verschickt sie passende Übungen oder Links zu professionellen Youtube-Videos um bei Problemen gegenzusteuern.

Beim SV Hemelingen ist der 28-jährige Eris Dashi Sportlotse der ersten Stunde. Der Sport- und Sonderpädagogikstudent trainiert unter anderem erfolgreich die 2. Herrenmannschaft des Vereins. In dieser haben auch Geflüchtete aus dem nahen Übergangswohnheim ein sportliches Zuhause gefunden und letztes Jahr gemeinsam mit Alteingesessenen den Aufstieg gefeiert. Außerdem bietet er eine „offene Sportgruppe“ für 13 bis 15-jährige Mädchen und Jungen an. Viele seiner älteren Aktiven kommen mit der Situation annehmbar zurecht. Sie sind zu weiten Teilen in der Gesellschaft angekommen und fühlen eine gewisse Sicherheit. „Viele arbeiten inzwischen in festen Verhältnissen als Autoreiniger oder Paketzusteller, auch jetzt in der Corona-Krise.“ Mit seinen Aktiven blieb er auch während der Kontaktbeschränkungen über WhatsApp und Co. in Kontakt.
Frust gäbe es wohl eher bei den Jüngeren: „Ich merke, dass sie niedergeschlagen und in sich gekehrt sind. Sie vermissen den Sport und die Mannschaft.“ sagte er im Interview mit dem BRI. Auch gab es Probleme mit dem Fernunterricht. Viele Familien seien ohne Laptop oder Drucker dafür nicht ausgestattet gewesen. Die Kinder versuchten übers Handy auf die ELearning-Seiten zu kommen, doch ein Arbeiten sei so unmöglich, erzählt er. Zwei- bis dreimal die Woche ging er deshalb in die Firma seines Vaters und druckte dort Arbeitsmaterialien für die Schüler aus.

In Bremen-Nord wirkt Holger Franz bei der SG Aumund Vegesack. Der Fußball-Experte, der sich nebst der SAV auch im Bremer Fußballverband engagiert, hat sich hier mit Chefcoach Sabri Mrad speziell in der Integration über den Sport in die Gesellschaft verdient gemacht. Anfänglich ging es vor allem darum Sportutensilien zu beschaffen, Trainings organisatorisch zu ermöglichen und Regeln zu vermitteln. Später halfen Franz und Mrad bei Job- und Wohnungssuche. Nach der Öffnung der Freiluftanlagen waren sie direkt mit einem Konzept zur sicheren Gestaltung ihres integrativen Projektes „Fußball verbindet“ bereit, wieder für Abwechslung und Bewegung in Vegesack zu sorgen.

Normalerweise machen sich Sportlots*innen in Bremen und Bremerhaven für ein verständnisvolles Miteinander im Sportverein stark, stellen Sportangebote vor oder leiten diese. Sie geben sozial Benachteiligen, Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten Hilfe beim Ankommen im Verein, vermitteln bei Problemen, helfen beim Sporteinstieg und auch darüber hinaus. Sie unterstützen aus dem Verein heraus bei Problemen wie Amtsgängen oder Wohnungssuche und vielem mehr. Die Corona-Pandemie hat allerdings auch die Arbeit der Sportlots*innen verändert und neue Impulse gesetzt.


  • Holger Franz / SAV
    "Fußball verbindet" auch mit Abstand.
  • Patrick Pavel / LSB Bremen
    Neue Sportlotsinnen bei TURA Bremen, Laura Komorani & Roya Tasmim (v.l.n.r.)