Stellung beziehen

Michaela Engelmeier wurde kürzlich vom LSB-Präsidium zur „Integrations- und Anti-Rassismus-Beauftragten“ des Landessportbundes NRW berufen. Eine Aufgabe in bewegten Zeiten. Die Diskussion um „Black lives matter“ hat auch unser Land erreicht. Viele Sportler*innen haben sich zu Wort gemeldet. Die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete ist seit Anfang April auch Generalsekretärin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und hat davor das Büro des jüdischen Sportverbandes „Makkabi Deutschland“ geleitet. „Wir im Sport“ im Gespräch mit einer Frau, die sich seit jeher für Vielfalt, Toleranz und Teilhabe einsetzt.

Gibt es etwas, das Sie besonders alarmierend finden?

Was mich zutiefst beunruhigt und empört ist, dass wir einen neuen Anti-Semitismus sehen. Da erzäh­len plötzlich Leute auf diesen Co­rona-Demonstrationen etwas von einer jüdischen Weltverschwörung. Wie zum Beispiel dieser Wutkoch Hiltmann. Das muss man juristisch prüfen. Es laufen welche rum, die verwenden den Judenstern und fühlen sich verfolgt, weil sie Impf­gegner sind. Das ist Wahnsinn!

 

Frau Engelmeier, insbesondere junge Menschen protestieren im Moment weltweit gegen Rassismus. Die Demonstrationen haben auch unser Land und den Sport erreicht…

Rassismus war weltweit und auch in Deutsch­land latent immer vorhanden. Jetzt aber ist etwas aufgebrochen. Bei uns wurde früher – auch auf­grund unserer Geschichte – vieles öffentlich nicht gesagt. Durch die sozialen Netzwerke ist das an­ders geworden. Aus der Anonymität heraus wird das Unsagbare jetzt sagbar. Wir dürfen hier nicht schweigen, sondern müssen gegen Rassismus und auch gegen Anti-Semitismus eintreten. Bei jeder Gelegenheit, in der Familie, auf der Arbeit und auch beim Sport müssen wir „die Klappe auf­machen“. Man muss diese Leute stellen. Überall.

 

Ihr neues Amt beim Landessportbund NRW ist anspruchsvoll…

Ich bin sehr dankbar, dass der LSB dieses Amt ein­gerichtet hat. Ich glaube, wir sind im Sport die ersten in Deutschland, die explizit eine solche Position ge­schaffen haben. Und das bevor die Debatte richtig losging. Und mit Gründung von „Entschlossen welt­offen! – Gemeinsam für Demokratie und Respekt im Sport“ (àgo.lsb.nrw/weltoffen) hat der Landes­sportbund NRW schon 2016 ein Zeichen gesetzt.

 

Bitte erläutern Sie uns kurz diese initiative…

Viele engagieren sich intensiv für das soziale Zusammenwachsen. Ei­nige aber geraten an die Grenzen der Belastbarkeit. Und manche werden gar angefeindet. Hier setzt der Landessportbund NRW an. Wir setzen auf Informations-, Bera­tungs- und Schulungsangebote, um ehren- und hauptamtlich Tätige zu unterstützen. Wir wollen für men­schenverachtendes Verhalten sen­sibilisieren und Handlungssicher­heit im Umgang damit vermitteln. Wir bieten zum Beispiel auch eine anlassbezogene Beratung bei kon­kreten Vorfällen im organisierten Sport an.

 

Was möchten Sie persönlich in der nächsten Zeit anpacken?

Ich möchte die angesprochenen Themen noch mehr in die Sportor­ganisationen tragen, zum Beispiel über regelmäßige Berichte an das LSB-Präsidium oder auch auf den Ständigen Konferenzen der Bünde und Verbände. Von den Mitglieds­organisationen können die Inhalte dann noch mehr in die Vereine ge­tragen werden.

Niemand soll sagen können: „Was, das gibt es auch im Sport? Das hät­te ich nicht gedacht.“ Ich will aber nicht als Botschafter des Negativen unterwegs sein. Diskriminierung, Rassismus, das sind ja schlimme Phänomene. Aber wir können Lö­sungswege vorschlagen und Posi­tives bewirken. Darum geht es mir.

 

Neben „Integration/Rassismus“ sind auch Themen wie „Sexualisierte Gewalt im Sport“ oder „Umwelt/Klima und Sport“ immer mehr im Fokus. Manche sagen, damit lösen wir uns immer mehr von unserem sportlichen Kerngeschäft – die Vereine sind sowieso schon überlastet. Teilen Sie diese Position?

Nein, überhaupt nicht. Wir müssen auf diese Themen reagieren. Der Sport ist nicht die Insel der Glückseligen. Der Landessportbund NRW setzt sich viel­mehr dafür ein, dass diese Themen immer mehr aus dem Nischendasein heraustreten.

 

Sie waren lange Jahre aktive Leistungssportlerin im Judo und Mitglied der Judo-Nationalmannschaft. Was haben Sie in dieser Zeit mitgenommen an Erfahrungen – auch im Hinblick auf die Themen „Integration und Rassismus“?

Durch meine sportliche Laufbahn bin ich viel in der Welt herumge­kommen und habe große Offenheit und unterschiedlichste Menschen kennengelernt. Der Sport hat hier ein riesiges Potenzial. Aber gerade deshalb wäre es tragisch, wenn wir im Sport sagen würden, wir hätten mit Schattenseiten nichts zu tun.