Berlin: Vereinsporträt 03/2018 - Vorspiel SSL Berlin e.V.

Es ist ein heißer Dienstagnachmittag, als ich mich mit meiner Kollegin und Benjamin vom Verein Vorspiel SSL Berlin e. V. am Prinzenbad, unweit der U-Bahnstation Görlitzer Park, treffe. Genau wie er sitzen auch die überpünktlichen Teilnehmenden der Schwimmgruppe für queere Geflüchtete gelassen auf den steinernen Treppen vor der Eingangshalle und genießen die warmen Sonnenstrahlen. Nachdem Benjamin uns die Türen zum bekannten Prinzenbad geöffnet hat, schlägt uns sogleich der Geruch nostalgischer Schwimmbaderinnerungen entgegen. Neben dem Schwimmbecken angekommen, lassen wir uns in fast schon erdrückender Wärme neben dem Becken, an dem sich die Sportgruppe gemeinsam mit der Trainerin erwärmt, nieder.

Was ist Vorspiel und was bietet ihr an?

Vorspiel SSL Berlin e. V. existiert bereits seit 1986 und ist seinerzeit als schwuler Sportverein gegründet worden. Bereits wenige Jahre danach öffnete der Verein sich auch aktiv für Frauen. Seitdem ist viel Zeit ins Land gezogen und aus dem kleinen Projekt ist ein gewaltiger Mehrspartenverein geworden, der seinen mittlerweile fast 1500 Mitgliedern von Schwimmen, über Leichtathletik, Fitness, Volleyball, bis hin zu Angeboten für queere Ältere eine enorme Bandbreite an Angeboten bereitstellt. Die Menschen kommen dabei nicht nur aus allen denkbaren Bezirken der Stadt, sondern haben (nicht erst seit dem „Anfänger_innen-Schwimmen für queere Geflüchtete“) auch unterschiedlichste Nationalitäten. „Natürlich muss man nicht schwul oder lesbisch sein, um bei uns mitmachen zu dürfen“, sagt Benjamin mit einem Lächeln auf dem Gesicht. „Diese Frage bekommen wir immer wieder gestellt. Im Gegenteil. So lange eine Person unsere Werte und Vorstellungen eines respektvollen Miteinanders teilt, darf die Person auch mitmachen. Egal, ob lesbisch, schwul, bi, trans*, inter* oder heterosexuell – bei Vorspiel sind alle willkommen“. Benjamin sieht den Verein als Wertegemeinschaft, die Toleranz, Akzeptanz, Vielfalt sowie gegenseitige Wertschätzung großschreibt und aus dem Training hinaus in die Gesellschaft transportieren will. Deshalb organisiert der Verein oder beteiligt sich schon seit Jahren an unterschiedlichsten Veranstaltungsformaten. Auf der Liste stehen unter anderem die „Respect Gaymes“, der „Queer Summer Splash“, „Setz ein Zeichen“, die „Que(e)rspiele“ oder „BuNT“ - die Bundesnetzwerktagung der queeren Sportvereine.


Im Becken neben uns wird es während des Interviews etwas unruhig. Der schäumende Beinschlag eines Teilnehmers wird aber sofort von der neben dem Becken herlaufenden Trainerin korrigiert. Wie ein_e Anfänger_in sieht bei diesem Training aber keiner mehr aus. „So wie es aussieht, können ein paar aus der Gruppe speziell für Geflüchtete nächsten Monat schon in das normale Anfänger_innentraining wechseln. Sie haben alle echt tolle Fortschritte gemacht!“, sagt Benjamin zufrieden mit Blick auf die lachenden Teilnehmenden im Wasser. Einige von ihnen haben hier im Prinzenbad ihre ersten eigenen Schwimmbewegungen gelernt.



In unserem Vereinsalltag und Training ist uns besonders wichtig, dass ….


„Uns ist es wichtig, dass die Werte, die wir hier im Verein vermitteln, auch gelebt werden. Dabei geht es nicht nur darum, sich gegenseitig zu respektieren und zu akzeptieren. Einige unserer Mitglieder haben in ihrem Leben noch nie einen Platz gehabt, an dem sie diskriminierungsfrei Sport machen oder sie selbst sein können. Diesen Platz wollen wir bieten.“ Vorspiel ist laut Homepage nicht nur ein Sportverein, sondern auch Freundeskreis, Feierabendgefühl, Krisenberatung, Glückstankstelle, Familie und ein Stück Zuhause. Ein sicherer Ort, um sich auszutauschen, gemeinsamen Interessen nachzugehen oder sie zu entdecken. Der Verein ist alles in einem und die vielen Engagierten, Trainer_innen, Übungsleiter_innen und hauptamtlichen Mitarbeiter_innen versuchen alles, um diesem Anspruch gerecht zu werden.

„Uns ist es wichtig, gemeinsam, im ständigen Dialog mit allen Beteiligten, gute Lösungen für Konflikte und Probleme zu finden. Gemeinschaft kostet immer auch Energie. Aber die möchten wir gern aufbringen und uns empathisch allen Herausforderungen stellen, statt sie unter den Teppich zu kehren“.


Vielfalt bedeutet für uns …..


„Vielfalt bedeutet für uns Alltag“. Vorspiel steht wie kaum ein zweiter Verein für Vielfalt und alles was damit zu tun hat. „Uns geht es darum, dass jede Person genau so teilnehmen kann, wie sie ist. Niemand wird bei uns aufgrund der eigenen Identität, sexuellen Orientierung, Herkunft, Religion, Geschlecht oder sozialen Herkunft ausgeschlossen. Das einzige was wir nicht tolerieren und auch nicht akzeptieren ist Intoleranz“ sagt Benjamin. Am Beckenrand hört die alterstechnisch bunt gemischte Gruppe gerade aufmerksam den Anweisungen der Trainerin zu und Sprachbarrieren werden direkt durch die Übersetzung eines Teilnehmers im Wasser überwunden. „Wir wollen Inklusion und versuchen jede Person so wie sie ist, in unseren Sportgruppen einzubinden und einen Raum zu schaffen, in dem all diese Diskrmiminierungs-Kategorien eine untergeordnete Rolle spielen. Also zumindest versuchen wir das“. Vielfalt bedeutet bei Vorspiel aber auch, dass man kleineren Sportarten eine Chance gibt, sich zu entfalten. „Ich glaube wir haben in Berlin die einzige Vereins-Völkerballgruppe. Sie fahren mittlerweile sogar zu Wettkämpfen!“. Außerdem finden Sportarten wie LineDance, Ving Tsun oder Zhangchi ebenso Anerkennung, wie die Handball-, Pilates- und Rennradangebote. „Wir sind da erst mal für fast jede Idee offen. So lange Leute Interesse haben und Verantwortung übernehmen, können wir die Vielfalt auch in unserem Sportangebot weiterentwickeln“.



Bei unserer Arbeit begeistert uns besonders…


Benjamin muss nicht lange nachdenken, um diese Frage zu beantworten. „Definitiv sind es die unterschiedlichen Geschichten und Menschen. Ich habe hier im Verein so viele tolle, einzigartige Menschen kennengelernt. Ich möchte keinen davon missen.“ Es ist dem Verein ein großes Anliegen, ein offener Zufluchtsort für queere Menschen zu sein. Die Dankbarkeit, die dem Team dafür oft entgegenschlägt ist eine weitere Motivation für Benjamin. „Es ist ein tolles Gefühl, hier zu arbeiten. Wir können fast jeder Person genau das bieten, was sie als sportlichen Rahmen braucht. Vor allem auch durch die Unterstützung unsere sehr vielen freiwillig Engagierten“. Der Sportwissenschaftler berichtet, dass besonders diese Sache ihn immer wieder überrascht und begeistert. „Der Innovationswille im Verein ist einfach da. Wir haben viele Mitglieder, die sich an den verschiedenen Aktionen, Thementagen, Veranstaltungen oder eben auch im Trainingsbetrieb einbringen und mitgestalten wollen. Nur durch diese großartige Basis können wir seit Jahren wachsen und immer mehr Projekte angehen“. Ein Engagement für das Vorspiel erst vor kurzem von der Spielbank Berlin eine Spende für die Fortführung der Geflüchteten-Schwimmgruppe erhalten hat. „Wir freuen uns, dass unser Engagement auch in der Gesellschaft wahrgenommen wird. Ich habe jeden Tag das Gefühl, etwas Gutes zu tun, wenn ich zur Arbeit komme. Meine tollen Kolleg_innen in der Geschäftsstelle und dem Vorstand von Vorspiel sei diesbezüglich auch für unsere tolle Zusammenarbeit gedankt“.


Nach einem netten Gespräch verabschieden wir uns wieder von Benjamin und verlassen das Prinzenbad zusammen mit der erschöpften, aber glücklichen Schwimmgruppe.


Wenn auch sie Interesse haben, Vorspiel SSL Berlin e. V. und die vielen Sportgruppen kennenzulernen, finden sie alle nötigen Informationen unter: www.vorspiel-berlin.de/home.html.