Sport für Flüchtlinge

Es sind die Menschen, die dem brisanten Thema ein Gesicht geben. Ohne deren Offenheit und außergewöhnliches Engagement gäbe es weniger Hoffnung, dass Integration durch Sport gelingen kann.

Sport und Flüchtlinge. Foto: LSB NRW
Sport und Flüchtlinge. Foto: LSB NRW

Hekmat Mamo ist 24 Jahre alt. Der schlanke junge Mann stammt aus der Nähe von Aleppo, eine vom Bürgerkrieg zerstörte Stadt im Norden Syriens. Sein Schicksal ist stellvertretend für viele Flüchtlinge. Er wollte englische Literatur studieren, aber in seinem Land gab es für seine Familie und ihn keine Zukunft. Seit Ende 2015 ist er nun als Bundesfreiwilligendienstler (BFD) beim Post-Sportverein Bonn. Er ist einer der ersten Flüchtlinge in Deutschland, die eine solche Stelle antreten. Insgesamt stellt der Bund im Rahmen eines Sonderprogramms 10.000 neue Plätze mit Flüchtlingsbezug zur Verfügung. „Ich erkläre in den Bonner Flüchtlingsunterkünften die Sportangebote meines Vereins, lade die Flüchtlinge zum Mitmachen ein“, erklärt der BFDler engagiert. Er geht auf die Menschen zu, nimmt vielen auch (Berührungs)Ängste, übersetzt, organisiert, begleitet. Hekmat ist das, was man einen Multiplikator nennen mag, jemand der Vertrauen gibt. Den Verantwortlichen im Verein erläutert er die Sichtweise der Flüchtlinge, beschreibt ihre Sorgen, Nöte, Bedenken. Hekmat ist morgens im Verein aktiv, nachmittags vertieft er seine Deutschkenntnisse, kümmert sich um seinen kranken Vater, um seine Familie, abends ist er oft bei den Sportangeboten dabei.

 

AM RICHTIGEN ORT ZUR RICHTIGEN ZEIT

Katja Brender ist im gleichen Alter wie Hekmat, sie studiert Sportmanagement, ist nebenberuflich Integrationsbeauftragte des Vereins und intensiv in der Flüchtlingshilfe engagiert. Hekmat und Katja sind sich sehr verbunden, sie bilden ein (Sprach)Tandem, sitzen sich im Büro gegenüber, sie ermutigt Hekmat zum Beispiel E-Mails zu schreiben oder Telefonate zu führen, Hekmat wiederum gibt so viel zurück mit seinem Lebensmut, seinem Engagement, seiner Überzeugung, am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein. Genauso ist es bei Katja. Auch sie ist: am richtigen Ort, zur richtigen Zeit!

Ortswechsel: In der Sporthalle Gathe in Wuppertal-Elberfeld herrscht Hochbetrieb. Alle drei Felder sind vom Basketballclub Kultsport Wuppertal belegt. Training für die Kleinen, die älteren Mädchen und die Cracks der U 16. Soweit alles wie überall. Doch es gibt einen Unterschied: Die meisten der Mitglieder haben eine Zuwanderungsgeschichte. „Wir haben hier rund 30 Nationalitäten“, erzählt Saud Kelifa, der den Verein 1999 mitbegründet hat. Bei dem Vorsitzenden mit dem gutmütigen Lächeln fühlt man sich auf Anhieb aufgehoben. Keine schlechte Voraussetzung, um sich um Flüchtlinge zu kümmern, zumal: „Ich musste selber vor über 20 Jahren aus Eritrea fliehen und viele Familien der Mitglieder haben ebenfalls Fluchterfahrung“, berichtet er, „es lag daher auf der Hand, dass wir etwas für Flüchtlinge tun wollten.“

„Wir haben uns entschieden, einen Tag der offenen Tür anzubieten“, sagt Ibrahim Tekin, der 2. Vorsitzende. „Wir konnten das zügig umsetzen, weil wir wussten, dass wir uns auf die Manpower im Verein verlassen konnten.“ Jedoch sei es nicht einfach gewesen, an die Flüchtlinge heranzukommen. „Über Flüchtlingsinitiativen in unserem städtischen Netzwerk haben wir dann geworben“, erzählt Tekin. Im Dezember vergangenen Jahres fand der Aktionstag dann statt.

 

BEWUSST AUF FUSSBALL VERZICHTET

„Natürlich bietet unser Verein mit seinen kulturellen Hintergründen beste Voraussetzung für eine solche Aktion“, betont Saud Kelifa. „Flüchtlinge, die hier hereinkommen, merken: Die sind nicht anders als wir.“ Auch sprachlich ist der Verein gewappnet. „Wir haben Mitglieder, die arabisch und persisch können“, sagt Tekin. Am Aktionstag selber beschränkte man sich nicht auf Basketball. Turngeräte standen zur Verfügung, ein Waveboard fand gerade bei den Jüngeren großen Anklang. „Wir haben bewusst auf Fußball verzichtet. Wir wollten gezielt Angebote, die für die Flüchtlinge neu waren, so dass man ins Gespräch kam“, erläutert Tekin. Mit dem Erfolg der Aktion ist er zufrieden. „Wir waren überrascht wie viele gekommen waren, auch aus dem Verein selber.“ Nun ist ein weiterer Aktionstag geplant, sehr interessiert wäre der Verein zudem am Aufbau einer gemeinsamen festen Mädchengruppe mit Flüchtlingen.

Weiterer Ortswechsel: Im Dezember zogen ins LSB-Sportund Erlebnisdorf in Hinsbeck über 200 Flüchtlinge ein, größtenteils junge Familien mit kleinen Kindern aus Afghanistan, Iran und Syrien. Also nicht wie in anderen Unterkünften überwiegend junge Männer. In Hinsbeck jedenfalls kam es zu herzrührenden Szenen, als z. B. zu Weihnachten ein Alleinreisender vor der Tür stand, der seine Familie auf der Flucht verloren hatte. Dann öffnete sich das Tor und er fand seine Frau und Kinder wieder: eine fast biblische Szene.

 

NICHT OHNE ABSCHIEDSTRÄNEN

Mittendrin ist Hilla Otten, Bereichsleiterin Pädagogik, sie kümmert sich gemeinsam mit zwei Bundesfreiwilligendienstlern um Bewegungsangebote, Deutschkurse, Kinderbetreuung: „Ich kann nur sagen, mir macht die Arbeit mit diesen Menschen viel Spaß. Auch wenn die Kids im Deutschunterricht Stifte oder Übungsblätter verschwinden ließen. Da muss man manchmal ganz schön fix sein. Sie geben einem sehr viel und sie sind dankbar für alles, was man für sie tut.“ Wenn die Menschen registriert, geimpft, und geröntgt sind, dauert es nicht lange, bis sie auf die Kommunen weiterverteilt werden. „Da hat es viele tränenreiche Abschiede gegeben. Trotz der kurzen Zeit, in der sie bei uns waren, sind mir diese Menschen sehr ans Herz gewachsen“, erzählt Hilla Otten.

(Quelle: Wir im Sport 01/2016)


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