Die Macher von Marxloh

Vier Vereine, ein Ziel: In einem gemeinsamen Projekt mit der Stadt entsteht im Duisburger Norden ein Zentrum für Sport und Begegnung. Es setzt Maßstäbe für die Kooperation von Vereinen zugunsten eines sozial belasteten Ortsteils.

Wer Ruhrgebietsromantik erleben möchte, ist hier richtig: an der Warbruckstraße in Duisburg Marxloh. Linkerhand Schrebergärten, rechterhand ein Sportheim. Geradeaus schweift der Blick über eine Autobahnbrücke und verliert sich in der Ferne bei den Schloten von Hochöfen... Das war es aber schon mit der Romantik. Denn der Stadtteil, der geprägt ist von Bewohnern vieler Nationalitäten und Kulturen, kämpft mit handfesten sozialen Problemen. Wie kaum ein vergleichbarer stand er damit im Fokus der Medien, zu Unrecht oft als No-Go-Area diffamiert. Nebeneinander aufgereiht haben an der Warbruckstraße vier Sportvereine ihr Zuhause. Sie bieten vor allem Fußball an: der MTV Union Hamborn, der FSV Duisburg, SV Rhenania Hamborn und SV Gelb Weiss Hamborn. An ihrer Spitze Macher des Ruhrgebiets, die über den Tellerrand schauen und han-deln, wenn sich eine gute Chance bietet... Anfang 2016 bot sich eine solche Chance. Die Stadt Duisburg setzte ein gro-ßes Vorhaben in Gang, um die Lebensverhältnisse in Marxloh zu verbessern und den Stadtteil insgesamt aufzuwerten. Ein Inhalt: Die Sportanlagen an der Warbruckstraße für die Bewohner zu einem „integrativen Sport- und Bewegungszentrum“ auszubauen. Dazu sollten die vier „Warbruck-Vereine“ eng kooperieren und ihr Angebotsprofil in den Bereichen Sport, Bildung und Integration ausweiten. Im Gegenzug sollten sie durch hohe Investitionen in neue Kunstrasenplätze, Gebäude und Sanierungen der kommunalen Anlage profitieren. Wer will da „Nein“ sagen?

„FÜR ALLES BEREIT“

„Ein Vorzeigeprojekt“, lobt Erol Ayar, Chef des Oberligisten FSV Duisburg, „etwas, was wir hier dringend brauchen.“ Ayar kennt seinen Stadtteil und dessen Nöte. Er versteht insbesondere jene gut, die zugewandert sind: „Ich bin Deutschtürke. Ich weiß, wie schwer das ist“, sagt er, der selber als kleiner Junge nach Deutschland kam. Sein Credo: „Ich bin für alles bereit, Hauptsache, es fördert das Miteinander.“ Eine optimale Einstellung, wie Karen Dietrich unterstreicht: „Das Projekt will Teilhabe, Bildungschancen und Gesundheit fördern“, so die Stadtteilmanagerin der EG DU Entwicklungs-gesellschaft Duisburg mbH: „Dabei sind wir überzeugt, dass der Sport Menschen hilft, in der Gesellschaft anzukommen.“ Und an der Warbruckstraße werde bereits seit vielen Jahren gute Arbeit im Bereich Integration und Begegnung geleistet. Vielfalt ist hier Alltag...Lange Erfahrung hat zum Beispiel der SV Rhenania Hamborn. Er ist Nachbar des FSV und ebenso wie dieser ein Verein mit überwiegend türkisch-stämmigen Mitgliedern. Seit 2003 ist er Stützpunktverein für Integration beim LSB und hat sich einen guten Namen als „Bildungsförderer“ gemacht, nicht nur mit seiner Hausaufgabenbetreuung. Vorsitzender Cafer Kaya ist optimistisch: „Für die Einwohner von Marxloh wird die Kooperation ein großer Gewinn. Sie finden hier vier offene Vereine mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die in vielen sportlichen und außersportlichen Bereichen zusammenarbeiten."

Wie erstmals in diesem Sommer. Mit einem bunten Sportfestival unter dem Motto „4 bewegen Marxloh“ begeisterte man weit über Tausend Besucher und Sportler. Außersportlich wiederum ist man dabei „...dass jeder Ver-ein sein spezielles Potenzial herausarbeitet und entsprechende Angebote schafft“, erklärt Dirk Floß, Vorsitzender des SV Gelb Weiß Hamborn 1930. Das kann der Umgang mit Social Media und online-Mobbing sein oder Sport für rumänische und bulgarische Kinder und Mütter oder andere passgenaue Angebote für die Bewohner des Viertels. Floß, Gelb Weiß Mitglied seit fast drei Jahrzehnten, sieht jedenfalls eine klare Verpflichtung des Traditionsver-eins im Ortsteil Marxloh: „Wir sind seit 88 Jahren genau an diesem Standort. Wir zeigen hier Flagge und stehen für Null-Toleranz gegenüber Rassismus und Gewalt.“

MAGNET FÜR NEUE MITGLIEDER

Eine gute Zusammenarbeit fällt natürlich nicht vom Himmel. Seit Anfang 2016 läuft ein Ver-einsentwicklungsprozess, der vom Stadtsportbund Duisburg (SSB) initiiert wurde. Christoph Gehrt-Butry, stellv. Geschäftsführer des SSB: „Es geht vor allem darum, die vier Vereine so miteinander zu verbinden, dass diese zwar ihre eigene Entwicklung betreiben, in Sachen Integration und Bildung aber konsequent zusammenarbeiten.“ Was offenbar gelungen ist, wie Berater Peter Wehr feststellt: „Inzwischen wurde ein gemeinsames Leitbild erstellt und kürzlich die Kooperationsvereinbarung unterschrieben. Es zeigt, dass man es ernst meint.“ Nachdem die „ideelle“ Vorarbeit geleistet wurde, steht nun der Ausbau der Sportstätten an. Noch in diesem Jahr soll Baubeginn sein. Michael Finke, Vorsitzender der MTV Union Hamborn, der seit vergangenem Jahr ebenfalls Stützpunktverein für Integration beim LSB ist, ist gespannt: „Wenn in den nächsten zwei Jahren so investiert wird wie geplant, dann hat man hier eine tolle Anlage, was ja auch neue Mitglieder anzieht“. Aber auch dazu mussten insbesondere die Macher von Rhenania und dem MTV über den Tellerrand schauen, denn die Platzverteilung sollte teilweise neu geregelt werden. So dass nun alle über zwei Sportplätze verfügen und nach den Modernisierun-gen optimale Voraussetzungen für ihre wichtige Aufgabe gegeben sind