"DAHIN GEHEN, WO ES WEH TUT“

Essen ist eine Stadt, in der jedes dritte Kind auf staatliche Transferleistungen an-gewiesen ist. Im Süden – in der Nähe der Villa Hügel zum Beispiel – kennt man solche fundamentalen Probleme kaum. Im Norden sieht es anders aus. Hier leben viele Kinder aus so genannten Risikogruppen. Sie stam-men aus sozial benachteiligten Familien mit oder ohne Migrationshintergrund. Die Stadt im Herzen des Ruhrgebiets ist ein Beispiel für einige NRW-Städte, die Problembezirke kennen. Ein Blick nach Essen...

Was kann der Sport hier – zum Beispiel im Nordviertel oder in Altendorf – ausrichten? In diesen Stadtteilen sind sogar bis zu zwei Drittel der Kinder auf existenzsichernde Hilfen angewiesen. Kann er Hoffnung erwecken, wie Nelson Mandela meint? „Die Fakten sind: Kinder in Armutsverhältnissen sind selten in einem Sportverein. Es gibt viele Sozialräume, wo der organisierte Sport nur noch über Fußball oder Kampfsport präsent ist. Angebote für Mädchen sind kaum vorhanden“, erklärt Professor Dr. Ulf Gebken von der Universität Duisburg/Essen. Was also tun? Seine Empfehlung: Sportangebote müssten nieder-schwellig sein und die Zusammenarbeit zwischen Jugendamt, Jugendhilfe, Schulen und Sportvereinen müsse intensiviert werden. „Wir müssen gemeinsam dorthin gehen, wo es wehtut.“

Mit Blick auf die Institution „Sportverein“ sagt Jens Wortmann, Vorsitzender der Sportjugend NRW (siehe auch Seite 33 ): „Natürlich erreichen die Vereine die Mittelschicht besonders gut, aber ihre soziale Öffnung besteht nicht erst seit heute. Die Vereine vor Ort stellen sich den Problemen und agieren sehr flexibel. Das ist ein tolles Engagement.“ Stellvertretend für viele ist die elfjährige Leyla aus Altenessen. Sie bewegt sich gerne im Sportunterricht, in der Sport-AG und auf dem Schulhof. Aber im Sportverein ist sie nicht. Fußläufig sind für sie keine Vereinsangebote zu erreichen. Ihre Eltern kennen die hiesigen Vereinsstrukturen nicht. Aber was ihr gut tut: Sie nimmt regelmäßig am „Open Sunday“ teil.


„OPEN SUNDAY“

Hintergrund: In nahezu jeder Kommune finden sich Sporthallen an Grundschulen, die am Wochenende unbenutzt sind. An diesem Punkt setzt das Projekt „Open Sunday“ an. Die Hallen werden geöffnet und Kinder aus dem Sozialraum können sich unter Anleitung von Pädagoginnen und Pädagogen sowie eigens dafür ausgebildeten Studierenden und jugendlichen Coaches bewegen, tanzen, toben und sich treffen.

„Open Sunday“ ist ein Projekt des Instituts für Sport- und Bewegungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Gefördert und unterstützt wird das Projekt u.a. durch den Landessportbund NRW, die jeweiligen Stadtsportverbände und die beteiligten Grundschulen. Es gibt sie also: Ansätze, zarte Pflänz-lein, getragen von vielen sozial-engagierten Menschen. Die dabei helfen, dass Leyla trotz schwieriger Rahmenbedingungen ihren Weg ins Leben selbstbewusst findet...