Hallo, Sarab! Vielen Dank, dass du dir heute Zeit genommen hast! Da du selbst auch Migrationshintergrund hast, siehst du viele Dinge mit anderen Augen. Wir finden es super, dass wir von deinen Erfahrungen profitieren können. Wann bist du denn nach Deutschland gekommen?
Hallo, vielen Dank! Ja, genau ich komme ursprünglich aus dem Irak, ich lebe seit 17 Jahren hier in Deutschland.
Ich habe den Eindruck, dass du dich sehr gut hier in Deutschland eingefunden hast und dich „heimisch“ fühlst.Ist das so?
Ja, Deutschland ist meine zweite Heimat. Ich selbst bin zwar nicht in Deutschland geboren, aber meine Kinder sind es. Meine Familie und ich betrachten sowohl den Irak als auch Deutschland als Heimat.
Hast du das Gefühl, dass Frauen mit ähnlicher Erfahrung wie du bei derIntegrationsarbeit eher als Multiplikatoren agieren können als deutschstämmige Frauen?
Das ist schwer zu sagen. Was ich aber definitiv gemerkt habe, ist, dass sich die Frauen mit Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung über jeden Kontakt sehr freuen. Sie fühlen sich aus verschiedenen Gründen meistens einsam und ausgeschlossen, z.B. durch die mangelhaften Deutschkenntnisse. Das macht es für sie oft schwer, mit anderen in Kontakt zu treten.
Was glaubst du ist der Grund, dass es gerade bei Frauen besonders schwierig ist, sie mehr in die Gesellschaft mit einzubinden und zu integrieren?
Viele dieser Frauen stammen aus Ländern, in denen es eine klare Rollenverteilung von Mann und Frau gibt. Die Frau erzieht die Kinder, der Mann ernährt die Familie. In den seltenen Fällen, bei denen Frauen arbeiten, sind dies nur wenige Stunden täglich. Der Integrationsprozess wird dadurch bei den Frauen stark entschleunigt. Es ist also wichtig, dass man aktiv und gezielt auf die Frauen zugeht.
Was empfindest du als die größte Hürde bzw. Schwierigkeit für die Frauen beim Integrationsprozess? Im Gegensatz zu ihren Männern haben viele Migranten-Frauen sehr wenig Kontakt zur Außenwelt, da sie meistens den ganzen Tag zu Hause verbringen. Das ist auch der Grund, weshalb es viele Frauen gibt, die schon jahrelang im Aufnahmeland leben, aber die Sprache nicht sprechen können. Die Männer hingegen haben oftmals einen leichten Zugang zur Gesellschaft, weil sie sich nach außen orientieren und selbstbewusster sind.
Hattest du als Kopftuchträgerin schon mal das Gefühl, anders behandelt oder sogar benachteiligt zu werden?
Ja, tatsächlich. Aber als Studentin der Sozialarbeit verstehe ich die Problematik, warum man anders behandelt wird. Ich repräsentiere für viele Menschen den Islam, weil das Kopftuch mit dem Islam assoziiert wird. Und dieser hat aufgrund der medialen Präsenz eben einen schlechten Ruf. Da ich diesen Hintergrund kenne, stört es mich nicht.
Seit Mai dieses Jahres arbeitest du nun schon bei „Willkommen im Sport“ und betreust verschiedene Gruppen von Flüchtlings- und Migranten-Frauen. Wie gefällt dir deine Tätigkeit?
Ich bin sehr froh, dass ich diese Stelle bekommen habe. Der Sport ist ein super Weg, um die Menschen mit Migrationshintergrund in die Gesellschaft zu integrieren. Ich bin der Meinung, dass die Migranten und Flüchtlinge durch Sport einfacher mit den Deutschen in Kontakt treten und so schneller im Alltag Anschluss finden. Die Arbeit gefällt mir sehr gut, daher möchte ich meine Ideen und Konzepte in Zukunft weiterentwickeln und umsetzen.
In Auersmacher hast du in den letzten Monaten aus eigener Kraft eine Gruppe von Syrerinnen für unser Projekt gewinnen können. Wie bist du dabei vorgegangen?
Naja, Auersmacher ist ein kleines Dorf. Ich habe mich daher direkt mit der Kleinblittersdorfer Gemeinde in Verbindung gesetzt, um die Kontaktdaten der Familien ausfindig zu machen. Datenschutzrechtlich war dies natürlich leider nicht möglich. Also habe ich mich gefragt, wo sich die Frauen im Sommer treffen könnten. Natürlich ist mir gleich der Spielplatz eingefallen, da die meisten Frauen kleine Kinder haben. Tatsächlich hatte ich dort auch Glück und traf sofort ein paar Mütter, denen ich von „Willkommen im Sport“ im Allgemeinen und von unseren Projekten erzählte. Anfangs waren sie jedoch eher skeptisch, da die Frauen bisher wenig Berührung mit Sport hatten. Dennoch tauschten wir unsere Mobilnummern aus und blieben in Kontakt. Mit der Zeit vergrößerte sich die Gruppe sogar zunehmend. Da ich selbst Migrationshintergrund habe, war es für mich relativ einfach, einen Zugang zu den Frauen zu finden. Da die Sportstruktur in den östlichen Ländern jedoch grundverschieden ist, hatten fast alle Frauen zuvor keine Möglichkeit, in einem Verein Sport zu betreiben. Aus diesem Grund brauchen die Frauen nun Zeit, sich mit dem Thema Sport auseinandersetzen. Mein Wunsch ist es, dass sie einen Mehrwert für sich erkennen und sich regelmäßig bewegen möchten.
Wie würdest du die derzeitige Integrationsarbeit unsererseits einschätzen? Sind wir auf dem richtigen Weg? Wo siehst du Verbesserungspotenziale?
Auf jeden Fall sind wir auf dem richtigen Weg! Vielleicht könnten wir in Zukunft mehr Institutionen miteinbeziehen, um im ganzen Saarland noch präsenter zu sein.
Vielen Dank für das interessante Gespräch, Sarab!