Von Frank Heike (Text) & Frank Molter (Fotos)
Als der Besuch bei TuS Makkabi schon fast vorbei ist, läuft uns Zhanna über den Weg. 21 Jahre alt ist die Ukrainerin aus Poltawa. Sie lebt seit zwei Jahren in Hamburg und freut sich auf jedes Volleyballtraining bei TuS Makkabi: „Weil ich mich hier zuhause fühle“, sagt sie. Und, ist da mehr als pritschen und baggern? „Ja“, antwortet Zhanna, „natürlich, wir gehen mit der Gruppe auch mal Kaffee trinken.“ Aber das scheint irgendwie nicht alles zu sein. Oder? Zhanna lacht – und schiebt eine nicht ganz unwesentliche Information nach: „Ich habe hier meine große Liebe gefunden!“ Sie ruft Roman herbei. Er ist 19 Jahre alt, stammt aus Odessa. Er sagt: „Hier kann ich mit meinen Freunden Volleyball spielen – und mit meiner Freundin!“ Die beiden strahlen sich an.
Dimitrij Bondarenko, der Vorsitzende von TuS Makkabi, kann seine Freude über diese gelungene Überraschung nur schwerlich verbergen. Bondarenko ist 44 Jahre alt, Diplom-Betriebswirt und lebt und arbeitet seit mehr als 20 Jahren in Hamburg.
Dimitrij, kommt es öfter vor, dass sich Menschen in deinen Volleyballgruppen verlieben?
Bisher sind die beiden die schöne Ausnahme. Dass wir hier eng miteinander sind, ist aber nicht ungewöhnlich.
Um welch eine Gruppe handelt es sich?
Wir spielen Mixed-Volleyball immer dienstagabends von 18 bis 22 Uhr. Das ist eine gute Zeit auch für diejenigen, die arbeiten. Wir haben weitere Hallenzeiten, eine auch am Samstag, da kommen noch mehr. Der Wochenend-Termin ist sehr beliebt.
Wie ist das Niveau?
Es wird immer besser. Einige sehr gute Spieler*innen aus der Ukraine sind dazugekommen. Wir haben immer 20 bis 30 Teilnehmende und schon an zwei Turnieren teilgenommen. 2023 haben wir den Hansepokal im Bereich „Breitensport“gewonnen.
Woher kommen die Teilnehmenden?
Mehr als die Hälfte sind Geflüchtete aus der Ukraine.
In welcher Sprache unterhaltet ihr euch?
Russisch ist die Sprache, die alle sprechen. Viele können natürlich auch Ukrainisch, was nicht solch ein großer Unterschied ist. Wir sprechen auch Deutsch. Etwa die Hälfte der Gruppe ist schon länger hier. Wir versuchen, die deutsche Sprache an die Neuen weiterzugeben. Bei Turnieren zum Beispiel versuchen wir, nur Deutsch zu sprechen. Beim Sport lernt man die Sprache sehr schnell.
Muss man jüdischen Glaubens sein, um bei euch mitmachen zu dürfen?
Das ist eine berechtigte Frage. Es gibt da viel Unwissen und Unsicherheit. Deswegen steht auf unserer Website, dass wir ein deutsch-jüdischer Sportverein sind. Wir nehmen jeden Menschen auf; Religion und Nationalität spielen hier keine Rolle – es geht um Sport.
Kennen die Geflüchteten jüdische Sportvereine?
Ja, und das spielt beim Zulauf auch eine Rolle. Es gab große Makkabi-Vereine in Kiew, Odessa, Charkiw. Die Leute wissen also Bescheid.
Wie findet man euch?
Ich habe vor zwei Jahren eine neue Website kreiert. Auch auf der Unterwebsite der jüdischen Gemeinde findet man uns seit vielen Jahren. Dort wird auf Deutsch und Russisch beschrieben, welche Sportkurse wir haben, wo sie stattfinden. Wir haben auch eine Facebookseite.
Und das funktioniert?
Wenn man bei „Google“ eingibt: „Volleyball russischsprachig“, kommt sofort unsere Website. Ich kriege gerade fast jeden Tag eine Anfrage wegen Volleyball. Ich bekomme eine E-Mail auf Russisch, Ukrainisch, Deutsch oder Englisch – dann beantworte ich die schnell. Dann wird kurz kommuniziert, und dann kommen die Menschen zu uns.Wir sind in Hamburg sehr populär, das spricht sich herum. Mundpropaganda darf man nicht unterschätzen.
Sind das zahlende Mitglieder?
Viele sind 2022 gekommen. Es war ein Wunsch der Bundesregierung, dass sie nichts bezahlen mussten. Dem sind wir nachgekommen. Inzwischen beträgt der Beitrag fünf Euro im Monat.
Geht es euch zuvorderst um Sport?
Ja, schon, aber wir wollen auch mehr. Wir wollen zeigen, wie es ist, in Hamburg zu leben. Ein Beispiel: In Corona-Zeiten hat uns unsere mobile Beachvolleyball-Anlage gerettet. Draußen Training war ja erlaubt. Diese mobile Anlage, die aus HSB-Mitteln finanziert wurde, haben wir in Övelgönne am Elbstrand aufgebaut. Wir können dort trainieren, solange das Wetter gut ist. Viele Geflüchtete sind ja ganz neu in der Stadt. Da ist es toll, wenn man ihnen solche besonderen, schönen Orte zeigen kann und dort Sport treibt.
Wollt ihr auch Ablenkung bieten?
Der Krieg in der Ukraine spielt eine große Rolle. Viele sind ohne ihre Männer oder Väter hier, weil sie zwischen 18 und 65 Jahren nicht ausreisen dürfen. Sport ist ein Medium, wo Sorgen und Nöte im Hintergrund bleiben. Wir vergessen ganz oft, über den Krieg zu sprechen und reden über schöne Sachen. Das ist entspannend – und lenkt ab.
Geht es auch darum, der Langeweile zu entkommen?
Ja, vielleicht schon. Hier treffen sich ganz unterschiedliche Menschen. Sie haben Informationshunger. Sie wollen sich auch austauschen – Arbeit ist ein großes Thema. Wobei die meisten in Integrationskursen sitzen: das ist ihre Ausbildung. Von daher sind sie eher vollbeschäftigt. Deswegen hätten sie gern am Wochenende noch mehr Hallenzeit für Volleyball.
Was macht ihr noch?
In den ersten Wochen nach der Ankunft ist alles neu. Viele Behördenbriefe verstehen sie nicht. Da helfen wir, indem wir auch mal Behörden anrufen. Wir übersetzen auch Dokumente.
Wohin kann sich die Gruppe entwickeln?
Wir haben anfangs zweimal die Woche trainiert, inzwischen bis zu vier Mal. Sie würden gern fünf- oder sechsmal die Woche trainieren. Das zeigt ihren Bedarf. Wir versuchen, mehr Hallenzeiten zu bekommen. Aber das ist nicht so einfach, jetzt, wo bei vielen Vereinen Zulauf ist - wir haben inzwischen 30.000 Menschen aus der Ukraine in Hamburg, die in den vergangenen beiden Jahren geflüchtet sind. Entsprechend müssen die Vereine mit Infrastruktur ausgestattet werden. Das ist eine wichtige Aufgabe, bei der uns auch der HSB unterstützt.
Gibt es noch etwas, das dir wichtig ist?
Wir sind ehrenamtlich organisiert und unsere Kapazitäten sind nicht endlos. Was mich persönlich deswegen freut, ist, dass viele aus meiner Mannschaft inzwischen andere Mannschaften ehrenamtlich trainieren. Zudem sind wir im Sommer parallel zur Fußball-EM „Host City Hamburg Makkabiade“. Das ist ein großes Sportprojekt, in dem wir sportliche Aktivitäten und Rassismus- und Diskriminierungsbekämpfung zusammenbringen. Das Motto ist „Zusammen eins“. Unsere Arbeit bei TuS Makkabi mit Geflüchteten ist schön und erfüllend. Aber es muss für uns als jüdischer Verein in schwierigen Zeiten auch in unserem Kerngebiet weitergehen. Wir sind offen und wollen aufklären.