Das Vorgeplänkel
Wie zu allen großen sportlichen Aufeinandertreffen gehört auch zu diesem eine verbale Aufwärmrunde. Rund ums Interview, eine Woche vor dem Spiel, formuliert Mahmut Özdemir (SPD), der Kapitän des FC Bundestags für die anstehende Europameisterschaft der Parlamentarier in Bern: „Wir fahren dahin, um alle Spiele zu gewinnen. Das haben wir schon mal geschafft.“ Genauer 2022, als das deutsche Team den Titel holte. Und als er es so sagt, klingt es nebenbei auch wie eine Kampfansage fürs Spiel gegen das Bundesprogramm. Tuğba Tekkal, ehemalige Profi-Fußballerin und Sozialunternehmerin, die die IdS-Mannschaft als Kapitänin aufs Feld führen sollte, dann aber leider wegen einer Verletzung ausfiel, nahm den Ball dankend auf und formulierte es im Interview noch ein bisschen deutlicher: „Ich freue mich sehr, gegen den FC Bundestag zu spielen, und ihm zu zeigen, wie es richtig geht.“ Der Ton war gesetzt.
Das Training
Der FC Bundestag hat einen großen Kader, an die 40 Spieler*innen, wie Dirk Wiese, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD und Torwart erzählt, trotzdem ist die Mannschaft natürlich gut eingespielt. Zumindest ein Training vor dem Match war für das IdS-Team also unabdingbar. Ein Team, so vielfältig wie das Programm selbst, Frauen und Männer, mit und ohne Migrationsgeschichte, Mitarbeitende in Vereinen und Verbänden genauso wie Teilnehmende des Programms. Sogar das BAMF spielte mit, mit einem von zwei Torwarten. Eine Position, die von beiden Spielern ähnlich interpretiert wurde, wie es Manuel Neuer zu tun pflegt: spielerisch.
Younis Kamil, ehemaliger Kicker und Fußballtrainer, und bei der Türkischen Gemeinde in Deutschland für das IdS-Projekt „Bewegte Zukunft“ verantwortlich, leitete das Training und versuchte die spielerische Vielfalt im Schnelldurchlauf zu einer funktionierenden Mannschaft zu formen. Passübungen, Torabschlüsse, 1-gegen-1-Situationen und ein Spiel fünf gegen fünf zählten dazu. Und weil er gehört hatte, dass Meistertrainer Felix Magath den FC Bundestag bei der EM vor ein paar Tagen betreut hatte, wollte auch Younis Kamil mit etwas Taktischem nicht nachstehen: „Verschieben, Flach vor Hoch, Tiefe vor Breite, Spielen und Gehen“ gab er der Mannschaft mit auf den Weg. Danach? Keine Fragen mehr. Die 16 Spieler*innen fühlten sich vorbereitet. Auch taktisch.
Im Herzen der Demokratie
Dank Dirk Wiese stand am Morgen des Fußballspiels ein Besuch des Reichstages und des angrenzenden Jacob-Kaiser-Hauses, dem größten Parlamentsbau, an. Die Visite im Herzen der deutschen Demokratie ließ keinen aus dem Team kalt, zudem vielen noch die Bilder aus dem August 2020 im Kopf herumschwirrten, als eine Horde von Demonstranten, unter der Beteiligung von Reichsbürgern, Verschwörungsideologen und Rechtsextremen, versucht hatte, den Reichstag zu stürmen.
Wie es praktisch zugeht im Reichstag, wie die Arbeit der Abgeordneten aussieht (Dirk Wiese: „Die eigentliche Arbeit im Bundestag findet in den Ausschüssen statt, daher ist es manchmal im Plenarsaal auch etwas leerer“), dafür nahm sich der SPD-Mann anschließend eine Stunde Zeit. Zeit auch für diverse Fragen aus dem IdS-Team: zum deutschen Staatsbürgerschaftsrecht, zur Anerkennung von Berufsabschlüssen oder dem Bürokratieabbau. So unterschiedlich und komplex die Themen auch waren, sie brachten den Parlamentarier nicht ins Schwitzen. Er blieb keine Antworten schuldig. Bis zu einem Thema: „Zur Aufstellung heute Abend verrate ich nichts.“
Das Spiel
Ein prominenter, ehemaliger Fußballprofi hatte sich für das Spiel als Coach des IdS-Teams zur Verfügung gestellt: Otto Addo. Der einstige Dortmunder Mittelfeldspieler und aktuelle Nationaltrainer von Ghana stimmte die Mannschaft gegen den FC Bundestag ruhig und fachkundig ein, schlug ein 4:3:3-System vor, das er nur auf Fünferkette umstellen wolle, „wenn sie wirklich gut sind.“ Am Ende war es nicht nötig: zwei Tore in der ersten Halbzeit, vier weitere in der zweiten sorgten für klare Verhältnisse. Entschuldigend muss man hinzufügen: Dem FC Bundestag steckten drei Spiele der Parlamentarier-EM vom Wochenende in den Knochen, die leider nicht mit dem Titel, sondern mit dem 3. Platz endete. Und der Altersschnitt des IdS lag recht deutlich unter dem der Abgeordneten.
Ein runder Abschluss
Der gesellige Abschluss des Abends fand im „Haus der Fußballkulturen statt“. Einerseits war Kapitän Mahmut Özdemir noch damit beschäftigt, die Wunden zu lecken. „Wir haben ordentlich eingesteckt, aber wir hatten auch das Turnier vom Wochenende in den Beinen.“ Andererseits, und das war wichtig, erinnerte er daran, dass der FC Bundestag gerade erst eine bedeutende Entscheidung getroffen hatte: „Wir wollten euch nicht gegenübertreten mit Nazis, deshalb haben wir die AfD aus der Mannschaft ausgeschlossen.“
Michaela Röhrbein, DOSB-Vorständin für Sportentwicklung, und damit auch für das Bundesprogramm zuständig, ergänzte in Richtung FC Bundestag: „Wir sind Ihnen sehr dankbar, dass sie sich Zeit genommen haben, um mit dem Spiel ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Und zugleich richten wir einen leidenschaftlichen Appell an Sie: Die Zukunft des Bundesprogramms, das in dieser Förderperiode um 500.000 Euro gekürzt wurde, finanziell abzusichern. Gerade unter den aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen ist „Integration durch Sport“ noch wichtiger geworden.“
(Text: Marcus Meyer/ Quelle: DOSB)