Brücken bauen zwischen Kulturen und Generationen

Als Vorschlag des DOSB nahm der Hamburger Verein Tanzbrücke an der Verleihung des ersten Nationalen Integrationspreises in Berlin teil. Seit 20 Jahren fördert der Verein die Integration von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.

Bundesregierung
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Nach diesem tollen Erlebnis in Berlin muss Natalia Dergatcheva erst einmal an einer Rundmail für alle Mitstreiter und  Vereinsmitglieder feilen. „Ich bin ja nicht allein“, sagt die Vorsitzende des Hamburger Vereins „Tanzbrücke“, „ich habe so viele engagierte Leute dabei.“ Und die sollen alle teilen, was die Vereinsgründerin am Mittwoch in Berlin bei der ersten Verleihung des Nationalen Integrationspreises erlebt hat. Das Bundeskabinett hatte im Mai 2016 bei einer Klausurtagung die „Meseberger Erklärung zur Integration“ beschlossen und den Nationalen Integrationspreis ins Leben gerufen. Den mit 10.000 Euro dotierten Preis verlieh Bundeskanzlerin Angela Merkel an die westfälische Stadt Altena, die die fünfköpfige Jury mit ihrem stadtweit vernetzten Konzept überzeugte, „aus Flüchtlingen Mitbürger zu machen“. Die Kommission um den Vorsitzenden Frank-Jürgen Weise musste aus Vorschlägen von 33 gesellschaftlichen Institutionen wählen.

Natalia Dergatecheva fühlte sich als Vertreterin ihres Vereins schon als Siegerin, als sie am Dienstagabend im Zug nach Berlin saß. „Es war  eine große Ehre, dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) die Tanzbrücke vorgeschlagen hat“,  sagt sie. Schwerpunkt und Herzstück der sich stetig erweiternden Tanzbrücke ist das Tanzen, vom klassischen Ballett bis zum Tanztheater. Hamburgweit ist dieser Verein in seiner Mischung aus Kultur, Sport und Erziehung dafür bekannt und einzigartig; bei vielen Veranstaltungen in der Stadt treten kleine und große Tänzerinnen und Tänzer des Klubs auf. Doch für den Nationalen Integrationspreis  vorgeschlagen wurde der kleine Verein aus dem Stadtteil Barmbek wegen weit darüber hinaus reichender Aktivitäten.

„Die Tanzbrücke Hamburg leistet bereits seit zwei Jahrzehnten vorbildliche Integrationsarbeit“, sagt Dr. Petra Tzschoppe, die Vizepräsidentin Frauen und Gleichstellung des DOSB. Petra Tzschoppe war am Mittwoch auch im Bundeskanzleramt und vertrat dort den DOSB. Sie war sehr angetan von der stimmungsvollen, aber auch lockeren Atmosphäre der Veranstaltung mit einer spürbar beeindruckten Bundeskanzlerin.

Neben der Tanzbrücke war aus dem Sport auch der Fußballverein FC Internationale Berlin 1980 e.V. vorgeschlagen worden, und zwar vom Land Berlin. Der Verein aus dem Stadtteil Schöneberg hat sich die interkulturelle Integration im Fußball auf die Fahnen geschrieben. Petra Tzschoppe sagt: „Seit mehr als 25 Jahren leisten  unsere Vereine im Programm „Integration durch Sport“ hervorragende Arbeit. Sport verfügt über ein ganz besonderes Potenzial für Integration, aber man darf die Erwartungen an die Vereine auch nicht  überfrachten.“

Fußball wird bei der 1997 gegründeten Tanzbrücke nicht gespielt - oder nur selten. Wer den Verein in der Bramfelder Straße schon einmal an einem ganz normalen Wochentag besucht, bekommt sofort einen Einblick in die Vereinsarbeit. Schuhe aus, und rein geht's: In den schönen, hellen, selbst renovierten Räumen mit viel Holz, guter Luft und bunten Farben herrscht ein Gewusel aus Tanz, Judo, Sambo, Nippon Kempo, Malen, Singen, Klavier spielen und lernen.

Es gibt eine Hausaufgabenhilfe mit qualifizierten Lehrerinnen. Hier kommen russischstämmige Hamburger Familien gern her, Geflüchtete und Menschen mit türkischen oder anderen Wurzeln. „Wir haben hier alle einen Migrationshintergrund", sagt Elena  Dergatechva, „die meisten Mitglieder kommen aus den ehemaligen GUS-Ländern, aber auch anderswo her. Wir haben zwölf Nationalitäten.“ Knapp 200 Mitglieder zählt der Verein. Wichtig ist ihr noch diese Botschaft: „Wir sind offen, wir sind Hamburg. Wir wollen kein  Ethnoverein sein.“

Der Stadtteil ist gemischt, und nicht jedes Kind bekommt hier die nötige Aufmerksamkeit und Förderung. „Wir haben viele vor der schiefen Bahn bewahrt“, sagt Natalia Dergatechva, dessen Tochter Elena sich ebenfalls in der Tanzbrücke engagiert. Hier wird in jedes Kind viel investiert. Mal streng, mal nachsichtig. Was Mutter und Tochter  besonders freut, ist die Kontinuität. Viele, die hier als Kind Nachhilfe bekamen, sind inzwischen in der Kurs- oder Vereinsleitung. „Die Mädels der ersten Stunde bringen inzwischen ihre Kinder her“, sagt Natalia Dergatecheva.

Als Stützpunktverein im Programm „Integration durch Sport“ hatte Natalia  Dergatechva das „Kultursportliche Jahr“ in den Mittelpunkt der Bewerbung für den Nationalen Integrationspreis gestellt. Das „Kultursportliche Jahr“ ist vielschichtig aufgebaut. Sportpädagoginnen, Künstlerinnen und Nachhilfelehrer erforschen und erarbeiten monatlich die kulturellen Eigenschaften und die  Bewegungskultur je eines anderen Landes (Deutschland, Brasilien, Frankreich, Russland) gemeinsam mit Kindern im Alter von acht bis 14 Jahren. Körperliche Fähigkeiten, respektvoller Umgang   und interkulturelle Kompetenz werden geschult. Es ist ein Angebot, das auch Dr. Petra Tzschoppe schätzt: „Die Tanzbrücke schafft neben dem Sport Zugänge zu bildender Kunst, Literatur, Sprache; zu Kultur in  ihrer Gesamtheit. Damit leistet sie etwas besonders Wertvolles.“ Auch die Öffnung des Vereinsangebots hin zur Selbstverteidigung gefällt Petra Tzschoppe, weil der Verein so mehr und mehr Jungen anspreche. Das sieht Elena Dergatcheva genauso: „Tanzen allein reicht nicht mehr“, sagt die durchtrainierte Frau mit Diplomen in Sportwissenschaft, Choreographie und Psychologie, gebürtige St. Petersburgerin.

„Wir sind davon überzeugt, dass Integration dort am besten gelingt, wo Menschen sich gegenseitig aufeinander einlassen“, sagte  Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch. In der Hamburger Tanzbrücke wird das jeden Tag versucht, und sehr oft gelingt es.

Zum Bericht: https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Nationaler-Integrationspreis/_node.html

Autor: Frank Heike


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