„Bunt ist doch am Schönsten“

Weitspringerin Sosthene Moguenara sieht sich als Repräsentantin des modernen Deutschlands. Interview mit einer 23-Jährigen, für die Integration etwas ganz Leichtes war.

Rundum optimistisch: Sosthene Moguenara ist die beste Weitspringerin im DLV (Foto: Picture-Alliance)
Rundum optimistisch: Sosthene Moguenara ist die beste Weitspringerin im DLV (Foto: Picture-Alliance)

Haben Sie Moskau verkraftet? Sie waren eine Medaillenkandidatin, die Qualifikation war okay, aber im Finale lief es nicht. Sie wurden Zwölfte.

Ich denke noch ab und zu daran, aber es ist vorbei und nicht mehr zu ändern. Ich bin nicht total enttäuscht. Klar hätte ich mir mehr gewünscht, aber es gab auch positive Aspekte, und die nehme ich mit.

Laut „Bild“-Zeitung war es Ihr Traum, dass Ihre Eltern im Tschad im TV zuschauen, wie Sie eine Medaille umgehängt bekommen. Die beiden wüssten gar nicht, wie Sie heute aussähen. Ist das tatsächlich so?

Das ist etwas, das mich sehr geärgert hat. Ich habe gar kein Interview mit der „Bild“-Zeitung geführt. Ich erfuhr von dem Artikel auch erst in Moskau, durch Freunde. Ich stehe in Kontakt zu meinen Eltern, sie wissen, wie ich aussehe und umgekehrt. Klar, ich habe sie drei Jahre nicht mehr gesehen, aber wir schicken uns Bilder übers Internet.

Das Thema Weltoffenheit hat eine große Rolle gespielt bei der WM, wegen der Debatte um den Umgang mit Homosexuellen in Russland. Wie haben Sie die Atmosphäre in Moskau erlebt?

Ich würde sagen, die Zuschauer waren weniger herzlich und offen als in anderen Ländern. Insgesamt war die WM atmosphärisch okay, aber es gab schon bessere. Das Publikum im Stadion war ziemlich auf die eigenen Athleten eingestellt, für die anderen konnten sie sich nicht so begeistern. Aber richtig negativ war auch nichts.

Haben Sie Athleten aus dem Tschad getroffen?

Nein, diesmal nicht. Bei anderen Großveranstaltungen bin ich immer mal jemandem über den Weg gelaufen, aber in Moskau waren wir wohl in verschiedenen Hotels untergebracht. Wenn, wäre das Zufall gewesen, ich habe da keine festen Kontakte.

Sprungkräftige Sportsoldatin

Der Papa, sagt Sosthene-Taroum Moguenara, der deutsche Papa war entscheidend. Ohne ihn, der auch ihr Onkel ist, wäre sie wohl nicht zum Leichtathletiktraining gegangen damals, nach den Bundesjugendspielen Anfang der 90er Jahre in Essen. Als Neunjährige  war sie aus dem Tschad, einem politisch unruhigen Staat in Zentralafrika, ins Ruhrgebiet gekommen, zu ihrer Tante und deren Mann. Heute ist die Sportsoldatin, Jahrgang 1989, seit 2009 Deutsche, die beste Weitspringerin des Landes. Die frühere Sprinterin trainiert in Saarbrücken und bei ihrem Verein, dem TV Wattenscheid. Bestleistung in der Grube: 7.04 Meter.

 

Sie kamen als Neunjährige nach Deutschland. Haben Sie noch manchmal Heimweh?

Sehr, sehr selten. Es habe mich damals ziemlich schnell darauf eingestellt, dass mein Leben jetzt hier stattfinden würde. Natürlich: Ich komme aus dem Tschad, mein Herz hängt an dem Land und ich interessiere mich für seine Entwicklung. Ich vermisse auch manchmal meine Eltern, aber mein Zuhause und meine Zukunft sind in Deutschland. Ich würde allerdings gern mal zurückgehen und schauen, wie es dort aussieht, ob ich etwas wiedererkenne.

Sie fühlen sich offenbar bestens aufgehoben. War der Vereinssport wichtig für ihre Integration?

Eigentlich nicht so sehr. Ich hatte viel Glück, ich hatte in Deutschland nie irgendwelche Probleme wegen meiner Herkunft, bis heute nicht. 

Wie war das, als Sie Ende der 90er anfingen? War die Leichtathletik schon so eine kulturell gemischte Sportart, wie sie es jetzt zu sein scheint?

Doch, doch, schon. Ich kann mich erinnern, dass wir in meiner Gruppe zwei Zugewanderte waren, das war nichts Besonderes. Heute sind das allerdings viel mehr, da kommen Menschen von überall her zusammen.

Jungs und Mädchen gleichermaßen?

Mehr Mädchen, würde ich sagen.

"Schön, zum Gemeinschaftsgefühl beizutragen"

Es gibt im DLV viele Topathleten mit afrikanischen Wurzeln. Auffallend viele laufen oder machen Weitsprung – in Moskau waren das Sie, Malaika Mihambo sowie Alyn Camara bei den Männern. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Disziplin?

Hm, schwierige Frage (überlegt). Glaube ich eigentlich nicht, das hängt doch eher mit einem selbst, mit der Persönlichkeit und dem Geschmack zusammen, oder?

Aber die Herkunft kann den Geschmack beeinflussen, vielleicht unbewusst.

Ich habe nicht das Gefühl, dass das etwas miteinander zu tun hat bei mir. Obwohl es schon stimmt, dass wir sehr viele Dunkelhäutige im Weitsprung haben, und ein paar auch im Sprint. Das Wichtigste ist aber sowieso, dass es jetzt so bunt im DLV ist. Bunt ist immer am schönsten.

Haben Sie selbst das Gefühl, als Teil der Nationalmannschaft eine Art Symbol zu sein für das moderne Deutschland, wie es nach der WM hier und da zu hören war?

Ja, auf jeden Fall. Wir sind von der Hautfarbe oder der Herkunft verschieden, aber wir gehören alle zusammen und repräsentieren Deutschland. Ich sehe das so: Wenn ich hier lebe, sollte ich das Land annehmen, wie es ist. Und das Land sollte mich annehmen, wie ich bin. Und es ist schön, wenn man etwas zum Gemeinschaftsgefühl beitragen kann.

Und Sie haben das Gefühl, die große Mehrheit in diesem Land sieht das genauso wie Sie?

Ja. Es mag sein, dass der Sport da etwas Spezielles ist, aber ich habe Privat auch noch nichts anderes erlebt.

Das Interview führte Nicolas Richter


  • Rundum optimistisch: Sosthene Moguenara ist die beste Weitspringerin im DLV (Foto: Picture-Alliance)
    Rundum optimistisch: Sosthene Moguenara ist die beste Weitspringerin im DLV (Foto: Picture-Alliance)