„Das tut dem Menschen einfach gut“

Zwei Frauen haben über einen Schwimmkurs in die Triathlonabteilung des SkV Mörfelden gefunden. Birgül Çoskun ist eine davon. Im Interview spricht sie über plötzlichen Medienandrang und die Angst im offenen Wasser.

Birgül Çoskun (m.) bei einem Pressetermin mit Trainingspartnerin Hayat Spanu und dem Sieger des Ironman von Hawaii 2005, Faris Al-Sultan. (Foto: Klaus Arendt/tritime-magazin.de)
Birgül Çoskun (m.) bei einem Pressetermin mit Trainingspartnerin Hayat Spanu und dem Sieger des Ironman von Hawaii 2005, Faris Al-Sultan. (Foto: Klaus Arendt/tritime-magazin.de)

Frau Çoskun, haben Sie sich schon an Journalistenanfragen gewöhnt?

Ja, Hayat (siehe Opens external link in new windowThema des Monats) und ich sind ganz schön oft angesprochen worden in den vergangenen Monaten. Von einem Herrn vom „Darmstädter Echo“ sogar ein paar Mal, aber zum Beispiel auch von der „Frankfurter Rundschau“. Am Anfang ist mir das nicht so leicht gefallen, aber jetzt habe ich keine Probleme mehr.

Sie leben seit 1979 in Deutschland. Da könnte es ja nerven, immer auf „Integration“ angesprochen zu werden, nur weil Sie jetzt Triathlon machen. 

Das stört mich gar nicht. Es stimmt schon, die Leute von der Zeitung fragen immer nach  Integration, aber ich erzähle die Geschichte ja selbst gern. Ich arbeite bei McDonald's, und mich haben schon einige Kollegen auf Triathlon angesprochen, nachdem sie einen der Artikel gelesen haben. Auch andere Bekannte sagen mir, dass sie toll finden, dass ich das mache. Vor allem wegen dem Schwimmen.

Das konnten Sie bis vor kurzem gar nicht.

Ich habe im Dezember 2011 angefangen, vorher bin ich in meinem Leben nicht geschwommen. Ich habe erst einen Kurs bei der Stadt gemacht, zweimal die Woche eine Stunde. Inzwischen trainiere ich bei der SKV, mit den anderen Triathleten. Die schwimmen allerdings richtig gut, so weit sind wir noch nicht.

Den Kurs bei der Sadt hat Peter Metz vom Integrationsbüro Mörfelden geleitet, der auch die Triathlon-Idee hatte. Hat Ihnen diese Idee gleich gefallen?

Als Peter mir den Vorschlag gemacht hat, habe ich geantwortet, wieso nicht, das mach ich gern - es gibt ja so wenige muslimische Frauen im Triathlon. Aber ich hab auch gesagt, ich will erst richtig schwimmen lernen. Es hat mir schon länger weh getan, das nicht zu können. Im Verein haben Hayat und ich dann ganz viel Unterstützung bekommen. Vor dem ersten Rennen haben wir jeden Tag eine Stunde im Badesee trainiert! Das ist ja was anderes als im Becken und zuerst hatten wir ein bisschen Angst. Aber in Begleitung der Trainer ging es.

Wie war das am Anfang bei der SKV? Wussten Sie, wie so ein Sportverein funktioniert, zum Beispiel von Ihren Kindern?

Nein, ich kannte nichts. Markus Beyermann (Triathlon-Verantwortlicher der SKV und Trainer, d. Red.) ist ein sehr lieber Mann, und die Gruppe war total okay und hat uns gut aufgenommen. Trotzdem haben wir uns am Anfang zurückgehalten, es war ja sehr fremd, wir kannten niemanden und konnten nicht richtig schwimmen und Rennrad fahren. Aber das dauerte nur ungefähr eine Woche, dann fühlten wir uns wohl.

Sie haben von den Presseberichten gesprochen und den Fragen Ihrer Bekannten. Haben Sie das Gefühl, eine Art Vorbild zu sein?

Ein bisschen schon. „Hürriyet“ hat ja auch über unsere Geschichte geschrieben, daraufhin haben mehrere türkische Frauen und auch ein Mann, den ich kenne, bei der Stadt Schwimmunterricht genommen. In diesem Sommer waren 14 Leute im Kurs, Peter Metz war total begeistert! Unter den Frauen sind zwei Schwägerinnen von mir und eine Arbeitskollegin aus Litauen, die gleich noch Fahrradfahren gelernt hat.

Machen Sie alles immer noch zu zweit, Sie und Hayat?

Laufen nicht. Hayat kann besser schwimmen als ich, aber ich laufe länger, deshalb machen wir das getrennt. Ich trainiere dreimal die Woche allein oder mit meinem Mann, der läuft auch gerne - wir würden am liebsten den Marathon in Frankfurt mitmachen, aber das kostet für jeden 85 Euro, das ist uns zuviel. Samstagmorgens treffe ich mich außerdem mit der Triathlon-Gruppe, da laufen wir so 16 bis 18 Kilometer.

Hat die Zugehörigkeit zum Verein Ihr Sozialleben verändert?

Das würde ich schon sagen. Ich habe mehr mit anderen Leuten zu tun durch das Training, ich habe neue Bekannte. Wir machen ja auch einmal in der Woche Gymnastik, einmal Spinning und mittwochs ist Schwimmen. Da unterhalten wir uns, wir haben Spaß – sowas tut einem Menschen einfach gut.

Vorher fühlten Sie sich eher am Rand?

Ja, das stimmt, vorher war das so, aber jetzt ist es in Ordnung. Es ist gut, zu einer Gruppe zu gehören. Die SKV-Leute, das ist ein bisschen so wie mit einer Familie.

Was ist ihr Ziel im Triathlon?

Vor allem will ich weniger Zeit brauchen. Ich mache im kommenden Jahr wieder die Rennen in Mörfelden und in Frankfurt mit, und ich trainiere jeden Tag, damit ich da schneller bin als in diesem Jahr. Aber Anfang Dezember will ich erstmal bei einem 30-Kilometer-Lauf hier in Mörfelden teilnehmen.

Ist ein Ironman in Reichweite? Sie sind ja noch jung.

Ironman? Nee (lacht lange). Mit Laufen und Radfahren könnte das was werden, aber im Schwimmen klappt das nicht. Außerdem bin ich älter, als in meinem Pass steht. Ich bin  1966 geboren, aber damals gab es ein Erdbeben in der Türkei, meine Geburtsurkunde war verschwunden. Deshalb steht in meinem Pass 1971.

(Quelle: DOSB / Das Interview führte Nicolas Richter)


  • Birgül Çoskun (m.) bei einem Pressetermin mit Trainingspartnerin Hayat Spanu und dem Sieger des Ironman von Hawaii 2005, Faris Al-Sultan. (Foto: Klaus Arendt/tritime-magazin.de)
    Birgül Çoskun (m.) bei einem Pressetermin mit Trainingspartnerin Hayat Spanu und dem Sieger des Ironman von Hawaii 2005, Faris Al-Sultan. (Foto: Klaus Arendt/tritime-magazin.de)