Der Traum: ein afrikanisches Community-Zentrum

Wie beim Africa United Sports Club niedrigschwellig Basketball-Talente ausgebildet werden und dabei das Empowerment mitgedacht wird – was ohne eine echte Heimat ganz schön schwierig ist.

Von Frank Heike (Text) & Frank Molter (Fotos)

 

Wir bitten um fünf Minuten ihrer Zeit, die uns Chantal Lingani  lächelnd gewährt, allerdings garniert mit dem Hinweis: „Fünf Minuten sind hier viel!“

Die 29-Jährige lässt sich nur ungern aus dem Trainingsbetrieb an diesem Freitagnachmittag entführen, denn drinnen in der recht neuen Halle der Berufsschule in der Anckelmannstraße nahe dem Berliner Tor warten viele kleinere und größere Kinder und Jugendliche in zwei Gruppen auf ihre Anleitung. Die vielfach engagierte Volljuristin beantwortet beim Verlassen der Halle noch ein Dutzend rasend schnell hingeworfener Fragen; hier wollen alle etwas von ihr, und Chantal Lingani ist darauf erpicht, möglichst viele Wünsche zu erfüllen. Dabei geht es in diesem offenen Basketball-Angebot vom Africa United Sports Club nur vordergründig um Bälle passen und Körbe werfen; so möchte ein kleiner Teilnehmer gern sofort auf Punkte spielen, während seine gleichaltrige Teamkollegin sagt: „Nicht schon wieder!“

Übergeordnet dient der Freitag der Mitgliedergewinnung – auch diesmal sind drei „neue“ Kinder dabei. Das gelingt bei den Kleineren durch Mundpropaganda verblüffend gut. Chantal Lingani sagt: „Bei den Älteren ist es schwierig. Wir hätten gern mehr Angebote auch für ältere Frauen aus der Community. Doch dafür bräuchten wir mehr Konzepte, auch von der Öffentlichkeitsarbeit her, wie wir auf diese Leute zugehen können.“

Africa United ist ein vergleichsweise kleiner Verein mit wenigen Sparten, der sich an die panafrikanische Gemeinschaft Hamburgs wendet. Wichtigste Ziele sind derzeit, noch mehr junge Kinder für den Verein zu begeistern und mehr freiwillig Engagierte zu bekommen; es fehlt an Trainer*innen und Schiedsrichter*innen. „Hier wird viel Verantwortung auf wenigen Schultern getragen“, sagt Chantal Linganis Vorstandskollege Ruben Castro.

Der ebenfalls 29-Jährige absolviert gerade seinen Master in Wasser-Ressourcen-Management an der TH Köln und verwendet viel eigene Ressourcen auf die Entwicklung Africa Uniteds; dem Verein gehört er seit 2016 an. Er sagt: „Es geht hier freitags nicht nur um Basketball. Hier können sie Freunde treffen, Raum haben, sportlich erfolgreich sein. Wir sind ein panafrikanischer Sportverein, und viele, die neu zu uns kommen, erleben zum ersten Mal, nicht die einzigen zu sein.“

Zum vereinseigenen Leitbild gehört das Empowerment: „Man kann bei uns zum besseren Sportler werden“, erklärt Ruben Castro, „aber wir wollen auch Werte vermitteln und den Kindern mehr Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit mit auf den Weg geben. Die Kinder hier kennen es aus dem Alltag, automatisch in der Minderheit zu sein. Wenn sie hier bei uns merken, dass das nicht so sein muss, ist das automatisch empowernd.“ Der Wettkampfsport steht nicht im Mittelpunkt. Aber Castro sagt: „Durch die Arbeit als Stützpunktverein im Programm Integration durch Sport im Hamburger Sportbund (HSB) haben größere Vereine von uns profitiert. Kinder, die ohne uns nicht zum Basketball gekommen wären, sind in der Landesauswahl gelandet.“

Auch sei das Bewusstsein für Rassismus und Diskriminierung im Hamburger Spielbetrieb durch die Arbeit Africa Uniteds gewachsen; der Umgang mit den Vereinen der Mehrheitsgesellschaft habe sich dabei positiv entwickelt. Um dort voranzukommen, seien Schwarze Trainer*innen und Schiedsrichter*innen enorm wichtig, verdeutlicht Ruben Castro: „Den Kindern wird durch Schwarze Trainer*innen klar, dass sie jemanden auf ihrer Seite haben. Und dem gesamten Schiedsrichterwesen täte mehr Diversität gut.“

Sie werben gezielt mit Flyern, vor allem dort, wo viele Kinder mit Migrationshintergrund leben. Aber sie werben auch aktiv auf der Straße, sind bei Community-Festen, bei Veranstaltungen der afrikanischen Community oder Ländergemeinschaften, Kirchen, Moscheen – an Orten, die mit schwarzer Selbstorganisation zu tun haben: „Das ist nun einmal unsere Hauptzielgruppe“, sagt Ruben Castro. Aber auch Kinder ohne direkte Verbindung zu Afrika kommen – wie an diesem Nachmittag.

Der Weg ist markiert, auf den sich Africa United gemacht hat. Alles könnte noch wirkmächtiger sein, wenn es eine Heimat gebe – in diesem Punkt sind sich Chantal Lingani und Ruben Castro  einig. Seit Jahren wird der Verein aus einer Untervermietung in einem Billhorner Kampfsportzentrum verwaltet. Beengt und abgelegen, führen Lingani und Castro den Klub aber eher aus ihren Wohnzimmern. Chantal Lingani sagt: „Eine Zentrale als Anlaufpunkt ist unser Wunsch. Wenn Leute Interesse an uns bekunden, ist es schwierig, sie an etwas zu verweisen. Da wäre es gut zu sagen – ja, kommt doch mal in unserem Büro vorbei.“

Eine Heimat für den Verein mit Basisangeboten an Integration und Zusammenhalt, wo man sich Hilfe holen, einen Tee trinken, die Hausaufgaben machen oder einfach abhängen kann: das wäre der Volltreffer. Ruben Castro ergänzt: „Das Versprechen der Politik für ein afrikanisches Community-Zentrum gab es schon einmal. Daraus ist leider nichts geworden. Wenn wir vom Aufbau eines solchen Zentrums mit dem Sport als Teilbereich profitieren könnten, würde das unseren ganzen Verein voranbringen.“

Dann könnten Chantal Lingani und Ruben Castro ihren Keller und Speicher von sich stapelnden Vereinsunterlagen befreien. Endlich.