DIE SKATEMANIACS – DAS INLINE-SHOWTEAM AUS FREIBURG

Frankfurt (ids) Wenn Julien, dessen Vater aus Martinique kommt, Ramin aus Afghanistan, Michael aus China und ihre Freunde der "Skatemaniacs" auf Tour gehen, dann steht eines schon vorher fest: Die Jungs werden eine Menge Spaß haben und den Zuschauern stockt der Atem... Als Vereins-Schulprojekt hat die Multikulti- Truppe angefangen, inzwischen haben sie in Freiburg und Umgebung Kultstatus erreicht.

Kostprobe gefällig: Locker überspringt Julien den Moderator, der mit zwei Freiwilligen wagemutig auf einem VW-Bus sitzt und vollführt dabei in drei Metern Höhe einen Salto mit Schraube - einen Mistyflip wie dieses Manöver im Fachjargon genannt wird. Patrick setzt noch einen drauf. Der 16-jährige Realschüler zeigt einen Trick, den nicht viele in der Zunft beherrschen: Bevor er zur sanften Landung auf Weichbodenmatten ansetzt, zieht er einen Double Backflip - einen doppelten Salto rückwärts. Was spielerisch leicht aussieht, hat sich über Jahre entwickelt. "Was wir da eigentlich machen, wird einem erst bewusst, wenn jemand Neues über die Rampe springen will," meint Metz, der als Biker nicht nur auf Rollen verrückte Sachen fabriziert.

 

"Keiner von uns kann sich so richtig vorstellen, wie es ist, wenn die Skatemaniacs mal nicht mehr die Skatemaniacs sind. Aber auf jeden Fall werden wir uns in zehn Jahren auch noch zusammen kaputtlachen," versichert Limbo. Man glaubt es ihm, wenn man einmal mit den Jungs in ihrem zweiten Wohnzimmer, dem knallroten VW-Bus mit den großen Skateaufklebern - liebevoll Hudi-Hudimobil getauft - unterwegs war.

 

Die exotische Multikultigruppe liebt die Show und zeigt, dass die Herkunft nicht bedeutsam ist. "Man kann gar nicht verschiedener sein als jeder von uns", sagt Ramin, Frauenschwarm in seiner Klasse und begeisterter Karateka. "Es gefällt mir, dass bei uns, und beim Aggressive-Skaten allgemein, nur zählt, was du machst. Es ist eigentlich egal wo du herkommst und wie du aussiehst.

 

"Das ist nicht überall so" Thorsten wirft ein: "Man sollte jetzt nicht gerade im 80´s Gewand mit Karottenjeans und Basketballstiefeln á la Beverly Hills Cop antanzen, aber notfalls integrieren wir hier auch Opas und Studenten...". Dabei grinst er seinen 26-jährigen Trainer Jens an. "Dieses Integrationsgedöns habe ich sowieso nie verstanden," meint Julien. "Bei uns geht es um Spaß, Spaß, Spaß...". Offenbar ein Ansatz, der funktioniert ...

 

Die Skatemaniacs haben Integration durch Sport (ids) weitere wichtige Fragen rund um ihr Team beantwortet:

 

ids: Was ist das Wichtigste beim Inline-Skaten und was wollt ihr noch erreichen?

 

Ramin: Das Wichtigste für mich ist, dass wir unseren Spaß haben und noch viel erleben. Bei den Shows und bei allem was wir zusammen machen. Ich zum Beispiel lache mich immer halb krank, wenn Metz und Micha ihre Tankstellenaktion bringen. Die spielen dann immer, dass der Micha unabsichtlich mit der Tür die Nase bricht...

Markus: Das Besondere am Inline-Skaten ist das Gefühl Tricks und Sachen zu machen, die keiner kann. Wenn man dann noch schafft, dass alles leicht aussieht, dann hat man das Ziel erreicht. Und natürlich ist zusammen abhängen, das Drumherum, der ganze Lifestyle auch noch wichtig. Sportlich habe ich als Opa (19!) gar keine großen Ambitionen mehr. Ein paar Sachen habe ich ja auch schon erreicht. Ein Ziel wäre noch in Freiburg eine Skatehalle zu erschaffen. Auch wenn es für uns dann wahrscheinlich zu spät kommt. Aber die nächste Generation wird es uns danken. Und noch eine Show in L.A. auf dem Hollywood Boulevard.

Thorsten: Der Spaß im Quadrat. Hudi Hudi. Die Show. Ich würde gerne in Stuttgart mit 500 Meter Anlauf den Berg runter und dann springen - San Francisco würde auch gehen.

 

ids: Unterscheiden sich Inlineskater von anderen Sportlern?

 

Ramin: Schwierig. Jeder in unserer Gruppe geht außer Inline-Skaten noch ganz verschiedenen Sportarten nach. Ich zum Beispiel mach Karate, Thorsten und Micha Baseball, Metz Mountainbike. Jeder von uns hat eine andere Einstellung zum Sport generell. Karate betreibe ich intensiver und professioneller, auf Wettkampfebene und mehr alleine. Nur mit einem Trainer. Beim Skaten ist das irgendwie anders. Man trifft sich mit Freunden und dann beginnt man sich gegenseitig zu pushen und zu überbieten. Und das Ziel steht vorher noch nicht so fest.

Markus: Inline-Skaten muss man leben. Inline-Skaten ist viel extremer als normale Sportarten. Es ist ein Unterschied Treppengeländer runterzurutschen oder einen Lederball zu fangen oder kicken. Das kann jeder irgendwie. Natürlich nicht gleich gut. Aber jetzt schick mal alle ein Treppengeländer runter...

Thorsten: Darf ich jemanden anrufen? Es macht halt Spaß. Man braucht viel Übung um solche Tricks zu beherrschen.

 

ids: Wie hat alles angefangen mit dem Inlineskaten?

 

Ramin: Ooooh...., vor acht Jahren. Da hat mir das meine Mama beigebracht. Kein Scheiß!!!! Ihr seid die ersten, denen ich das erzähle. Dann traf ich in den Sommerferien den Markus. Da haben wir uns jeden Tag gepusht, getoppt und gegenseitig Dinge beigebracht. Und dann sind wir wieder auf andere gestoßen und irgendwann waren wir im Team.

Markus: Da muss ich überlegen. Ich habe von meiner Cousine Inline-Skates geschenkt bekommen. Dann sind Freunde und ich im Hof rumgegurkt und haben da Hockey gespielt. Und irgendwann hat einer vom Grinden erzählt und dann haben wir das angefangen. Dann habe ich den Ramin kennengelernt. Der konnte sogar schon rückwärts fahren. So gut wollte ich dann auch fahren können. Und Ramins Bruder Ruin war noch besser. Als ich so gut wie Ruin war, wollte ich so gut wie David werden und danach trafen wir Andi Mies, der war so der beste Skater in der Stadt. Und klar dann wollte ich so gut sein wie er. Und irgendwann war ich dann auch wirklich gut. (Anmerkung: Markus hält den Weltrekord im Inlinehighjump mit 3.80m und war Baden-Württemberg-ischer Meister im Inline-Street.)

 

ids: Inline-Skater sind Individualisten. Ihr seid ein Team. Wie kam das?

 

Ramin: Vor ein paar Jahren war so ein Highjumpcontest beim Baumarkt hier bei uns. Da sind wir hin. Und waren ganz aufgeregt. Wir dachten, dass dort bestimmt ein Team mit lauter Profis ist. Wir waren ja auch ein kleines Team. Und da war tatsächlich ein anderes Team. Ramin wurde dritter und ich erster. Wir sind dann noch eine Weile freundschaftlich gegeneinander gefahren und irgendwann haben wir uns zu einem Team zusammengeschlossen. Inline-Skater sind keine Individualisten. Das ist ein Gerücht. Es gibt oft Teams. Und gerade in der Gruppe fahren ist doch geil. Es ist doch traurig, wenn ich nach 100 Stürzen einen Trick stehe und keiner hat es gesehen... Thorsten: Durch die Individualität eines jeden Einzelnen in unserem Skateteam, trägt jeder zur Gemeinschaft bei. Gerade die Unterschiedlichkeit macht es so spaßig.

 

ids: Ihr seid eine bunt gemischte Truppe. Was ist das besondere an Euch?

 

Ramin: Es ist nie langweilig und immer lustig. Jeder hat bestimmte Charaktereigenschaften. Einer ist eher ruhig, der andere eher Macho ... Man kommt aber mit jedem Einzelnen gut aus und zusammen ist es einfach nur witzig. Das denkt man gar nicht wenn man uns so zusammen sieht. Der eine ist dunkel, der andere hat ein Glatze usw. aber es passt alles.

Markus: Wir selbst. Die Crew. Unsere Einstellung zum Skaten und zu allem anderen. Anders zu sein als die Anderen. Bei uns ist immer was los. Wir sind einfach so gut drauf. Wir erleben wirklich mehr als die meisten in unserem Alter. Und das ohne Hilfsmittel. Viele meiner Kumpels erreichen dieses Level nur auf Partys, wenn sie schon ordentlich was zu sich genommen haben. Außerdem ziehen wir die Aufmerksamkeit gerne auf uns und jeder hat Spaß da dran. Das ist auch immer lustig.

 

ids: Ist Euch jemals aufgefallen, dass ihr aus verschiedenen Völkern und Kulturkreisen stammt?

 

Ramin: Nö. Oft hört man blöde Witze, aber wir selbst achten nicht drauf.

Markus: Ja natürlich. Aber das ist in Deutschland ja wohl das Normalste was es gibt. Thorsten: Ja, aber das zeigt doch mal wieder wie gut alle miteinander auskommen können.

 

ids: Habt ihr schon einmal das Problem gehabt, aufgrund eurer Herkunft ausgegrenzt zu werden?

 

Ramin: Ja. Ich komme aus Afghanistan. Nach dem 11. September haben sie in der Schule immer Papierflieger gebaut und Mayday, Mayday gerufen, wenn sie mich gesehen haben. Mit 14 bin ich fast von Rassisten zusammengeschlagen worden. Die haben so Parolen wie "Scheiß Ausländer" gerufen und hatten Stöcke. Den Julien, der ja auch schwarz ist, haben sie noch laufen lassen. Aber mich wollten sie. Zum Glück kann ich schnell rennen...

Markus: Ja, ich als Deutscher hab es da ziemlich schwer -Spaß-. Bei Auftritten in Dörfern merkt man schon, dass die Leute erst mal etwas schräg schauen, weil wir doch sehr Multikulti sind. Aber wenn die Show läuft ist es meistens gut.

 

Auf die Frage wie es weitergeht, weiß keiner der Jungs so richtig zu antworten.

 

"Patrick wird es hoffentlich bis nach Amerika schaffen. Er ist ja noch jung..." drückt Markus als ältester dem Youngster, der bei den Europameisterschaften in der Halfpipe den dritten Rang belegt hat, die Daumen. "Und wir machen weiter, solange wir zusammen Spaß haben...". Nach einer kleinen Denkpause fügt er hinzu: "Und solange wir noch einigermaßen cool rüberkommen...".

 

Text und Interview:

Richard Keiner, Institut für Sportsoziologie, Deutsche Sporthochschule Köln, Jens Hoffmann, Freiburger Turnerschaft, Abteilung Inline-Skating.

 

Bilder:

Andi Mündörfer, Institut für Sportsoziologie, Deutsche Sporthochschule Köln.