Engagement rechnet sich

Harald Schmid, Hürden-Ikone von einst, sitzt in der Jury des Schlappekicker-Preises und gestaltet die Kampagne „Kinder stark machen“ mit. Ein Interview über Lebenskompetenz, Schneeballsystem und den sozialen Einfluss des Sports.

Der ehemalige Leichtathlet Harald Schmid unterstützt soziale Initiativen im Sport. (Foto: picture alliance)
Der ehemalige Leichtathlet Harald Schmid unterstützt soziale Initiativen im Sport. (Foto: picture alliance)

Sie sind Jury-Mitglied für den Schlappekicker-Preis der „Frankfurter Rundschau“. Wie darf man sich die Entscheidungsfindung da vorstellen?

Das ist eigentlich recht einfach: Vereine sind eingeladen zur Teilnahme, wir in der Jury bekommen die Projekte vorgestellt, und dann suchen wir halt aus, was am besten passt. Meistens ist das sehr komplikationslos, weil wir eine ähnliche Meinung haben. 

Es wird ja auch feste Kriterien geben, an denen Sie sich orientieren.

So kann man das nicht sagen. Natürlich müssen bei allen Bewerbern die Ansprüche an ein wirkliches soziales Engagement erfüllt sein, aber das ist eigentlich immer der Fall. Ich bilde mir meine Meinung von den Projekten und die wird dann mit der der anderen Juroren abgestimmt. Das geschieht zwar auf die Ferne, aber unser Urteil deckt sich immer bemerkenswert gut. Leider hab ich selten Zeit für die Preisverleihungen. 

Kein Wunder: Sie haben eine Agentur, führen einen Verein, unterstützen die „Stiftung Kinderherz“ und vor allem sind Sie Botschafter der Kampagne „Kinder stark machen“.

Nicht nur Botschafter der Kampagne „Kinder stark machen“. Ich habe da auch gestalterische Funktion, und zwar seit 1995.

Wie sieht diese Funktion aus?

Ich habe die Kampagne mitentwickelt. Heute betreue ich die Ausbildung von Trainern – das ist der Kern der Kampagne, denn wer kann Kinder stark machen? Das sind die Trainerinnen und Trainer in den Sportvereinen. Deshalb halte ich Vorträge und bilde die Referenten unserer Kooperationspartner, der Sportverbände, aus. Die wiederum schulen dann Trainerinnen und Trainer aus den Sportvereinen. 

Ihr Thema, das von „Kinder stark machen“, ist der Kampf gegen Drogenkonsum. Wo entstehen da  Parallelen und möglicherweise Synergieeffekte zu sozial und kulturell integrativer Arbeit?

Da gibt es schon grundsätzliche Unterschiede in dem Sinn, dass es bei „Kinder stark machen“ um die frühe Suchtprävention geht. Die Vermittlung von Lebenskompetenz, von Eigenverantwortlichkeit, Selbstwertgefühl oder einfach Konfliktfähigkeit stehen im Mittelpunkt. Ziel ist es, dass Kinder und Jugendliche früh lernen von sich aus einzuschätzen, wann sie „nein“ in bestimmten Situationen sagen. Aber unbestritten tragen diese Kompetenz auch dazu bei, dass man zum Beispiel Integrationsaufgaben besser bewältigen kann. Es geht eben um eine Schule für das Leben, da können Sportvereine sehr viel leisten.

Wobei sich wie in der Integrationsarbeit die Frage stellt: Was kann der Sport leisten – und wo stößt er an Grenzen?

Man muss natürlich unterscheiden. Wie gesagt: Unser Ansatz ist einer der Prävention, der Primärprävention. Die ausgebildeten Trainerinnen und Trainer sollen in keiner Weise therapeutisch tätig werden, das wäre der vollkommen falsche Weg – nach der Devise „Du hast Probleme, dann geh in den Sportverein“. 

Den Schlappekicker-Preis gibt es seit 1998. Die meisten Preise für soziales Engagement im Sport sind jünger. Sie als Inhaber einer Kommunikationsagentur: Warum schreiben zum Beispiel immer mehr Kommunen solche Preise aus?

Da gibt es sicher mehrere Faktoren. Ich kann vielleicht einen Vereinsvorsitzenden zitieren, der vor 10 Jahren seine Strategie geändert und das Engagement für Kinder und Jugendliche in den Vordergrund gestellt hat. Er musste intern ein paar Widerstände überwinden, aber in der Politik, in der Verwaltung, bei Sponsoren hat er sehr große Aufmerksamkeit erregt. Seitdem, sagt er, steht der Verein finanziell viel besser da. Wenn man sich sozial engagiert, wird das gerne gesehen, weil es der Gesellschaft konkrete Vorteile bringt.

Wie konkret?

Ich habe mal ein Projekt der Polizei in Friesland zur Sucht- und Gewaltprävention bei Kindern und Jugendlichen begleitet, das ganz gezielt über Sportvereine umgesetzt wurde. Nach drei Jahren war die Rate der Suchtmittel- und Kriminaldelikte bei Jugendlichen um 70 Prozent gesunken, wissenschaftlich begleitet und ausgewertet! So ein Effekt lässt sich sicher nicht immer erreichen, aber jeder Politiker, jede Kreisverwaltung muss verstehen, welche hervorragende soziale Arbeit Sportvereine leisten. Preise, die diese Arbeit würdigen, zeigen, dass dieses Verständnis wächst.

Sie haben 2010 den Sportclub Gelnhausen gegründet, rund um die Spitzenlangstrecker Irina Mikitenko und Musa Roba-Kinkal. Haben Sie den Eindruck, die zwei hätten eine Vorbildwirkung für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund?

Eine Jugendabteilung ist noch im Aufbau, wir sind vorerst spitzensportlich orientiert. Im Übrigen spielt Herkunft in unserem Verein keine Rolle, unsere knapp 30 Mitglieder kommen aus allen Teilen der Welt. 

Behindern sich Hochleistungsanspruch und sozial-integratives Wirken gegenseitig?

Überhaupt nicht. Es ist gut, wenn ein Verein erfolgreiche Sportler hat, dadurch in der Öffentlichkeit steht und einen Weg vorgeben kann. Das ist kein Problem, sondern eine Chance. Wobei man sagen muss, dass gelungene Integration doch eigentlich Gang und gäbe ist in Sportvereinen.

Bedingt. Im Teamsport zum Beispiel finden Woche für Woche Ausgrenzung und Konfrontation entlang von Herkunftsgrenzen statt. Ist das in der Leichtathletik anders?

Es kann schon sein, dass es in Individualsportarten ein bisschen einfacher ist. Dieses Gegeneinander von Mannschaften findet nicht so statt, da ist die Identifikation eine etwas andere. Abgesehen davon muss man schon sagen, dass Teamsportarten wie etwa der Fußball ihre Möglichkeiten in der Integrationsarbeit kennen und nutzen.

Aber es bleibt die Frage, wie weit die Möglichkeiten reichen.

Die Chance, integrativ zu wirken, hat jede Sportart, und es ist gut, dass so viel getan wird. So sehe ich das. Und ohne die Auswüchse würde man nicht entdecken, an welchen Stellen es immer noch etwas zu tun gibt. 

(Quelle: DOSB / Das Interview führte Nicolas Richter)


  • Der ehemalige Leichtathlet Harald Schmid unterstützt soziale Initiativen im Sport. (Foto: picture alliance)
    Der ehemalige Leichtathlet Harald Schmid unterstützt soziale Initiativen im Sport. (Foto: picture alliance)