Es braucht mehr als Haltung

Strukturellem Rassismus ist nicht mit Hashtags und poppigen Werbespots beizukommen. Dazu braucht es deutlich mehr. Der Sport hat dabei eine besondere Verantwortung.

Sport öffnet auf spezielle Art und Weise Türen und führt Menschen zueinander. Foto: picture-alliance
Sport öffnet auf spezielle Art und Weise Türen und führt Menschen zueinander. Foto: picture-alliance

Vom 20. März bis zum 2. April finden in diesem Jahr die „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ statt, und neben Kirchen, Gewerkschaften, Städten, Gemeinden, kleinen und großen Initiativen engagieren sich viele Sportverbände und -vereine gegen Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung jeglicher Art. Ein besonderer Beitrag des organisierten Sports wird der Aktionstag #BewegtGegenRassismus am 29. März sein, der zum zweiten Mal nach 2022 stattfindet. An ihm beteiligen sich auch der DFB, die Fußball-Profiligen der Frauen und Männer sowie die DFL-Stiftung mit aufmerksamkeitsstarken Aktionen.

Gegen Rassismus aufzustehen, Haltung zu zeigen, ist immer und zu allen Zeiten angemessen und notwendig, man könnte auch sagen: selbstverständlich. Beim Sport reicht die Verpflichtung jedoch weiter, ihm wächst eine besondere Verantwortung zu. Zum einen ist seinen Prinzipien, Fairness, Respekt und Miteinander, die Gleichheit der Menschen geradezu eingeschrieben, zum anderen öffnet er auf spezielle Art und Weise Türen, führt Menschen zueinander und erleichtert ihnen den Zugang zu anderen Gruppen und Gesellschaften. Das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ ist der ins Konzept gegossene Ausdruck dafür; seit mehr als 30 Jahren.

Man kennt es: In keiner großen Rede eines Sportfunktionärs fehlt der Hinweis auf die einende Kraft des Sports, auf seine Vorurteilsfreiheit. Und zu jedem internationalen Sportturnier starten Verbände und Sponsoren Kampagnen gegen Rassismus. Doch der Sport ist Teil der Gesellschaft und daher begegnet ihm der Rassismus nicht allein außerhalb, sondern genauso innerhalb seiner Strukturen. Struktureller Rassismus ist Alltag für viele Sportler*innen mit Zuwanderungsgeschichte, in allen Ligen und Sportarten, in den Verbänden, in Vereinen, im Breitensport und auf den Zuschauerrängen. Wie People of Color diesen Rassismus im Sportalltag erleben, davon erzählt die deutsche Weitspringerin und Olympiateilnehmerin Maryse Luzolo in einem jüngst veröffentlichten, gleichermaßen bewegenden wie erschütternden Interview.

Strukturellem Rassismus ist nicht mit Hashtags und poppigen Werbespots beizukommen. Dazu braucht es deutlich mehr. Zum Beispiel kompetente Ansprechpersonen in Verbänden und Vereinen für diejenigen, die Rassismuserfahrungen machen, Sensibilisierungsmaßnahmen für Übungsleiter*innen, nachvollziehbare Sanktionen bei rassistischen Vorfällen und ein klarer Umgang mit Hasskommentaren in den sozialen Medien. Klingt naheliegend? Ist es auch, aber noch lange nicht Realität im deutschen Sport. Hinzu kommt: Sich mit Rassismus auseinanderzusetzen, dem eigenen wie dem strukturellen, sei sehr unangenehm, sagt Maryse Luzolo. „Und sobald es unangenehm wird, ziehen sich die Leute wieder in ihre sichere Blase zurück.“

Es ist daher folgerichtig, dass DOSB und dsj - dank der Unterstützung von Reem Alabali-Radovan, der Anti-Rassismusbeauftragten der Bundesregierung - ein dreijähriges Antirassismusprojekt im organisierten Sport anschieben, um sich dem Problem zu stellen und die Blase zumindest im Sport aufzusprengen. Das Ziel ist: Mitarbeitende auf allen Strukturebenen des organisierten Sports aufzuklären und fortzubilden, sie in ihrem Engagement gegen Rassismus persönlich zu stärken und fehlende Strukturen in Verbänden und Vereinen zu etablieren. Die wissenschaftliche Begleitung durch die Humboldt-Universität zu Berlin, soll zudem valide Erkenntnisse über Verbreitung und Art des Rassismus in den deutschen Sportstrukturen bringen und Handlungsempfehlungen erarbeiten. Dieses Projekt ist in seiner Größe und Ausrichtung einmalig im deutschen Sport, und es dürfte, da sollte sich keiner täuschen, schmerzhafte Erkenntnisse zu Tage fördern. Für die Zukunft aber ist zu hoffen, dass die Erkenntnisse helfen, den Sportalltag für People of Color zu verbessern und das Thema Rassismus ernsthaft und nachhaltig auf allen Ebenen von Sportdeutschland zu bekämpfen.

(Autoren: DOSB-Team Sport und Integration)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Sport öffnet auf spezielle Art und Weise Türen und führt Menschen zueinander. Foto: picture-alliance
    Hände in dunkler und heller Hautfarbe an einem Ball Foto: picture-alliance