„Globalisierung endet nicht bei der Banane“

Der Erfurter José Paca engagiert sich gegen Rassismus und für Integration. Jüngst hat er höchste Anerkennung als auch Aggression erfahren. Ein Gespräch über Salz, Grenzen und Fußball.

Bundespräsident Joachim Gauck überreicht Jose Paca das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. (Quelle: dpa)
Bundespräsident Joachim Gauck überreicht Jose Paca das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. (Quelle: dpa)

Im Juli haben Sie das Bundesverdienskreuz erhalten, im August wurden Sie in Erfurt von zwei Männern mit Waffen bedroht. Wie fühlen Sie sich im Moment in Deutschland?

Das ist wie bei einem Koch: Er gibt sich Mühe, ein Essen mit gutem, ausgewogenem Geschmack vorzubereiten, aber dann fällt zuviel Salz hinein. Die Ehrung mit dem Bundesverdienstkreuz war der gute Geschmack, der Übergriff hat die Suppe ein bisschen versalzen.

Wie sehen Sie das als Ehrenamtlicher, der sich für Toleranz einsetzt? Sie sitzen dem Ausländerbeirat Erfurt vor, und mit dem Verein Afrosport organisieren Sie Fußballturniere gegen Rassismus.

Ich beurteile das so: Wir tun im Ausländerbeirat und mit unserer Sportaktivitäten alles Mögliche, um die Menschen zusammenzubringen und Ängste vor dem Fremden zu unterbinden – Globalisierung endet ja nicht bei der Frage, wie wir schnell zu unserer Banane kommen, sondern es geht um die Würde der Menschen. Die Mehrheit der Gesellschaft hat sich längst entschieden, dass unser Deutschland geprägt wird von verschiedenen Ethnien, sie möchte die gewachsene soziale Stabilität behalten. Aber leider Gottes erleben wir immer wieder einen Widerstand, und wir sollten uns keine Illusionen machen, dass wir das hundertprozentig verhindern können.

Wie kann die Gesellschaft mit solch radikalem Widerstand umgehen?

Das ist eine kriminelle Handlung, die wir nicht als normalen Delikt behandeln sollten, sondern als etwas Gravierenderes. Es geht da um das Existenzrecht von Menschen. Solche Personen sind nicht nur für mich eine Gefahr, wegen meiner Hautfarbe oder Herkunft; sie sehen alle als Feinde, die nicht im gleichen Schritt marschieren wie sie. Andererseits erleben wir bei jeder solchen Tat eine breite Solidarität. Sie verstärkt das Bewusstsein des Opfers, dass es nicht allein ist.

So war das auch bei Ihnen?

Ja. Ich habe viele Solidaritätsbekundungen von Menschen, Organisationen und Firmen erhalten, das weckt ein starkes Gefühl von Schutz. Aber ich weiß, dass es keine Schutzgarantie gibt, das ist unmöglich. Die Anerkennung, die ich genieße, ist für manche eine Provokation. Der Angriff war in der Basis durch meine Hautfarbe motiviert, aber solche Menschen wollen Stimmen wie meine auch mundtot machen.

Zum Ausländerbeirat: Der Name klingt etwas überholt. Als ginge es nur um Ausländer, nicht um interkulturellen Austausch.

Der Ausländerbeirat entwickelt sich mit der Gesellschaft, und die Gesellschaft hat sich seit 2000 geöffnet, auf allen möglichen Gebieten. Wir sind also nicht nur für Ausländer da, sondern für alle Menschen und ihr Zusammenleben in der Kommune.

Warum dann nicht „Integrationsbeirat“, wie es anderswo teilweise heißt?

Das hat mit dem Gesetz zu tun. Der Ausländerbeirat vertritt die Menschen, die vom Ausländer-Aufenthaltsgesetz betroffen sind und kein Recht haben, Interessenvertreter zu wählen. Stattdessen wählen Sie diesen Rat. Integrationsbeirat passt deshalb nicht. Integration bezeichnet einen vorübergehenden Prozess, nicht den gesetzlichen Status eines Menschen und seine nationale Zugehörigkeit. Ich persönlich mag den Begriff „Integration“ auch nicht so, „Inklusion“ passt mir besser.

Für das Programm „IdS“ ist eher die Abgrenzung zwischen Integration und Anti-Rassismus wichtig. Wo sehen Sie da den Unterschied?

Das finde ich schwer zu beurteilen. Es ist mir aber auch nicht wichtig, denn beides orientiert sich an einem gemeinsamen Ziel: Die Wiederherstellung von Menschenwürde und Respekt. Ich finde es schon entscheidend, wie man diese gemeinsame Orientierung anwendet - Anti-Rassismus-Arbeit hat ihre Funktion, Integrationsarbeit auch. Denn Integration will ja nicht nur ethnische Gruppen zueinander führen, sondern betrifft auch soziale Zugehörigkeit, Alter oder Geschlecht. Aber wofür sollte die Frage des genauen Unterschieds wichtig sein? Da gibt es anthropologische, gesetzliche und politische Gesichtspunkte, das zu überlegen, kostet sehr viel Zeit.

Erfurts Ehrenamtler

José Paca, 52, hat etwa die Hälfte seines Lebens in Erfurt verbracht. Noch zu DDR-Zeiten zugewandert, machte er dort eine Ausbildung und engagierte sich alsbald interkulturell. Seit 1992 sitzt er dem von ihm mitgegründeten Ausländerbeirat der Stadt vor. Schon zuvor fanden die ersten Fußballturniere gegen Rassismus statt, die er heute mit dem eingetragenen Verein Afrosport und dem Ausländerbeirat veranstaltet: Für in jeder Hinsicht gemischte Teams, in denen Akteure von Afrosport neben Kids aus den Erfurter Jugendhäusern und Rentnern stehen. Paca, jahrelang Mitglied im Bundesausländerbeirat, hat eine Trainerlizenz und diverse Aus- und Fortbildungen gemacht, etwa in interkultureller Kompetenz und Deeskalation. Letzteres, sagt er, habe ihmgeholfen, den 21. August 2014 unverletzt zu überstehen, als ihn zwei Männer nahe eines Flüchtlingswohnheims beschimpften und mit Messer und Pistole bedrohten.

 

Also Praxis statt Theorie: Ihre Fußballturniere sind ein Statement gegen Rassismus. Sind sie auch integrativ? 

Unsere Turniere haben beide Aufgaben. Vom Anti-Rassismus aus gesehen werden die einzelnen Mannschaften jeweils von Menschen aus verschiedenen ethnischen Gruppen gebildet. Diese Mannschaften heißen zum Beispiel Iran, Afghanistan, Togo, Thüringen, Weimar, Erfurt - oder nehmen sie „Spartak“: Im Ursprung eine Mannschaft russischer Spätaussiedler, in der aber auch Ghanaer oder Malier mitspielen. Die andere Aufgabe ist integrativ: Arm und reich, alt und jung spielen zusammen.

Männlich und weiblich?

Ja, manchmal sind Mädchen dabei oder es gibt eine Mannschaft mit drei Frauen und vier Männern.

Was ist das Besondere dieser Turniere?

Das Besondere ist meine Philosophie: Alle sind Sieger, jede Mannschaft nimmt einen Pokal nach Hause mit. Das andere ist die Versorgung: Es gibt eine gemeinsame Mahlzeit für alle und nur religiöse Ausnahmen. Wenn Muslime dabei sind, stellen wir kein Schweinefleisch, sondern Geflügelfleisch. Das Ganze klingt ein bisschen naiv, aber wir haben lizenzierte Schiedsrichter, einen Sicherheits- und einen Sanitätsdienst da. In den 23 Jahren haben diese Turniere viel Freude bewirkt und dazu beigetragen, die Feindseligkeit in der Stadt anhand von Hautfarbe oder Herkunft zu reduzieren.

Wie viele Veranstaltungen jährlich machen Sie?

Das hängt von der Finanzierung ab. Der Ausländerbeirat hat ein Veranstaltungsbudget, das flankiert zwei, drei, vier Turniere im Jahr. Manchmal geben auch Parteien oder der Oberbürgermeister Geld, und Getränkehändler oder ein Geschäft spendet etwas. Für 2014 habe ich sieben Turniere im Kalender, aber wir brauchen auch das Geld und die Spenden dafür. Wir haben zehn, zwölf oder mehr Mannschaften, manche haben 30, 40 Kilometer Anreise und kein Auto, die müssten wir eigentlich bezuschussen. Außerdem will ich, dass Männer, Frauen und Jugendliche nicht nur ein schönes Turnier haben, sondern auch eine Erinnerung mitnehmen können, ein Stift, eine Mütze oder sonst etwas.

Interview: Nicolas Richter

 


  • Bundespräsident Joachim Gauck überreicht Jose Paca das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. (Quelle: dpa)
    Bundespräsident Joachim Gauck überreicht Jose Paca das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. (Quelle: dpa)