Ethnische Sportvereine sind in der Integrationsarbeit nicht unumstritten. Das Programm „Integration durch Sport“ hat sich in einer Expertise umgehend mit diesem Thema beschäftigt und unterstützt die Gründung und Begleitung von ethnischen Sportvereinen.
In dem Modellprojekt „Stärkung und Aufbau von Integrationssportvereinen“ haben sich die „Integration durch Sport“ – Landeskoordinationen der Sportjugend Brandenburg und des Landessportbundes Sachsen zusammengeschlossen, um erstmalig ethnische Gruppen wie den FC Mohajer Leipzig bei der Vereinsgründung und der Integration in das deutsche Sportsystem zu begleiten. Dabei liegt der Fokus der Begleitung immer darauf, den Gruppen nicht zu erklären „wie es geht“, sondern auf Augenhöhe Formen und Strukturen zu erarbeiten, die eine Integration in das lokale Sportsystem ermöglicht und gleichzeitig die Eigenheiten der ethnischen Integrationssportvereine zu respektieren.
Mit der engen Begleitung von ethnischen Vereinen greift der Landessportbund Sachsen ein recht neues Handlungsfeld auf. Anders als in den westdeutschen Bundesländern gibt es bisher nur sehr vereinzelt eigenständige Migrantensportvereine. Finanziert wird das Modellprojekt durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlingen (BAMF) und den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).
Was sind ethnische Sportvereine überhaupt? Ethnische Sportverein beziehungsweise Migrantensportvereine sind Sportvereine, deren Mitglieder zum Großteil einen Migrationshintergrund haben, die maßgeblich von Personen mit Migrationshintergrund organisiert werden und die in Selbstbild und Außenwahrnehmung mit dem Migrationshintergrund der Mitglieder in Zusammenhang stehen.
Das heutige Einheitssportsystem der Bundesrepublik beruht auf dem Grundanspruch auf weltanschauliche Neutralität und Offenheit für alle Gesellschaftsteile. Dennoch wird akzeptiert, dass bei manchen deutschen Sportvereinen konfessionelle und politische Traditionslinien nachwirken. Religiös definierte Sportverbände, wie der christlich-ökumenische CVJM, der katholische DJK-Sportverband und das jüdische Makkabi Deutschland gehören dem DOSB sogar als Sportverbände mit besonderen Aufgaben an, ohne dass dies problematisch oder umstritten wäre. Grundsätzlich sind Sportvereine, die von einzelnen Bevölkerungsgruppen getragen werden, also keineswegs systemwidrig für den bundesdeutschen Sport, sofern sie die Grundsätze des DOSB und seiner Mitgliedsverbände anerkennen. (aus Prof. Dr. Silvester Stahl: Expertise - Migrantensportvereine als Partner der Integrations- und Verbandsarbeit)
Wer steckt hinter dem FC Mohajer Leipzig? Eine Gruppe von etwa 25 jungen Erwachsenen, wovon der Großteil ursprünglich aus Afghanistan kommt und der ehrenamtlich Engagierte Fabian Williges, der die Gruppe auf dem Weg zum organisierten Sport begleitet, wenden sich im Spätsommer 2020 an die Programmleitung des Programms „Integration durch Sport“. Ziel war es, durch die Gründung eines eigenen Vereins Teil des organisierten Sports zu werden. Sattar Karimi (26), der die Mannschaft begründete und heute Vorstandsvorsitzender ist, sagt dazu: "Ich möchte jungen Afghanen die Möglichkeit geben, miteinander Sport zu treiben und gemeinsam Spaß zu haben. "Dies wurde Ende 2020 durch den Eintrag in das Vereinsregister der Stadt Leipzig erreicht.
Momentan besteht der Verein überwiegend aus Fußballern. Mohammad Mirzaiy (20), Kapitän der Mannschaft, der in Leipzig bereits ein eigenes Bistro mit afghanischen Speisen betreibt: "In Afghanistan gibt es drei wichtige Sportarten - Cricket, Buzkaschi und Fußball. Aber Fußball ist der einzige Sport davon, der auch in Deutschland ernsthaft betrieben wird."
Für Fabian Williges (48), Vorstandsmitglied und Fotograf des Teams steht neben dem Sport noch etwas Anderes im Vordergrund: "Ich erlebe den FC Mohajer in drei wichtigen Funktionen - als Fußballmannschaft, als Selbsthilfegruppe und als Heimatverein. Alle drei Funktionen sind wichtig. Gemeinsam bestimmen sie den Charakter des Vereins."
Aus der Präambel des Vereins und den Vorstandsgesprächen wird deutlich, dass sich der Verein auch für Menschen anderer Herkunft und anderen Sportarten öffnen möchte. Geplant sind u. a. die Anmeldung einer Herrenmannschaft in der Stadtklasse Leipzig, eine intensivere Zusammenarbeit mit dem Stadtsportbund Leipzig, Qualifizierung von Trainern etc. Auftretende Probleme im Verein, wie z. B. interkulturelle Konflikte, Widerstände aus dem Umfeld, rechtsextremistische Anfeindungen Finanzierungsschwierigkeiten, sollen durch „Integration durch Sport“ begleitet werden.
Der Vorstand des Vereins bedauert derzeit, dass aufgrund der Pandemie noch keine neuen Mitglieder*innen akquiriert werden konnten bzw. noch keine Mitgliedsversammlung abgehalten werden konnte. Aus diesem Grund konnte der Verein noch keinen geregelten Trainings- oder Spielbetrieb aufnehmen. Hinzu kommt, dass der Verein keine eigene Sportanlage besitzt und diese dringend sucht.
Alle hoffen nun auf einen frischen Start nach der Covid-19-Pandemie. Der Vorstand und die Spieler sind hochmotiviert und freuen sich auf die neuen Aufgaben und Erlebnisse. Das Programm „Integration durch Sport“ wird den Verein weiter begleiten und regelmäßig berichten.
