„Im Sport geht es nicht nur um Sieg und Niederlage“

Oliver Bierhoff im Interview - Thema des Monats April 2010.

Das Thema Integration ist eines der Wichtigsten für die Zukunft in Deutschland – Oliver Bierhoff (Quelle: Barbara Konarska)
Das Thema Integration ist eines der Wichtigsten für die Zukunft in Deutschland – Oliver Bierhoff (Quelle: Barbara Konarska)

Oliver Bierhoff, Manager der deutschen Fußballnationalmannschaft, ist Schirmherr des DFB- und Mercedes-Benz-Integrationspreises 2009. Im Interview spricht er über seine Beweggründe, sich im Themenfeld der Integration zu beteiligen und darüber, wie es für ihn war, als Spieler im europäischen Ausland zu leben und sich in einer anderen Kultur zurechtzufinden.

Welche Bedeutung messen Sie dem Sport für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Gesellschaft bei?

Diese Bedeutung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Durch Aktivität, Wettbewerb und Spaß werden Vorurteile und Angst überwunden. Sowohl bei großen Sportveranstaltungen als auch beim Freizeitsport beobachte ich immer wieder, wie friedlich die Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und Kulturen miteinander umgehen.

Was waren Ihre Beweggründe sich im Themenfeld der „Integration“ aktiv zu beteiligen?

Das Thema Integration ist eines der Wichtigsten für die Zukunft in Deutschland und in der Welt. Wir müssen Menschen mit Migrationshintergrund in unsere Gesellschaft einbinden. Wir werden immer globaler. Darauf gilt es sich einzustellen. Die Bevölkerungsentwicklung zeigt dies deutlich.
Aus meiner Sicht als Manager der Nationalmannschaft kann ich nur sagen: Stellen sie sich unsere DFB-Auswahl ohne Spieler mit Migrationshintergrund vor. Der Fußball ist auch eine Spiegelung der Gesellschaft. Wenn wir von den jungen Spielern sprechen, dann steht das sinnbildlich auch für alle anderen jungen Menschen mit all ihren Probleme, Wünschen und Zielen. Der Fußball ist keine Insel der Glückseligen.

In der Kategorie „Vereine“ hat mit dem BV Altenessen 06 ein Stützpunktverein des Programms „Integration durch Sport“ gewonnen. Was hat den Ausschlag für diese Bewerbung gegeben?

Es sind sehr viele gute Bewerbungen eingegangen. Das hat uns gefreut, denn der DFB und sein Partner Mercedes Benz möchten mit dem Preis den Vereinen Mut machen und Anerkennung aussprechen für die, die sich engagieren. Beim BV Altenessen wurde mit viel Einsatz ein Netzwerk geschaffen, um vorbildliche Integrationsarbeit zu leisten und insbesondere den Mädchenfußball zu fördern.

Sie selbst haben jahrelang im Ausland Fußball gespielt, die meiste Zeit in den italienischen Profiligen. Wie war es, sich in einer anderen Kultur zurechtfinden zu müssen und welche Erfahrungen und Erkenntnisse haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?

Ich habe auch die andere Seite gesehen und weiß wie es ist, wenn man in einem fremden Land lebt. Man ist Vorurteilen ausgesetzt und nicht selten in einer Art Erklärungsnot oder Verteidigungsrolle. Auch gibt es immer wieder Momente, in denen die Kultur des anderen Landes ungewohnt sind und skeptisch werden lassen. Da besteht schnell die Gefahr, dass man sich aus Bequemlichkeit mit Gleichen gesellt.
Wenn Migranten in Deutschland innerhalb ihres Kulturkreises bleiben, kann ich das ein bisschen verstehen und nachvollziehen. Diesen Menschen muss man aber Mut machen, aus ihrer aufgebauten eigenen Welt herauszukommen und sich zu öffnen. Für mich war es damals in Italien unheimlich wichtig, die Sprache zu lernen und natürlich immer wieder den Schritt auf die Einheimischen zuzugehen. Das war auf der einen Seite sehr leicht, weil die Italiener sehr offen sind. Auf der anderen Seite wurde es mir manchmal ein bisschen zu viel, weil ich von den Gesprächen nicht alles verstanden habe und hin und wieder auch Sehnsucht nach der Heimat hatte.

Wie bewerten Sie die Integrationsaktivitäten des bundesweiten Programms „Integration durch Sport“ des Deutschen Olympischen Sportbundes?

Neben der Förderung des Spitzensports und dem Engagement für den Breitensport, hat ein Sportverband vor allem eine gesellschaftliche Funktion. Dazu gehören in der heutigen Zeit zwingend die Themenfelder Integration und Bildung. Deswegen begrüße ich es, dass der Deutsche Olympische Sportbund solche Programme startet und deutlich macht, dass dies eine Priorität auf der Agenda einnimmt und von den Verantwortlichen angegangen wird.

Was machen Sie am 11. Juli 2010?
 
Da werde ich hoffentlich tagsüber sehr angespannt sein und abends, nach dem WM-Endspiel, freudig mit unseren Trainern und Spielern, dem Präsidenten und dem Generalsekretär den Weltmeistertitel feiern.

Aber auch bei der Fußball-Weltmeisterschaft wird es wichtig sein, dass wir uns nicht nur den sportlichen Erfolg als Ziel setzen, sondern uns auch als Mannschaft und Nation gut präsentieren – sowohl auf wie auch außerhalb des Platzes. Wir wollen zeigen, dass der Sport nicht nur Wettkampf ist, er eine weitaus höhere Bedeutung hat als die Reduzierung auf Sieg und Niederlage.


  • Das Thema Integration ist eines der Wichtigsten für die Zukunft in Deutschland – Oliver Bierhoff (Quelle: Barbara Konarska)
    Das Thema Integration ist eines der Wichtigsten für die Zukunft in Deutschland – Oliver Bierhoff (Quelle: Barbara Konarska)