„Integration gemeinsam schaffen“ – Interview von Dr. Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages

Dr. Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages
Dr. Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages

Welche Aufgaben erfüllt der Deutsche Städtetag , den Sie als Geschäftsführendes Präsidialmitglied leiten?

„Der Deutsche Städtetag ist die Vereinigung der Städte. Als größter kommunaler Spitzenverband vertritt er rund 4300 Städte und Gemeinden mit insgesamt 51 Millionen Einwohnern. Zu seinen unmittelbaren Mitgliedern gehören unter anderem die kreisfreien Städte sowie die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg. Wir nehmen die Interessen der Städte gegenüber Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat, Europäischer Union und zahlreichen Organisationen wahr. Wir engagieren uns dafür, dass die kommunale Selbstverwaltung geachtet wird und Spielraum für eine gestaltende Politik hat. Außerdem unterstützt der Deutsche Städtetag den Erfahrungsaustausch der Städte untereinander in vielen fachlichen Bereichen.“

Was unternimmt der Deutsche Städtetag, um die rund 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in die Gesellschaft zu integrieren?

„Integration ist eine Zukunftsfrage für das Zusammenleben in unseren Städten. Etwa die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland lebt in Ballungsgebieten. Besonders hier können Konflikte zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen entstehen, und deshalb müssen hier Lösungen für ein friedliches Zusammenleben entwickelt werden. In Städten entscheidet sich, ob Integration gelingt oder scheitert. Nicht erst seit seiner Hauptversammlung im Jahr 2007 unter dem Titel ‚Städte schaffen Integration’ widmet sich der Deutsche Städtetag intensiv diesem Thema. Es gilt, allen Gruppen unserer Gesellschaft die gleichberechtigte Teilhabe an allen Lebensbereichen zu ermöglichen und damit Integration in sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht zu fördern. Dies gilt für Migranten genauso wie für die unterschiedlichen Lebenswelten alter und junger Menschen, armer und reicher, von Menschen mit und ohne Behinderungen.

Mit der Broschüre unter dem Titel ‚Integration von Zuwanderern. Erfahrungen und Anregungen aus der Praxis in den Städten’ hat der  Deutsche Städtetag gute Beispiele aus seinen Mitgliedsstädten zusammengetragen und gleichzeitig Empfehlungen für die kommunale Integrationspolitik formuliert. Es handelt sich um eine kleine Auswahl von guten Aktivitäten, von denen es zahlreiche weitere auch in anderen Städten gibt.“

Die vom Deutschen Städtetag unterstützte Initiative „Integration gemeinsam schaffen“ möchte ein breites Bündnis von Engagierten sein, die sich für Integration einsetzen. Welche Ziele verfolgen Sie mit der Initiative?

„Ziel der Initiative ist es, ein gutes Zusammenleben von muslimischen und nicht-muslimischen Menschen zu unterstützen. Dabei tritt die Initiative Diskriminierung und Extremismus in allen Erscheinungsformen entgegen. Menschen mit Zuwanderungsgeschichte haben ein großes Potenzial. Das möchten wir mit dem Aktionsbündnis in der Öffentlichkeit sichtbar machen.“

Was ist das Besondere an der Initiative?

„Die Initiative stellt eine außergewöhnliche Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und religiös geprägten Organisationen (DITIB, KCID) dar. Durch diese Zusammenarbeit haben wir die Möglichkeit, viele Menschen muslimischen Glaubens außerhalb ihrer Religion auch für eine kulturelle Integration zu gewinnen. Wir hoffen, dass es unserer Initiative gelingt, mehr Begegnungen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland zu schaffen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, gemeinsame Werte und Einstellungen kennen zu lernen.“

Welche Projekte werden in den nächsten Monaten im Rahmen der Initiative angestrebt?

„Die diesjährige Aktionswoche ist Mitte Mai sehr erfolgreich zu Ende gegangen. Insgesamt haben sich über 70 Veranstalter aus rund 25 Städten mit den unterschiedlichsten Themen beteiligt. Das Programm reichte von Theateraufführungen über Sportveranstaltungen bis hin zu religiösen Diskursen. Bei unserem Plakatwettbewerb zum Thema ‚Integration’ haben über 400 Kinder unter 18 Jahren mitgemacht und eindrucksvoll dargestellt, wie sie das Zusammenleben mit anderen Kindern aus anderen Kulturkreisen erleben. Diesen Schwung greifen wir nun auf, um unser Projektjahr 2010 vorzubereiten. Auch im nächsten Jahr werden wir einen Wettbewerb ausschreiben und die Gewinnerinnen und Gewinner im Rahmen unserer Festveranstaltung ehren. Das wird dann gleichzeitig auch Start der Aktionswoche 2010 sein.“

Welche Rolle messen Sie dem Sport bei der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund zu?

„Viele Kommunen engagieren sich schon seit langer Zeit, um Menschen mit Migrationshintergrund besser am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Sport ist ein Weg dafür. In Sportvereinen lernen sich beispielsweise Kinder verschiedener Nationalitäten und aus verschiedenen sozialen Schichten kennen, erleben Gemeinschaft und erfahren, was es heißt, ein Team zu bilden. Der Sport leistet für die Integration im Rahmen seiner Möglichkeiten wertvolle Beiträge. Aber auch der Sport und die kommunale Sportpolitik müssen sich in Anbetracht der gesellschaftlichen Veränderungen mit gravierenden sozialen und kulturellen Wandlungsprozessen neu positionieren und sich offensiver als bisher diesen Herausforderungen stellen.“

Das Programm „Integration durch Sport“ des Deutschen Olympischen Sportbundes leistet seit vielen Jahren aktive Integrationsarbeit. Wo sehen Sie Kooperationsmöglichkeiten für die Initiative „Integration gemeinsam schaffen“?

„Es existieren zahlreiche Beispiele, wie die Kommunen das Programm des DOSB ‚Integration durch Sport’ unterstützen. Dies bezieht sich insbesondere auf die Förderung der sogenannten Stützpunktvereine. Wir haben dieses Thema in der Kooperationsvereinbarung zwischen DOSB und Deutschem Städtetag im Jahre 2008 als eines der herausragenden Handlungsfelder definiert. Viele der Integrationsziele werden insbesondere bei Kindern und Jugendlichen im Vereinsalltag wie selbstverständlich erreicht. Bei anderen Zielgruppen, zum Beispiel bei Frauen, Senioren und Menschen mit Migrationshintergrund fehlen noch gezielte Angebote. Hier sollte auch öffentliche Förderung und Unterstützung geleistet werden, wo immer es notwendig und möglich ist. Außerdem werden Kooperationen zwischen den Kommunen und den Vereinen ein immer wichtigeres Thema, um beispielsweise offene sportbezogene Jugendangebote in den Städten und Gemeinden zu gestalten.“

Was erwarten Sie vom organisierten Sport für gemeinsame Projekte?

„Gerade im schwierigen Feld der Integration geht es nicht ohne ehrenamtliche Unterstützung. Die Aktivitäten der vielen Sportvereine in den Kommunen sind gelungene Beispiele für projektbezogenes Engagement. Hier kann die Kommune  die Selbstorganisation und Pflege von Netzwerken unterstützen und Mittler für neue Projekte sein. Kommunalpolitik und Verwaltung sind aufgefordert, die konzeptionelle und operative Arbeit so zu strukturieren, dass alle relevanten Akteure eingebunden und konsultiert werden. Gerade im Bereich des Sports gibt es hervorragende Beispiele, wie die durch die Städte unterstützten Vereine Integrationsaufgaben für die Gesellschaft aufgegriffen haben. Im Wettbewerb ‚Sterne des Sports’ – an dem der Deutsche Städtetag intensiv beteiligt ist – werden solche Bemühungen auch öffentlich gemacht und anerkannt.“

 


  • Dr. Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages
    Dr. Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages