„Integration ist mir ein wichtiges Anliegen“

Der 1. FFV Erfurt ist seit Jahresbeginn Anerkannter Stützpunktverein

Foto: Johanna Seidenbecher
Nadine Kuhn, von allen aufgrund ihres Markenzeichens auf dem Kopf nur „Mütze“ genannt. Foto: Johanna Seidenbecher

Dichtes Gewusel herrscht auf dem Fußballfeld des Johannesplatzes in Erfurt. Mittendrin: Nadine Kuhn, von allen aufgrund ihres Markenzeichens auf dem Kopf nur „Mütze“ genannt. Die 41-Jährige ist seit 2018 Vereinsvorsitzende des 1. Frauenfußballvereins (FFV) Erfurt, zudem trainiert sie die Vereinsjugend und spielt selbst noch in der 3. Frauenmannschaft. Seit kurzem hat sie einen weiteren Ehrenamtstitel – sie ist Integrationsbeauftragte des Vereins.

Seit Beginn des Jahres gehört der 1. FFV Erfurt zu den insgesamt 64 „Anerkannten Stützpunktvereinen“ im Programm „Integration durch Sport“ des Landessportbundes Thüringen, gefördert durch Mittel des Bundesinnenministeriums. Dass der Verein die Kriterien zur Anerkennung erfüllt, war auch Nadine Kuhn zunächst nicht klar. Im Gespräch mit Programmmitarbeiterin Jana Conrad berichtete sie eher zufällig über die Vereinsaktivitäten. Schnell stellte sich heraus, dass der Verein den Status als „Anerkannter Stützpunktverein“ verdient hat. Rund zehn Prozent der Mitglieder beim 1. FFV Erfurt haben Migrationshintergrund. Und auch beim Thema Ehrenamt kann sich Nadine Kuhn über internationale Unterstützung freuen. Seit August 2021 trainiert der 19-jährige Syrier Saady Essa mit ihr die Jugend, im Mai kam Oksana Rak dazu. Die 27-Jährige hat bereits mehrere Jahre in der Nähe von Saporischschja zwei Mädchenteams trainiert, ehe sie vor dem Krieg aus der Ukraine mithilfe des Erfurter Sportvereins „Spirit of Football“ nach Deutschland geflohen ist.

Durch einen Facebook-Post, bei dem der 1. FFV Erfurt durch das Zeigen einer Ukraine-Flagge Solidarität mit den Menschen in der Ukraine bekundete, kam der Kontakt mit ihr zustande. Rak sah die Aktion, nahm Kontakt auf – schnell fand man zusammen. Seither unterstützt auch sie das Training. Gemeinsam mit Saady Essa nahm sie jüngst an der Übungsleiter-C-Ausbildung für Geflüchtete teil, die der LSB Thüringen im Rahmen des Projekts „Willkommen im Sport“ in den letzten Wochen mit insgesamt neun Teilnehmenden durchgeführt hat.

Einst unter der heutigen Bundestrainerin gespielt
Dort als Referentin im Einsatz war auch Nadine Kuhn. Die gebürtige Moerserin ist einst aus Nordrhein-Westfalen nach Thüringen gekommen, um an der damaligen Sportakademie des LSB Thüringen eine Sportassistenten-Ausbildung zu absolvieren. Danach ist sie Thüringen treu geblieben, hat sich nach ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr beim 1. FFC Saalfeld zunächst dort ehrenamtlich sechs Jahre lang eingebracht, ehe sie nach Erfurt gezogen und zum 1. FFV Erfurt gewechselt ist. Drei Mal pro Woche steht sie montags, mittwochs und freitags von 16.45 bis 18.15 Uhr auf dem Platz und gibt ihre Erfahrungen weiter. Selbst hat „Mütze“ erst mit 14 Jahren angefangen Fußball zu spielen, doch Erfolge stellten sich schnell ein. Mit 16 war sie bereits Teil der Niederrhein-Auswahl – Trainerin damals war keine geringere als die heutige Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, einst auch beim USV Jena als Erstliga-Trainerin aktiv.

„In unserem Nachwuchs kommt was Gutes ran. Ich bin mit unserer Vereinsentwicklung ganz zufrieden“, erklärt Kuhn, deren Verein sich als Sprungbrett für junge Spielerinnen versteht. Die erste Frauenmannschaft möchte sich weiter in der Regionalliga etablieren und vielleicht in zwei, drei Jahren Richtung Aufstieg schielen. Doch zunächst gehe es darum, den Frauenfußball in der Landeshauptstadt weiter zu etablieren. Von einem etwaigen Aufschwung durch die erfolgreiche Frauenfußball-Europameisterschaft spürt sie nicht direkt etwas, zu Heimspielen der ersten Frauenmannschaft in der Regionalliga kommen oft nur 30 bis 40 Personen.

Besser sieht der Zulauf im Nachwuchsbereich aus, wo immer wieder junge Mädels den Weg zum Fußball finden. „Der 1. FFV Erfurt steht für Vielfalt. Jede*r, die*der Fußball spielen oder sich engagieren möchte, findet einen Platz bei uns“, sagt Kuhn, die hauptberuflich als Sonderpädagogische Fachkraft in einem Förderzentrum in Erfurt arbeitet und im Schulalltag regelmäßig auch mit Rassismus zu tun hat. „Da wirke ich natürlich entsprechend ein. Integration ist ein wichtiges Anliegen. Ich würde mich freuen, wenn sich durch den Status des Stützpunktvereins noch mehr Mädchen mit Migrationshintergrund überwinden den Weg zu uns in den Verein zu finden“, so Kuhn.


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    Nadine Kuhn, von allen aufgrund ihres Markenzeichens auf dem Kopf nur „Mütze“ genannt. Foto: Johanna Seidenbecher
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    Seit August 2021 trainiert der 19-jährige Syrier Saady Essa mit Nadine Kuhn die Jugendmannschaft. Foto: Johanna Seidenbecher
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    Im Mai kam Oksana Rak als Übungsleiterin dazu. Foto: Johanna Seidenbecher