„Integrationsarbeit wird noch zu wenig wahrgenommen“ – MdB Winfried Hermann fordert mehr Unterstützung für Integration durch Sport

Winfried Hermann, Sportpolitischer Sprecher der Bündnis 90 / Grünen
Winfried Hermann, Sportpolitischer Sprecher der Bündnis 90 / Grünen

Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ist nicht allein Aufgabe des Sports und soziokultureller Integrationsinitiativen. Sportpolitische Maßnahmen sind gefragt, sei es durch die Förderung von Integrationsprojekten oder das Anschieben von kreativen Ideen auf verschiedensten Ebenen der Integration. Der nationale Integrationsplan ist ein erster Schritt. Winfried Hermann, sportpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied des Bundestages, sieht im Programm Integration durch Sport eine echte Chance für gelungene Integration und fordert mehr Unterstützung der Bundesregierung. Kreative Ideen dürfen nicht nur alleine vom Sport kommen. In einem Interview spricht der Oppositionspolitiker über die sportpolitische Tragweite von Integration durch Sport.
 

Herr Hermann, in zahlreichen Sportvereinen wird Integration gelebt. Sie fordern die Bundesregierung auf, vor allem mehr für den Breitensport zu tun. Wie kann das in Bezug auf die Integrationsarbeit der Vereine aussehen?

Winfried Hermann: „Die Mittel für Integrationskurse im Sportbereich sind seit Jahren auf rund sechs Millionen Euro im Jahr beschränkt. Das ist einfach verdammt wenig für so ein großes Land mit so großen Integrationsproblemen. Alle loben die erfolgreichen Sportintegrationsprojekte, aber mehr Mittel will man nicht zur Verfügung stellen. Integrationsarbeit bleibt somit längerfristig auf der Strecke. Die Folgen sind sind jetzt schon zu spüren. Man erlebt immer wieder gescheiterte Integration, selbst bei der jüngsten Generation von Menschen mit Migrationshintergrund. Die Perspektiven durch die Angebote von Sportvereinen werden meist nicht wahrgenommen oder angenommen. Jugendliche nutzen so keine Integrationsangebote und gestalten dann ihre Freizeit auf andere Art und Weise. So werden von der Politik Integrationschancen verspielt.“

Bei den Olympischen Spielen haben auch einige deutsche Medaillengewinner mit Migrationshintergrund erfolgreich präsentiert und sind stolz für Deutschland eine Medaille gewonnen zu haben, ein Zeichen für gelungene Integration durch Sport. Wie können diese positiven Beispiele in die Integrationsarbeit in Deutschland noch besser eingebunden werden?

 

Winfried Hermann: „Bei den Olympioniken mit Migrationshintergrund, die erfolgreich für Deutschland in Peking an den Start waren, kann man Integration durch Sport erleben. Allerdings ist oft gar nicht bekannt welchen Weg die Sportler gegangen sind, wie sie ihre eigene Integration erlebt haben. Wichtig ist die mediale Vermittlung dieser Sportler/innen mit ihren Lebensläufen. So können sie Vorbilder für Jugendliche werden. Notwendig ist aber auch, dass die Verbände diese Erfolgssportler/innen in die Vereine und zu Fortbildungsveranstaltungen schicken, als lebendige Vorbilder. Denn Integration muss auch in der Breite geschehen, da passiert zu wenig.“

Sie kritisieren die Bundesregierung, dass sie keine selbständigen Initiativen im Sport in Gang setzt und sich nur daran orientiert was der Sport macht. Im Rahmen des nationalen Integrationsplans haben sich unter anderem der Deutsche Olympische Sportbund und die Politik an einen Tisch gesetzt. Welche konkreten Impulse von Seiten der Politik vermissen Sie?

Winfried Hermann: „Weder die politische Führung im Ministerium noch die Verwaltung haben neue Ideen. Das war doch nur eine geschlossene Veranstaltung, mehr nicht. Man müsste dann wenigstens Experten/innen und kreative Leute an einen Tisch holen und Ideen und Konzepte entwickeln lassen. Ich denke da an Spezialisten aus Kultur- und Sozialorganisationen, wie zum Beispiel Sozialpädagogen, die hautnahe Erfahrungen mit Menschen mit Migrationshintergrund haben. Auch Interessengruppen aus den verschiedensten Kultur- und Ausländerorganisation waren zu wenig vertreten. Das könnte Politik und Verwaltung inspirieren.“

 

Was kann die Politik aus den Erfahrungen des Programms Integration durch Sport für ihre politische Integrationsarbeit herausziehen?


Winfried Hermann: „Mit einem guten Medium wie Sport geht Integration leichter. Andere Medien und Kulturbereiche müssten für die Integrationsarbeit besser erschlossen und genutzt werden. Beispielsweise Tanz, Theater, Musik und alle Formen der neuen Medien. Solche Projekte entstehen selten von selbst, sie müssen professionell entwickelt, gefördert und begleitet werden. Politik und Sport müssen auf mehr Langfristigkeit setzen, wie zum Beispiel mit dem Programm Integration durch Sport. In der Gesellschaft wird Integrationsarbeit noch viel zu wenig wahrgenommen.“

 

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