„Jetzt ist die richtige Zeit zum Unterwegssein“

Wo ist sie? Mailand, Baku, Hamburg oder doch irgendwo in Polen? Volleyball-Star Margareta Kozuch wechselt oft: den Verein, das Land, ihren Aufenthaltsort. Gespräch mit einer Neugierigen.

Margareta Kozuch - Vollleyball-Nationalspielerin (Foto: Conny Kurth/DVV)
Margareta Kozuch - Vollleyball-Nationalspielerin (Foto: Conny Kurth/DVV)

Frau Kozuch, Sie spielen in Baku in Aserbaidschan, man erreicht Sie gerade in Italien und Hamburg ist Ihre Heimat. Wo fühlen Sie sich zuhause?

Margareta Kozuch: Seit ich Volleyballprofi bin und so viel unterwegs, fühle ich mich da zuhause, wo meine Liebsten sind, unabhängig vom Ort. Natürlich bin ich Hamburg verbunden, weil ich dort meine Kindheit bis zum Abi verbracht habe und meine Familie und Freunde dort leben. Aber ich habe auch vier Jahre in Italien gespielt, und hier in Mailand fühle ich mich auf eine Art auch zuhause.

Sie waren seit 2007 bei drei italienischen Vereinen aktiv, haben in Russland und Polen gespielt und letzte Saison für Azeryol Baku. Relativiert sich die Bedeutung von „Heimat“ und „Zuhause“ automatisch?

Ich würde es so sagen: Im Moment ist die richtige Zeit für mich, zu reisen und unterwegs zu sein. Ich bin relativ jung, da ist das okay. Wenn der Zeitpunkt kommt, an dem ich mir zum Beispiel eine Familie wünsche, wird sich das wahrscheinlich ändern und ich will an einem Ort zuhause sein.

Was gibt Ihnen dieses Unterwegssein zwischen Städten, Ländern und Kulturen?

Ich bin froh, so viele Sprachen kennenzulernen. Auch wenn ich sie nicht perfekt spreche, bekommt man dadurch immer ein Gefühl für ein Land und Zugang zu den Menschen. Überhaupt kann man durch Reisen sehr viel lernen, deshalb will ich das gern noch eine Weile tun.

Miss Volleyball ist überall

Vielleicht wird es Brasilien, endlich. Noch aber, sagt „Maggi“ Kozuch, ist völlig offen, was die deutsche „Volleyballerin des Jahres“ der Jahre 2010 bis 2013 nächste Saison macht. „Ich werde mit meinem Manager sprechen und dann sehen, wohin mein Weg führt.“ Seit 2007, als die gebürtige Hamburgerin vom TV Fischbek zu Unicom Starker Sassuolo in Italien ging, hat die 27-Jährige sechsmal den Verein gewechselt und fünfmal das Land. Die Außenangreiferin spielte 276 Mal für die deutsche Auswahl, mit der sie 2011 in Italien und Serbien – als Kozuch zur besten Angreiferin des Turniers gekürt wurde – und 2013 in Deutschland EM-Silber gewann. In Brasilien will sie einmal in ihrer Karriere gespielt haben.

 

Wie ist das mit der Sprache in Baku? Sie sprechen Russisch, aber doch wohl kein Aserbaidschanisch.

Den Zugang bekommt man trotzdem, durch die Mitspielerinnen aus dem Land. Ich habe in der Mannschaft Freundinnen, mit denen ich mich viel austausche darüber, was in Aserbaidschan typisch ist und was eher ungewöhnlich. Wobei wir im Team hauptsächlich Englisch sprechen, Aserbaidschanisch kann ich nur ein paar Wörter. Im Alltag reicht mein Russisch, um die Menschen zu verstehen und mich verständlich zu machen.

Im Sommer wechseln Sie vielleicht wieder das Land. Konnten Sie schon immer gut loslassen?

Ich würde mich nicht als jemanden bezeichnen, der gut loslassen kann. Aber ich mag es, neue Erfahrungen zu machen. Und wenn man oft wechselt und jedes Jahr ein Abschied und ein neuer Anfang anstehen, lernt man sich besser kennen und damit umzugehen.

Die Situation ist vertraut, jedenfalls im Prinzip?

Ja. Wenn ich mit Freundinnen spreche, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, ist  meistens das erste Jahr im Ausland am schwierigsten. Bei mir war das eher die Saison in Russland, weil ich da keinen Bezug zur Mentalität bekommen habe. Aber mein erstes Jahr in Italien war definitiv auch nicht leicht. Weg von zuhause, eine fremde Sprache, neue Probleme und Menschen: Da muss man erst mal schauen, wie man das hinbekommt. Aber irgendwann hat man das Meiste schon erlebt.

Aufbruch wegen Tschernobyl

Ihre Eltern sind 1986 aus Polen nach Deutschland gekommen. Was war der Grund?

Der Hauptgrund war die Tschernobyl-Explosion. Meine Mutter war damals mit mir schwanger und Deutschland lag weiter weg von der Ukraine, die Lebensvoraussetzungen waren besser. Die erste Zeit war dann nicht leicht für meine Eltern, weil sie die Sprache lernen, sich einfinden mussten und zugleich die Familie ernähren – ich habe ja zwei ältere Schwestern, die noch in Polen aufgewachsen sind. Zum Glück sprach meine Oma Deutsch, das hat sehr geholfen damals.

Die Familie aus Polen, Sie selbst nicht: Wie ist Ihr Verhältnis zu dem Land?

Ich habe in Polen viel weniger Zeit verbracht als in Deutschland. Aber früher war ich – wenn ich kein Volleyball gespielt habe – die kompletten Sommer- und Herbstferien dort und ich habe mich dem Land jedes Mal sehr verbunden gefühlt. Das deutsch-polnische Verhältnis ist ja auf beiden Seiten ein großes Thema und ich finde es sehr interessant, mit beiden Erfahrung zu haben. Man stellt fest, dass man die gemeinsame Geschichte wirklich aus zwei Blickwinkeln sehen kann. Natürlich fragen mich auch viele Leute, wie ich mich fühle. Dann sage ich meistens „als Europäerin“. Das ist am einfachsten.

In Ihrer polnischen Saison haben sie in Sopot gespielt: Galten Sie dort als Deutsche oder als Polin?

Das war ganz unterschiedlich, oft war ich deutsche Polin oder polnische Deutsche. Offiziell habe ich als Polin gespielt, damit der Verein einen Ausländerplatz mehr hatte, das ging damals. Dementsprechend haben mich manche gefragt, warum ich für Deutschland spiele statt für Polen. Die Möglichkeit hätte ja bestanden, der polnische Nationaltrainer hatte mich angesprochen. Ich habe mich für die deutsche Mannschaft entschieden, weil ich mich mit den Mädels da so wohl fühlte.

Welchen Stellenwert hat Volleyball in Polen?

Der Sport wird dort gelebt! Wenn Sie in einem Taxi sitzen, kann es passieren, dass Ihnen der Fahrer von Volleyball erzählt und alle Nationalspielerinnen kennt. Und in den Hallen ist eine unglaubliche Atmosphäre. In Polen zu spielen ist Gänsehautfeeling pur. Bei der EM letztes Jahr habe ich das auch in Deutschland erlebt, zum ersten Mal. Es wäre toll, wenn das so bliebe und wir Polen irgendwann Konkurrenz machen könnten.

Hatte die Popularität des Sports in Polen irgendwie Einfluss darauf, dass Sie zum Volleyball gekommen sind?

Hm (überlegt). Ja und nein, würde ich sagen. Das wirkte insofern ein, als meine ganze Familie Volleyball spielte und oft gefragt wurde, ob die jüngste Tochter denn nicht auch wolle. Aber meine Eltern haben da keinerlei Druck gemacht, und ich habe lieber mit Ballett angefangen. Das war auch toll, aber irgendwann erzählte meine beste Grundschulfreundin, dass es eine neue Volleyballmannschaft gebe, ob ich nicht mal mitgehen wolle. Das habe ich gemacht und danach stellte sich keine Frage mehr.

Interview: Nicolas Richter


  • Margareta Kozuch - Vollleyball-Nationalspielerin (Foto: Conny Kurth/DVV)
    Margareta Kozuch - Vollleyball-Nationalspielerin (Foto: Conny Kurth/DVV)