"Kirche und organisierter Sport sind Partner" - Interview mit Bischof Wolfgang Huber

Bischof Wolfgang Huber betont im Interview die Gemeinsamkeiten von Sport und Kirche. "Der Sport hat seine Stärke darin, dass er Fairness Tag für Tag einübt; die Kirche hat ihre Stärke darin, dass sie zum Verstehen des anderen anleitet", so der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD). Bischof Wolfgang Huber kündigte auch in der Nachbetrachtung der Ausschreitungen in Frankreich im November den Ausbau bestehender Kooperationen in Sachen Integration an. Derzeit laufen entsprechende Gespräche mit dem Deutschen Städtetag und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

 

Bischof Wolfgang Huber (Foto: EKD)
Bischof Wolfgang Huber (Foto: EKD)

   Bischof Huber, das Jahr 2005 neigt sich dem Ende, die Erinnerungen an die Unruhen in Frankreich im November sind noch frisch. Die Ereignisse in unserem Nachbarland haben die Bedeutung einer vielschichtigen Integrationsarbeit wieder deutlich gemacht. Vor diesem Hintergrund stellen sich der Deutsche Sportbund und die Kirchen in Deutschland der zunehmenden Aufgabe der Integration von Zuwanderern in die Gesellschaft. Wo sehen Sie dabei künftig die Schwerpunkte?

 

Bischof Wolfgang Huber: Wichtig ist, dass die Kirchengemeinden sich als lebensgestaltender Faktor vor Ort aktiv für Integration einsetzen. Den Sportvereinen darin ähnlich, kommen sie direkt an die Menschen, besonders an die Jugendlichen, heran. In Kirchengemeinden und Sportvereinen können Jugendliche Gemeinschaft erleben. Ausländischen Jugendlichen kann dabei zum Beispiel auch die deutsche Sprache vermittelt werden.

 

Unter dem Eindruck der Ereignisse in Frankreich hat die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland am 10. November 2005 die Richtung betont, in der die Kirchen auch weiterhin tätig sein werden: "Als Kirche haben wir den Auftrag, in dieser Situation zu einer menschenfreundlichen Kultur beizutragen. Es darf nicht sein, dass ganze Gruppen von Menschen ausgegrenzt und der Perspektivlosigkeit überlassen werden. Angst und Chancenlosigkeit können jederzeit eine Quelle der Gewalt werden."

 

   Ist als eine Konsequenz der Ereignisse in Frankreich an eine Ausweitung von Aktionen wie der "Woche der ausländischen Mitbürger" gedacht ?

 

Bischof Wolfgang Huber: In den zurückliegenden Jahren hat sich die kirchliche Initiative der "Woche der ausländischen Mitbürger" durch die Kooperation mit vielen gesellschaftlichen, sozialen und staatlichen Organisationen, Gruppen und Verbänden zu einer weithin beachteten bürgerschaftlichen Gemeinschaftsaktion entwickelt. Nicht erst die Ereignisse in Frankreich haben den Entschluss befördert, bestehende Kooperationen auszubauen und neue Bündnispartner hinzuzugewinnen. Konkrete Vereinbarungen zur Zusammenarbeit stehen derzeit mit dem Deutschen Städtetag und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Aussicht.

 

   Gemeinschaftliche Anstrengungen von Kirchen und Sport bei der Integrationsarbeit spielen dabei künftig eine tragende Rolle. Können sie das an einem Beispiel auf lokaler Ebene konkretisieren?

 

Bischof Wolfgang Huber: Die Kooperation von Kirchengemeinden und Sportvereinen funktioniert seit langer Zeit vielfach hervorragend. Dazu tragen zum Beispiel die 40.000 aktiven Sportlerinnen und Sportler in den 900 CVJM-Gruppen oder den Eichenkreuz-Gruppen bei. Die Kontaktkommission Kirche und Sport erstellt derzeit eine "best practice"-Liste gemeinsamer Integrationsprojekte.

Auch die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) hat in Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland, dem Zentralrat der Muslime in Deutschland und der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) ein Projekt ins Leben gerufen, das unter dem Titel "Weißt Du, wer ich bin?" integrative Angebote fördert. Neben vielen anderen Ideen wird beispielsweise ein Fußballturnier zwischen muslimischen und christlichen Geistlichen und Jugendlichen organisiert, das im Vorlauf zur Fußball-WM im nächsten Jahr in Köln stattfinden soll.

 

 

   Wie können Kirche und Sport gemeinsam den Integrationsgedanken künftig noch wirksamer in die Schulen und Verein tragen?

 

Bischof Wolfgang Huber: Auch in dieser Frage sind Kirchen und organisierter Sport Partner. Denn sie müssen darauf drängen, dass Religions- und Sportunterricht im Schulalltag nicht weiter an den Rand gedrängt werden. In beiden Fächern geschieht Integrationsarbeit nämlich ganz praktisch und kann zusammen mit jungen Menschen umgesetzt werden. In der Ganztagsschule können außerdem integrative außerschulische Angebote hinzu treten. Darüber hinaus sollten Kirche und Sport aber gemeinsam darauf achten, dass auch beim Übergang zu Ganztagsschulangeboten auch Raum für die außerschulische Bildungsarbeit bleibt, die sie beide in großem Umfang leisten. Nur wenn genügend "Spielraum" im wörtlichen wie im übertragenen Sinn bleibt, können Kirche und Sport Jugendlichen außerschulische Angebote machen, die Integration ganz praktisch erlebbar machen: durch die Zugehörigkeit zur selben Mannschaft oder zur selben Jugendgruppe.

 

   Was können die Kirchen vom Sport bei der Integrationsarbeit lernen, und was der Sport von den Kirchen?

 

Bischof Wolfgang Huber: Der Sport hat seine besondere Stärke darin, dass er Fairness Tag für Tag einübt; die Kirche hat ihre Stärke darin, dass sie zum Verstehen des anderen anleitet, indem sie unterschiedliche religiöse Überzeugungen und kulturelle Prägungen thematisiert. Für gelingende Integration ist beides nötig. Wenn es darum geht, Menschen in unsere Gesellschaft zu integrieren und ein friedliches Miteinander einzuüben, sollten diese jeweiligen Stärken von Kirche und Sport zusammengefügt werden. Meine Hoffnung ist, dass die Bereitschaft dazu noch stärker wächst.

 

   Die Kirchen in Deutschland haben für die bessere Integrationsarbeit die „Woche der ausländischen Mitbürger" installiert. Können sie die Ziele dieser Initiative erläutern?

 

Bischof Wolfgang Huber: Diese Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, das öffentliche Bewusstsein für die vielfältigen Problemstellungen der Zuwanderung nach Deutschland zu schärfen. Es geht darum, staatliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen anzumahnen, die eine gleichberechtigte Eingliederung der Migranten in die soziale, wirtschaftliche und rechtliche Ordnung ermöglichen. In den Gottesdiensten, Aktionen und Veranstaltungen dieser Woche wird ein gutes Miteinander zwischen Migranten und Aufnahmegesellschaft eingeübt. Dadurch setzt die Interkulturelle Woche einen Impuls für ein Zusammenleben in Gerechtigkeit und Solidarität, in Frieden und Toleranz. In diesem Herbst jährte sich die Woche der ausländischen Mitbürger / Interkulturelle Woche, die gemeinsam von der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Deutschen Bischofskonferenz und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie getragen wird, übrigens bereits zum 30. Mal.


  • Bischof Wolfgang Huber (Foto: EKD)
    Bischof Wolfgang Huber (Foto: EKD)