Es wirkt wie einstudiert – ist aber Alltag auf der sonnenüberfluteten Anlage des Eimsbütteler Turnverbandes (ETV). „Hallo Mansur!“, ruft ein Junge Mansur Asadi zu, kaum, dass er ihn gesehen hat.
„Hallo Collin!“, ruft Mansur Asadi zurück. Es sind ihm bekannte Jungen und Mädchen hier auf der Kunstrasen-Anlage plus Beachvolleyballfeld, mitten im bunten und bei Familien beliebten Stadtteil im Hamburger Westen.
Denn seit September 2017 arbeitet der 30 Jahre alte Iraner als Platzwart des ETV. Sie kennen ihn vom Feld, dem Geräteraum, den Kabinen, und er kennt sie, weil die kleinen und größeren Vereinsmitglieder gern mal etwas liegen lassen, vergessen oder falsch zurückstellen. „Ja, ich muss auch schimpfen“, sagt Asadi lächelnd. Und natürlich hörten die Kinder dann auf ihn. Doch den strengen Hausmeister gibt er hier bestimmt nicht.
Denn für Mansur Asadi sind die Arbeitsstunden auf dem ETV-Platz mehr als ein Job. „Ohne Deutsch zu können, erreicht man hier nichts“, sagt er leise, aber sehr gut verständlich, „ich habe fünf Mal die Woche Deutschunterricht und gehe direkt danach zur Arbeit. Bei der Arbeit hier kannich reden und üben. Am besten ist für mich, dass ich mich einfach unter die deutschen Leute mischen kann und reden. Das wichtigste ist die Sprache.“
Er bekommt kein Geld für diesen Job, und viele seiner Freunde habe ihn deshalb schon überrascht angeschaut: Du tust es freiwillig, ohne Bezahlung? Ja, macht er.
Mansur Asadi ist einer von bundesweit über 3000 Geflüchteten im Programm Bundesfreiwilligendienst (BFD) mit Flüchtlingsbezug. Ziel des pädagogisch begleiteten Programms im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes ist es, vereinfachte Zugänge für Geflüchtete in freiwillige Engagements zu schaffen. In Hamburg organisiert die Hamburger Sportjugend den Einstieg ins Ehrenamt, die Jugendorganisation des Hamburger Sportbundes (HSB). „Es ist ein Konzept, das in der Realität sehr gut funktioniert“, sagt Ina Buck, Referentin für Freiwilligendienste der Hamburger Sportjugend.
Mansur Asadi floh vor 30 Monaten mit seinem Cousin aus Iran, weil er sich vom politischen Regime verfolgt fühlte. „Man darf dort seine Meinung nicht sagen“, sagt Mansur, der zuhause Krankenpfleger gelernt hat und seinem Vater in dessen Beruf als Hausmeister half. In Hamburg lernte er Claus Ehlbeck kennen, den „Mister Faustball“ des ETV. Zusammen mit iranischen Freunden probierte Mansur Asadi diese urdeutsche Sportart aus. Kostenfrei. Sie gefiel ihm, er blieb, nahm Freunde mit, und durch den Zustrom von Geflüchteten wurde die darbende Faustballabteilung des ETV wiederbelebt, erzählt Vereinsvorstand Frank Fechner. Sogar eine Mannschaft im Punktspielbetrieb gebe es seit neun Monaten nun wieder. Aus Iran kannte Mansur Asadi Faustball nicht. Dort hatte er Fußball gespielt. Aber er mag Faustball, hielt dem ETV die Treue und wurde hier zum BFDler, nachdem Faustballtrainer Ehlbeck ihn gefragt hatte, ob er freiwillig im ETV arbeiten wolle.
Mansur Asadi zur Seite steht Karen Nakamura, die Integrationsbeauftragte des Vereins. Sie hilft bei Behördengängen, Wohnungssuche und anderen Erledigungen des Alltags, die schon kompliziert genug sein können, wenn man hier geboren ist. Sie sagt: „Mansurs Vorgänger hat ein Praktikum gemacht, deutsch gelernt und eine Anstellung gefunden. Darauf waren wir stolz. Durch Mansurs Engagement werden weitere solche Engagements erwirkt. Das hat Vorbildcharakter.“ Interessiert hat Nils Annen (SPD) den Ausführungen gelauscht. Der Bundestagsabgeordnete ist aus Berlin in seinen Wahlkreis gekommen und sagt: „Wir müssten gerade in diesen Zeiten viel mehr öffentlich darüber sprechen, was alles gelungen ist. Die, die sich integrieren und engagieren wie Mansur Asadi, sind klar in der Mehrheit.“
Beim Blick zurück in seine Hamburger Anfangszeit merkt Mansur wohl selbst, wie weit er schon gekommen ist. Er sagt: „Ich hatte viel Angst, Kontakte zu Deutschen zu haben. Ich kann jetzt aber mit allen sprechen, alles sagen, ihnen antworten. Es sind so nette Leute im ETV. Es ist toll, wenn ich sehe, dass ein Deutscher lächelt, wenn er mit mir spricht, weil wir uns verstehen.“ Es hat ihm gutgetan, in der neuen Heimat nicht als Bittsteller aufzutreten, sondern als jemand, der etwas zurückgibt. Und zwar freiwillig.
Offenbar ist dieser Freiwilligendienst eine perfekte Integrationsmöglichkeit für Geflüchtete, vor allem über den Agenten Sprache. „Wenn du die Sprache kannst, kannst du durch alle Türen gehen“, sagt Mansur Asadi. Sein BFD als Platzwart des ETV endet in zwei Monaten. Er habe schon feste, bezahlte Jobs angeboten bekommen, erzählt er. Doch er wolle lieber eine Ausbildung machen, weiterkommen.
Und wenn man ihn um Rat fragt, was man denn tun könne in Sachen Integration, antwortet er: „Schön wäre, wenn es noch mehr Hilfe für Geflüchtete gebe. Nicht Geld oder so. Sondern reden, zuhören, Kontakte. Wenn die Deutschen einfach mithelfen, dass Geflüchtete aus dem Nichtstun rauskommen.“
(Autor: Frank Heike)