„Meine Eltern haben mich doll beeinflusst“

Eroll Zejnullahu ist 20 und hat's geschafft - Profifußballer zu werden. Ein Gespräch über eine Entwicklung, die im Flüchtlingswohnheim ihren Anfang nahm: auf den mobilen Soccer-Anlagen von Integration durch Sport.

Eroll Zejnullahu in Aktion.
Eroll Zejnullahu in Aktion.

Nach dem 3:1 des 1. FC Union Berlin gegen Sandhausen am 18. Oktober 2014, Halbzeitstand 0:1, war auf der Website des Berliner Fußball-Zweitligisten unter anderem Folgendes zu lesen: „Zu Beginn der zweiten Hälfte zeigte sich Union wesentlich stärker, auch weil sich die Hereinnahme von Eroll Zejnullahu deutlich belebend auf das Spiel der Eisernen auswirkte.“ Spätestens an jenem Tag – rund anderthalb Jahre nach seinem Zweitliga-Debüt, einen Tag vor seinem 20. Geburtstag – hatte Mittelfeldspieler Zejanullahu eine Entwicklung vollendet, von der so viele Großstadtjungs (und -mädchen) träumen: vom Straßen- zum Profifußballer. Der Flüchtling von einst ist ein Vorbild.

Eroll Zejnullahu wuchs im Kosovo auf. Ende des letzten Jahrtausends verließ seine Familie das kriegsgeplagte ex-jugoslawische Land und kam nach Berlin. In einem Wohnheim im Kornmandelweg lernte Eroll das Programm „Integration durch Sport“ (IdS) kennen: in Form von Angeboten wie der mobilen Soccer-Anlage und in Gestalt von Mitarbeitern wie Kristian Ringel. Vor einigen Wochen, über ein Jahrzehnt danach, kamen die beiden wieder zusammen (nebst einem PR-Mitarbeiter des Clubs), um sich über damals, über heute und über den Fußball zu unterhalten. Ein Interview, dessen ersten Teil wir an dieser Stelle schriftlich dokumentieren und das im Übrigen im Video links zum Anhören bereit steht.

Eroll, wir kennen uns noch gut von früher, du bist regelmäßig bei den Sport- und Freizeitangeboten von „Integration durch Sport“ dabei gewesen. An welche Angebote kannst du dich noch gut erinnern?

Ich kann mich noch sehr gut an den Straßenfußball-Court erinnern, den Ihr immer auf dem Parkplatz aufgebaut habt, die Spiele dort haben sehr viel Spaß gemacht. Ich weiß noch, wie ich einmal nicht mitspielen konnte, weil ich wegen einer Veranstaltung länger in der Schule bleiben musste. Ich habe dann zuhause richtig geweint und meine Mutter musste mich trösten. Aber auch die Fußballturniere, die Wochenendfreizeiten und die Schwimmausflüge ins BLUB (Berliner Luft- und Badeparadies, 2005 geschlossen, d. Red.) waren ganz toll.

Du warst damals beim Straßenfußball im Soccer-Court und den Fußballturnieren einer der Jüngsten und Kleinsten, hast aber immer bei den Größeren beziehungsweise Älteren mitgespielt. Denkst du, dass dir der Straßenfußball für dein jetziges Spiel zugute kommt?

Ich denke, das hat sehr viel zu meiner Technik beigetragen und dazu, den Überblick zu behalten. Wir habe da ja auf kleinem Raum gespielt und waren immer richtig viele, da musstest Du ständig sehen, wo die Mitspieler sind, wohin der Ball soll, oder Du musstest zwei, drei ausdribbeln. Du warst gezwungen, schnell zu entscheiden in Deinen Aktionen. Ich glaube schon, dass mein Spiel heute viel damit zu tun hat, dass ich auf der Straße gekickt habe.

Hat Dich das Straßenfußballprojekt auch in deiner Entscheidung beeinflusst, in einen Verein einzutreten - und welcher war dein erster „richtiger“ Fußballverein?

Beeinflusst hat mich das auf jeden Fall. Ich habe ja damals den Anruf von Euch bekommen – ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich war - dass ich zum 1. FC Internationale zum Probetraining kommen sollte. Da beginnt mehr oder weniger meine Fußballkarriere. Davor war ich mal bei Fortuna Biesdorf, beim Asylantenheim, damals hat mich immer ein Kumpel mitgenommen. Nach einiger Zeit habe ich da aber wieder aufgehört und zwei Jahre Pause gemacht. Erst nachdem Euer Anruf kam, war ich dann durchgängig im Verein, kam zum Stützpunkt Berlin und so. Von da an ging es dann Jahr für Jahr...

… steil bergauf.

(lacht) ja.

Wann hast du zum ersten Mal gedacht, dass aus Deinem Talent mehr zu machen wäre, dass Du vielleicht sogar Profi werden könntest?

Ehrlich gesagt, weiß ich das gar nicht genau. Als ich – in der A-Jugend, glaube ich - hier im Stadion mal beim Training von Union zugekuckt habe, dachte ich, ich brauche noch. Damals habe ich mir die ersten Gedanken gemacht, wann ich es da nach oben schaffe. Dass es dann so schnell geht, hätte ich nicht gedacht: von der A-Jugend direkt in die erste Männermannschaft. Davor war es immer mein Traum, Profi zu werden, aber ich stellte mir vor, dass ich das hoffentlich mit 22,23 irgendwann schaffe – mit 18, das war schon gut.

Deine Familie ist vor dem Krieg aus dem Kosovo geflüchtet. Hat dich dieses Schicksal insofern geprägt, als Du Dir gesagt hast: Ich will unbedingt etwas erreichen, ich will hart dafür arbeiten, ein guter Fußballer zu werden?

Das ist ein Riesenpunkt bei mir, der mich auch heute noch beeinflusst – das ändert sich nicht. Meine Eltern sind ja auch rübergeflüchtet und sie hatten beide studiert. Mein Vater hatte dort ein Firma, er hatte sich also einiges aufgebaut. Meine Mutter wurde gerade mit dem Studium fertig, als der Krieg begann – meine Eltern haben alles für sich aufgegeben, um uns Kindern alles zu geben; sei es Kleidung oder was auch immer. Das will ich ihnen irgendwann zurückgeben, es ist meine Motivation, Gas zu geben, egal was ist. Da haben mich meine Eltern doll beeinflusst, auch wenn Sie das vielleicht nicht wissen.

Was können Jugendliche machen, damit sie auch so erfolgreich werden wie du?

Was sollen sie machen? Immer am Ball bleiben, diszipliniert sein, würde ich sagen. Wenn man Fußball spielt, dann mit Spaß und Leidenschaft, finde ich, auch wenn man mal etwas schwierigere Zeiten hat - die hatte ich auch. Sich da rauszukämpfen, ist das Wichtigste, glaube ich. Bei mir war das so, dass ich auf dem Fußballplatz immer alles außenherum vergessen habe. Egal ob ich Probleme hatte, ich hatte Spaß. Ich finde, dass Fußballspielen etwas Großartiges ist, und Jungs aus anderen Ländern, die vielleicht mein Schicksal teilen, sollten nicht aufgeben und irgendeine andere Schiene fahren, sich nicht zu anderen Dingen verleiten lassen. Sie sollten einfach weitermachen.

In Berlin kann man sich zu vielem verleiten lassen.

So ist es.

Das komplette Interview können Sie im Video unter den Fotos oder hier anhören.

(Quelle: DOSB/Sportjugend Berlin / Das Interview führte Kristian Ringel, transskribiert von Nicolas Richter)


  • Eroll Zejnullahu in Aktion.
    Eroll Zejnullahu in Aktion.
  • Der 20-Jährige spielt seit 2012 bei Union Berlin. Fotos und Video-Bilder: union-foto.de/Hupe
    Der 20-Jährige spielt seit 2012 bei Union Berlin. Fotos und Video-Bilder: union-foto.de/Hupe