„Sport und Bildung als Einheit, das wird der Weg der Zukunft sein“

Karin Fehres sieht im Bildungsbereich große Herausforderungen für den Sport 


Seit dem 1. Dezember 2006 zeichnet Karin Fehres als hauptamtliche Sportdirektorin für den Bereich Sportentwicklung und Breitensport im DOSB verantwortlich. Im folgenden Interview zieht sie eine Zwischenbilanz ihrer Arbeit.


DOSB PRESSE:
Musste der Breitensport in diesem Jahr wegen der Olympischen Spiele in Peking etwas kürzer treten?

 

FEHRES: Olympische Spiele überstrahlen natürlich alles. Doch es nützt sicher auch dem Breitensport, wenn ein Sportereignis derart die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Vielleicht sollte man einmal analysieren, inwieweit olympische Erfolge unserer Sportler Auswirkungen auf Neuanmeldungen in den Vereinen haben. Bisher steht nur so viel fest: Nach sportlichen Großereignissen im eigenen Lande wie der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 oder nach Turnfesten steigen die Mitgliederzahlen an.

 

DOSB PRESSE: Sie sind zum 1. Dezember 2006 vom Chefsessel im Frankfurter Sportamt als Direktorin für Sportentwicklung/Breitensport zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gewechselt. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?

 

FEHRES: Zu Beginn war die Zeit natürlich von der Fusion geprägt und dem Entstehen eines völlig neuen Dachverbandes. Auch in meinem Geschäftsbereich gab es eine Fusion, indem die vorher mehr oder weniger miteinander verzahnten Ressorts für Breitensport, Bildung, Umwelt und Frauen zusammengelegt wurden. Zudem haben wir drei Themenfelder definiert - Sportstätten, Umwelt und Breitensport, Gesundheit und Prävention sowie Bildung, die in ihrer Arbeit jeweils auf vier spezielle Zielgruppen ausgerichtet sind: auf Menschen mit Migrationshintergrund, auf Frauen, Familien und Senioren. Man kann die breitensportlichen Themen nicht unabhängig von diesen Zielgruppen angehen. Es liegt doch auf der Hand, dass Gesundheitssport für Senioren anders aussehen muss als für Mütter mit Kindern.

 

DOSB PRESSE: Völlig neue Perspektiven scheinen die Ganztagsschulen zu eröffnen?

 

FEHRES: Jüngst bei der Bundeskonferenz  Sportentwicklung konnten wir erstmals auf großer Bühne unsere programmatischen und strategischen Neuansätze für die Entwicklung des Breitensports ausführlich darstellen. Ziel des DOSB ist die enge Verknüpfung von Breitensport mit Bildungsperspektiven. Sport und Bildung als Einheit, wie sie im Konzept der Ganztagsschulen zum Ausdruck kommt, hat ein riesiges Potential, und das wird der Weg der Zukunft sein. Indem Schulen und Vereine in diesem Bereich auf dieselben Ressourcen zurückgreifen - seien es die Turnhallen und Sportplätze, seien es die Sportlehrer, Übungsleiter oder Trainer -, wird das zu großen Veränderungen in der Vereinslandschaft führen. Das ist der Bereich in der Sport-entwicklung mit dem größten Zukunftspotential. Schon heute bereiten sich die Sportverbände gründlich auf diese Ära vor, indem sie z.B. gezielt Übungsleiter mit dem „Profil Ganztagsschule“ ausbilden. Sie sollen die Kooperation zwischen Schulen und Vereinen auf qualifizierte Füße stellen.

 

DOSB PRESSE: Damit dürften die Zeiten des üppig ausfallenden Sportunterrichts endlich ein Ende haben…

 
FEHRES: Schulsport-Arbeitsgemeinschaften und Vereinsangebote für Ganztagsschulen können und dürfen keinesfalls den Sportunterricht ersetzen. Aus dieser Verantwortung werden wir das staatliche Bildungssystem nicht entlassen, zumal es an den Schulen viele exzellent ausgebildete und versierte Sportlehrer gibt. Wünschenswert wäre allerdings, wenn das Ganztagsschul-Konzept präzise vorschreibt, in welchem Umfang der Sport dort vertreten sein.

 

Dass Sport und Bewegung die Konzentrationsfähigkeit erhöht und wichtige Impulse für die soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen setzt, ist unumstritten. Daher sollte es selbstverständlich sein, dass es für die Schulen eine Verpflichtung gibt, tägliche Bewegungseinheiten anzubieten. Wie schon gesagt, leider fehlen derart präzise Vorgaben bisher.

 

DOSB PRESSE: Was ist in Sachen Sportentwicklung/Breitensport von der DOSB-Mitgliederversammlung am 6. Dezember zu erwarten?

 

FEHRES: Den Delegierten wurde im Vorfeld in den Unterlagen ein Sieben-Punkte-Programm unterbreitet, das die wesentlichen Themen für die Zeit bis zur nächsten Wahlversammlung 2010 zusammenfasst. Für meinen Geschäftsbereich lautet einer der Schwerpunkte, im Zusammen-wirken mit den Landessportbünden und den Fachverbänden die Ausbildungsgänge in der verbandlichen Bildungsarbeit weiterzuentwickeln, um an der Basis noch  mehr Jugendleiter, Übungsleiter und Trainer für ihre Arbeit in den Vereinen zu qualifizieren. Das ist eine der entscheidenden Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Breiten- und Vereinssport in der Zukunft. Ein weiteres spezielles Augenmerk liegt darauf, demnächst mehr Frauen in den Sport zu bringen und überdies noch vor seinem 100. Geburtstag das „Deutsche Sportabzeichen“ auf wissenschaftlicher Basis zeitgemäß zu profilieren.

 

Weiterhin ist natürlich eine unserer wichtigsten Aufgaben, die Rahmenbedingungen für die Vereinsarbeit und für das hohe bürgerschaftliche Engagement möglichst optimal zu gestalten.

 

DOSB PRESSE: Wie soll das geschehen, denn als Dachverband ist der DOSB räumlich relativ weit weg vom klassischen Turn- und Sportverein in der Kleinstadt oder auf dem Land?

 

FEHRES: Unser Part besteht darin, alles zu beachten und zu beobachten und möglicherweise Einfluss darauf zu nehmen, was die Existenzbedingungen der Vereine  und des organisierten Sports berührt. Wenn etwa ein Ehrenamtsgesetz geändert wird, dann müssen wir natürlich darauf pochen, dass die Ehrenamtlichen im Sport berücksichtigt werden und sich die Spezifika des Sports in dem Gesetzestext niederschlagen. Dasselbe gilt ganz aktuell für die geplante Überarbeitung des Bundesumweltgesetzbuches.

 

Dabei müssen wir rechtzeitig darauf achten, welche Konsequenzen zum Beispiel für jene Sportarten damit verbunden sind, für die öffentliche Wälder oder Wiesen ein elementares Territorium ihres Sports sind.

 

Somit ist der DOSB als Anwalt des Breitensports in vielfältiger Weise eingebunden sowohl in politische Diskussionen als auch in Prozesse der Gesetzgebung oder nationale Initiativen. Zu nennen wären hier auch der nationale Integrationsplan, bei dem DOSB und Deutscher Fußball-Bund eine wichtige Rolle spielen, oder der vom Bundesgesundheitsministerium und vom Verbraucherschutzministerium ins Leben gerufene Aktionsplan „In Form“ zur gesunden Ernährung und Bewegung. Einbringen willen sich der Sport zudem in die bundesweite Initiative „Zivil-Engagement“.