SportKultur: Das Leben er-fahren

Was Fahrradfahren mit weiblicher Selbstbestimmung zu tun hat? Bei unserer Veranstaltung „SportKultur: Das Leben er-fahren!“ am 26. Oktober im Lichtmess-Kino in Altona beantworteten unsere Podiumsgäste diese Frage.

Bild: HSB
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Hamburg – Gänsehautmomente waren garantiert: Eine junge Frau aus Syrien berichtete gleich zu Beginn der Veranstaltung, warum sie in ihrem Heimatland nicht Fahrradfahren durfte und wie glücklich sie darüber ist, es hier in Hamburg als erwachsene Frau gelernt zu haben. Von den weiteren Gästen, den Organisator*innen der Kurse, erfuhren die Zuhörenden aus erster Hand, wie sich ein zweiwöchiger Intensivfahrradkurs auf eine erwachsene Frau auswirkt, die zum ersten Mal in ihrem Leben auf einem Fahrrad sitzt. Mit viel Feingefühl ermutigen die Trainer*innen die Frauen, selbstbestimmt den Moment zu wählen, wann zum ersten Mal beide Füße den Boden verlassen und die Frau tatsächlich „fährt“. Meistens findet dieser Moment am fünften oder sechsten Tag eines Kurses statt. Zuvor üben die Frauen auf Rollern oder Rädern mit niedriger Rahmenhöhe. Das selbstbestimmte Treffen einer Entscheidung und die neugewonnene Mobilität können bei den Frauen zu einem Zugewinn an Selbstvertrauen führen, was weitere Kreise nach sich ziehen kann: Mehr Mut zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Verwirklichung eines beruflichen Werdegangs, Selbstbewusstsein als Individuum im sozialen Konstrukt, und vieles mehr.

Ein Videoclip unseres Standortvereins der Spvgg. Billstedt-Horn als Einspieler verdeutlichte in emotionalen Bildern den Mehrwert der Kurse. Dieser wurde auch deutlich, als Moderatorin Rukiye Cankiran von FLAKS e.V., unserem Kooperationspartner der Veranstaltung, die Frage ans Publikum stellte: „Wer von euch kann Fahrradfahren? Bitte aufstehen!“ Und auch hier zeigte sich, dass es doch viele gibt, die es nicht können. Fahrradfahren ist keine Selbstverständlichkeit. Auch im Anschluss der Veranstaltung kamen einige Frauen auf die Programmmitarbeiter*innen „Integration durch Sport“ des Hamburger Sportbundes (HSB) zu und fragten ganz explizit nach Fahrradlernkursen. Zum Glück hatten wir vorgesorgt: An jedem Stuhl war ein HSB-Stoffbeutel platziert; mit diversen Informationsmaterialien zu den Kursen des HSB und FLAKS e.V. – über das gesamte Hamburger Stadtgebiet verteilt! Es müsste also für jeden etwas dabei sein. Es wäre bis hierher bereits eine mehr als gelungene Veranstaltung gewesen, aber das eigentliche Highlight des Abends kam erst jetzt: Der Kinofilm „Das Mädchen Wadjda“, bei dem alle im Saal mit der kleinen Wadjda mitlitten: Man sah sie hart für ihren Traum kämpfen, ein grünes Fahrrad zu kaufen, nur um immer wieder an den Repressalien der streng patriarchalischen saudischen Gesellschaft zu scheitern. Denn eine Frau hat nicht Fahrrad zu fahren. Bis sich ganz zum Schluss ihre Mutter allen Restriktionen widersetzt, und statt sich selbst ein teures Kleid zu kaufen, ihrer Tochter das lang ersehnte Fahrrad schenkt. Man freut sich richtig mit Wadjda, als sie schließlich mit ihrem neuen grünen Fahrrad in ihre eigens definierte Freiheit fährt.    

„Wir sind sehr zufrieden mit der Veranstaltung“ resümiert Annika Waldeck, Programmmitarbeiterin „Integration durch Sport“ und Organisatorin von SportKultur. „Vor allem auch über die vielen interessierten Zuhörer*innen und wie gut alles vor Ort geklappt hat.“ Die im Schachbrettmuster angeordnete Bestuhlung machte es möglich: Ein gefühlt voller Kinosaal unter gleichzeitiger Einhaltung des Hygienekonzeptes. So konnten ganze Familien, Freund*innengruppen, aber auch interessierte Einzelpersonen teilnehmen.

Wir bedanken uns ganz herzlich beim Lichtmess-Kino, unserem Kooperationspartner FLAKS e.V. sowie bei der Spvgg. Billstedt-Horn für die Unterstützung beim Videodreh. Dank euch war „SportKultur: Das Leben er-fahren“ ein voller Erfolg und wir freuen uns auf weitere gemeinsame Projekte!

Die Veranstaltung fand im Rahmen der Altonaer Vielfaltswoche statt.


  • Bild: HSB
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