THEMA DES MONATS (9) - INTEGRATION DURCH SPORT AUS VOLKSWIRTSCHAFTLICHER PERSPEKTIVE

Frankfurt (ids) „Sind Sie der Meinung, dass die Integration von ausländischen Mitbürgern ein wichtiges volkswirtschaftliches Ziel ist?“ Wenn man einer repräsentativen Stichprobe von Deutschen diese Frage stellen würde, würde die Mehrheit möglicherweise mit „Ja.“ antworten.

Sollte sich die Bundesregierung als gewählte Vertretung des Volkes in diesem Fall nicht verstärkt um die Integration von ausländischen Mitbürgern bemühen? Das Problem ist hierbei, dass die Integration von ausländischen Mitbürgern nicht das einzige „wichtige“ volkswirtschaftliche Ziel ist. Eine moderne demokratische Volkswirtschaft, wie die der Bundesrepublik Deutschland, strebt sehr vielfältige Ziele an, unter anderem die folgenden:

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Die Aufrechterhaltung von Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität und angemessenem wirtschaftlichem Wachstum

Die Korrektur der Verteilung des Einkommens im Sinne von Fairness

Die Bereitstellung von öffentlichen Gütern und sogenannten Mischgütern (etwa innere und äußere Sicherheit, Umweltschutz, Gesundheitsversorgung, Bildung)

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Aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive wäre es also sinnvoller zu fragen „Wie wichtig ist das Ziel der Integration von ausländischen Mitbürgern im Vergleich zu  anderen volkswirtschaftlichen Zielen?“ Es geht also darum, vorhandene finanzielle, personelle und materielle Mittel in angemessener Weise zu verteilen, um verschiedene volkswirtschaftliche Ziele zu verwirklichen. Verkompliziert wird diese Verteilungsaufgabe dadurch, dass neben der absoluten Wertigkeit der verschiedenen Ziele auch noch andere Aspekte berücksichtigt werden müssen wie beispielsweise die folgenden:

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Die für die Verwirklichung eines bereitgestellten Mittels sollen möglichst effizient eingesetzt werden. Unter Umständen ist mit relativ geringfügigen Mitteln eine große Wirkung zu erreichen.

Die volkswirtschaftlichen Aufgaben und Ziele sind nicht unabhängig voneinander und finden im Kontext einer sich stetig verändernden dynamischen Umwelt statt. Dies kann wohl jeder bestätigen, der sich schon einmal mit Wirtschaftssimulationen am Computer beschäftigt hat.

Oft ist es sinnvoll, volkswirtschaftliche Aufgaben zu delegieren. Die freie Marktwirtschaft beruht letztlich auf diesem Prinzip der Delegation. Hierzu gehören unter anderem auch Überlegungen zur Privatisierung oder Teilprivatisierung zur Erreichung von bestimmten volkswirtschaftlichen Zielen.

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Integration ein öffentliches Gut ?

Ein bedeutender Anteil des finanziellen Budgets einer Volkswirtschaft wird für die Bereitstellung von öffentlichen Gütern sowie von so genannten Mischgütern verwendet. Als Öffentliche Güter bezeichnet man Güter, die im Konsum nicht miteinander rivalisieren. Das Gut „Saubere Luft“ etwa rivalisiert nicht im Konsum. Ein Beispiel: wenn Person A das Gut „Saubere Luft“ atmet (konsumiert), wird dadurch die Sauberkeit der Luft (der Konsumnutzen) für Person B nicht vermindert. Auch von dem Schutz eines Landes vor Angriffen eines anderen Landes durch eine Armee profitieren alle Bewohner gleichermaßen. Umweltschutz, innere und äußere Sicherheit sind Beispiele für öffentliche Güter. Die Eigenschaft der Nichtrivalität im Konsum würde im Falle der Privatisierung solcher Güter mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Marktversagen führen, d.h. eine Selbststeuerung des Preises durch Angebot und Nachfrage würde nicht effizient funktionieren. Zu erwarten wären unter anderen Trittbrettfahrereffekte: potenzielle Konsumenten würden so lange warten, bis irgendjemand etwas für die Sauberkeit der Luft tut, um dann kostenfrei davon  zu konsumieren. Aus diesem Grund ist eine Bereitstellung öffentlicher Güter durch den Staat sinnvoll.

Eine strikte Einteilung von Gütern in „öffentliche“ und „private“ nach dem Kriterium der Rivalität des Konsums ist aber nicht sinnvoll. Denn auch bei im Konsum rivalisierenden Gütern kann eine staatliche Budgetierung sinnvoll sein. Wenn eine Person A eine Ausbildung absolviert, profitiert sie nämlich nicht nur persönlich, sondern auch andere Personen profitieren von den durch die Ausbildung erworbenen fachlichen oder sozialen Fähigkeiten. Güter wie Bildung, gesundheitliche Versorgung, die sich durch einen ausgeprägten über den Eigennutzen des Konsumenten hinausgehenden gemeinschaftlichen Nutzen (sogenannter externer Nutzen) auszeichnen, werden als Mischgüter bezeichnet. Die Budgetierung dieser  Mischgüter geschieht normalerweise in der Form von Zuschüssen, also in der finanziellen Unterstützung von privaten Käufen und Investitionen.

Auch die Integration von Migranten kann man als ein solches Mischgut sehen. In gewisser Weise ist die Integration von Migranten der (schulischen oder universitären) Bildung vergleichbar: den Migranten wird die Möglichkeit gegeben, kostenlos oder zu geringen Kosten kulturspezifische Fähigkeiten zu erwerben, welche der beruflichen und sozialen Integration förderlich sind, etwa das Erlernen der deutschen Sprache. Hierdurch werden die Migranten in die Lage versetzt, produktiv an der Verwirklichung der volkswirtschaftlichen Ziele mitzuarbeiten.

Bei den Migranten selbst sind positive Wirkungen auf das Wohlergehen und die persönliche Entwicklung zu erwarten, was wiederum mit positiven Auswirkungen in volkswirtschaftlichen Problemfeldern wie Arbeitslosigkeit, Gesundheit, Kriminalität oder Drogenmissbrauch einhergeht.

Auch die deutsche Bevölkerungsmehrheit kann von den Integrationsbemühungen direkt profitieren, sofern ein Minimum an Offenheit für interkulturelle Begegnungen und Interesse an fremden Kulturen vorhanden ist. Durch integrative Maßnahmen werden interkulturelle Konfliktpotentiale reduziert, und interkulturelle Begegnungen werden zu einer Gelegenheit zur interkulturellen und persönlichen Bereicherung. Interkulturelle Begegnungen fördern interkulturelle Kompetenzen, und damit auch allgemeine soziale Kompetenzen, die sich in anderen sozialen Bereichen positiv auswirken. Interkulturelle Kompetenz ist aus wirtschaftlicher Sicht auch für Deutschland als Exportland von großer Bedeutung.

Integration durch Sport aus volkswirtschaftlicher Sicht

Wenn Integration durch Sport aus volkswirtschaftlicher Sicht betrachtet wird, lassen sich folgende Fragen stellen

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Wie effizient ist Sport als Mittel zur Integration ?

Durch welche Investitionen und Maßnahmen lässt sich die Effizienz von Sport als Integrationsmittel steigern ?

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Zu 1) Es herrscht weitgehender Konsens darüber, dass Sport ein sehr geeignetes Mittel zur Integrationsförderung ist. Sport hat eine große Anziehungskraft für Menschen aus aller Welt, und durch Eigenschaften wie Nichtverbalität und weitgehende Unabhängigkeit von außersportlichen Konventionen erleichtert der Sport die Zusammenkunft von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Hinzu kommen die allgemein positiven Auswirkungen von Sport auf Gesundheit und Wohlbefinden, die gerade in der mit erhöhtem Stress verbundenen Phase der Anpassung an eine fremde Kultur sehr entlastend sein können. Die für die Ausübung bestimmter Sportarten benötigten Strukturen (Sportplätze) sind an vielen Orten bereits vorhanden und die Personalkosten sind aufgrund des ausgeprägten ehrenamtlichen Engagements oft gering, insofern ist Sport als ein effizientes Mittel zur Integration zu bezeichnen.

Zu 2) Die Möglichkeiten, die Effizienz von Sport als Mittel zur Integration zu erhöhen sind vielfältig. Diese vielfältigen Möglichkeiten effizient zu nutzen, ist auch ein Ziel des Programms „Integration durch Sport“ des Deutschen Sportbundes. 

Voraussetzung für erfolgreiche Integrationsarbeit im Sportverein ist zunächst die Gewinnung von Migranten als Mitgliedern. Je mehr Migranten Mitglieder in Vereinen sind, desto effizienter kann sportliche Integrationsarbeit betrieben werden. Daher sind Informations- und Aufklärungskampagnen von großer Bedeutung. Dabei ist auf eine zielgruppenspezifische Ansprache und entsprechende Angebote im Sportverein zu achten (z.B. Frauen, Jugendliche, Senioren). Möglichkeiten zur Gewinnung von Migranten für den Vereinssport sind auch Schnupperangebote bei Veranstaltungen oder Sonderprogramme „vor der Tür“ der Migranten.

Damit der Integrationsprozess in möglichst optimaler Weise verlaufen kann, sollten entsprechende Strukturen geschaffen werden, etwa durch Qualifikation des Personals, durch Partizipation der Migranten an der Vereinsplanung- und -arbeit oder durch Schaffung eines migrantenfreundlichen Angebots. Dies kann zunächst mit relativ großen Anfangsinvestitionen verbunden sein. Sind die Strukturen aber erst einmal etabliert, tragen sie sich im Idealfall selbst. Dieser Idealfall ist allerdings nur selten erreichbar, und daher ist eine kontinuierliche Integrationsförderung vonnöten. Eine gute Möglichkeit sind finanzielle Zuschüsse für Integrationsprojekte, welche die Motivation für Integrationsarbeit im Verein fördern und dennoch Eigenengagement verlangen.

Weiterhin ist die Kombination von sportlichen mit außersportlichen Aktivitäten eine gute Möglichkeit zur Steigerung der Effizienz der sportlichen Integrationsarbeit. Dabei ist neben Festen und Freizeiten vor allem auch an Sprachkurse, Hausaufgabenhilfe oder Sozial- und Anti-Gewalt-Trainings zu denken.

Um die Effizienz von sportlichen Integrationsmaßnahmen zu überprüfen und zu verbessern, sollte regelmäßig eine Bewertung der Integrationsarbeit stattfinden (Evaluation). Wichtig ist hierbei die Findung angemessener (valider) Kriterien, die sich ohne allzu großen Kostenaufwand überprüfen lassen. Eine rein finanziell bezogene Kosten-Nutzen-Analyse wäre in Hinsicht auf das volkswirtschaftliche Ziel „Integration“ sicher nicht ausreichend und zudem schwer praktikabel. Dennoch sind natürlich auch finanzielle Überlegungen von großer Bedeutung.   

Fazit

Als Fazit lässt sich sagen, dass der Sport auch durch seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration von Migranten eine große volkswirtschaftliche Bedeutung hat. Das Thema Integration gewinnt in unserer Gesellschaft immer mehr an Wichtigkeit. Nach Modellrechnungen des Statistischen Bundesamts könnten im Jahr 2050 bis zu 16 Millionen Migranten in Deutschaland leben, das wäre etwa jeder 5. Bürger. Der Beitrag des Sports zur Integration wirkt sich zudem positiv auf weitere volkswirtschaftliche Felder aus wie Gesundheit, Arbeit, Bildung oder Kriminalität. Weiterhin ist der Sport ein sehr effizientes Mittel zur Erreichung volkswirtschaftlicher Ziele. Diese Effizienz wird durch Programme wie „Integration durch Sport“ noch weiter gesteigert.   

 

Autor: Robert Keiner

Redaktion: Richard Keiner, Andi Mündörfer