Vorbilder statt vorauseilendem Gehorsam - Annegret Kramp-Karrenbauer im Gespräch

Annegret Kramp-Karrenbauer ist Ministerin für Inneres und Sport im Saarland. Die Mutter dreier Kinder ist zudem Landesvorsitzende der Frauen Union der CDU-Saar. Als Turnerin trainierte sie auch Kinder und Jugendliche. Ihre Kinder sind im Vereinssport und ihr Mann trainiert auch heute noch eine Leichtathletik-Kindergruppe.

Der Sport im Saarland fällt in ihre Zuständigkeit: Annegret Kramp-Karrenbauer (Foto: Deutscher Bundestag).
Der Sport im Saarland fällt in ihre Zuständigkeit: Annegret Kramp-Karrenbauer (Foto: Deutscher Bundestag).

   Frau Ministerin, für wie wichtig halten Sie den Beitrag des Sports zur Integration?

 

Kramp-Karrenbauer: Die Bedeutung des Sports wird oft unterschätzt. Nach meiner Überzeugung hat er einen sehr großen Stellenwert. Er bietet Möglichkeiten, um sich ohne Vorurteile oder Ängste zu begegnen. Besonders Kinder und Jugendliche bekommen Gelegenheit, sich unbefangen mit anderen zu vergleichen. Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund können spezielle Sportclubs einen großen Beitrag zur Findung und Festigung der eigenen Identität leisten – was die Grundlage jeden interkulturellen Dialogs ist.

 

   Solche eigenethnisch genannten Vereine sind nicht unumstritten. Sie befürworten ihre Gründung?

 

"Die Bedeutung des Sports wird oft unterschätzt. Nach meiner Überzeugung hat er einen sehr großen Stellenwert."

 

Kramp-Karrenbauer: Ich stehe eigenethnischen Vereinen offen gegenüber. Auch bei uns wird dieses Thema kontrovers diskutiert, manche befürchten eine Art Abschottungseffekt. Aber gerade in der schwierigen Phase der Selbstfindung bei Jugendlichen können diese Vereine viel leisten. Natürlich hängt es davon ab, wie sie sich positionieren. Wenn solche Vereine aber in einer gemeinsamen Liga mit deutschen Clubs spielen, dann kommt es automatisch zu Begegnungen, zu Dialog. Sie können also wie ein Brückenkopf funktionieren.

 

   Es gibt Forderungen, dass eigenethnische Vereine möglichst von deutschen Vereinen assimiliert werden sollten. Ist das nicht etwas kategorisch?

 

Kramp-Karrenbauer: Ich denke nicht. Mittel- und langfristig sollte genau das das Ziel sein. Man sollte aber nichts überstürzen; zuerst muss man solchen Gruppen die Zeit geben, sich zusammenzufinden und zu organisieren. Der nächste Schritt sollte sein, dass sie in deutsche Ligen und Spielsysteme integriert werden. Später können sie dann bestenfalls in vorhandenen Organisationsstrukturen aufgehen.

 

   Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund sind laut neuesten Studien im organisierten Sport drastisch unterrepräsentiert. Glauben Sie, dass es mehr spezifische Angebote geben müsste?

 

Kramp-Karrenbauer: Ich halte das Angebot im Großen und Ganzen für ausreichend. Die Probleme bestehen meines Wissens hauptsächlich bei Mädchen und Frauen aus patriarchalisch geprägten Kulturkreisen. Sollten wir deshalb nun spezielle Kurse anbieten? Ich glaube nicht, denn es geht hier darum, wie das Geschlechterverhältnis definiert ist. In Deutschland ist es eindeutig durch das Grundgesetz festgelegt, und daran ist sich zu halten. Wir sollten mit positiven Vorbildern werben von Frauen, die sich gegen Widerstände behauptet haben. Das ist viel besser als in vorauseilendem Gehorsam Bedingungen wie beispielsweise absolute Zutrittsverbote für Männer zu schaffen.

 

   Der Sport fällt im Saarland in Ihren Verantwortungsbereich. Wo sehen Sie im Moment Handlungsbedarf?

 

Kramp-Karrenbauer: Wir versuchen hier im Saarland, neben dem klassischen Vereinssport auch Sportangebote in Multifunktionsfeldern zu machen, außerhalb fester Organisationsstrukturen. Das halten wir für zunehmend nötig, weil Teenager sich aus den Vereinsstrukturen lösen. Trotzdem sollten wir sie aber mit Sport abholen.

 

   Welche Herausforderungen sind damit verbunden?

 

Kramp-Karrenbauer: Die Vereine müssen sich diesen Entwicklungen stärker stellen, intensiver mit Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendbetreuung zusammenarbeiten. Die Ganztagsbetreuung bietet hier eine große Chance, die der Vereinssport nutzen sollte. Umgekehrt gilt das natürlich genauso. In der Jugendarbeit werden die sozialen und kompetenzbildenden Aspekte des Sports oft noch viel zu wenig berücksichtigt. Sowohl die amtliche als auch die Vereinsseite müssen stärker verinnerlichen, dass sie Kooperationspartner haben, mit denen sie ein Netzwerk bilden können.


  • Der Sport im Saarland fällt in ihre Zuständigkeit: Annegret Kramp-Karrenbauer (Foto: Deutscher Bundestag).
    Der Sport im Saarland fällt in ihre Zuständigkeit: Annegret Kramp-Karrenbauer (Foto: Deutscher Bundestag).