Wenn der Stammtisch über Judenwitze lacht

Wegschauen hilft nichts: Was können Sportvereine und Betroffene gegen Antisemitismus tun?

Quelle: Picture Alliance
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Im Training kommt es zu einer Rangelei und ein Akteur wird von seinen Mitspielern als „du Jude“ beschimpft. In der Straße neben dem Sportverein werden Stolpersteine entwendet und Laternen mit Hakenkreuzen beschmiert. Beim Vereinsstammtisch reißt das ein oder andere Mitglied Judenwitze und amüsiert sich dabei.

All das sind Beispiele für Antisemitismus. Er ist nicht nur ein Phänomen der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart – auch in Sportvereinen kann es zu antisemitischen Vorfällen kommen. Gerade deshalb ist eine präventive Auseinandersetzung mit dem Thema besonders wichtig.

In der jüngsten Vergangenheit habe es wieder mehr Übergriffe gegen jüdische Sportler gegeben und die Hemmschwelle sei niedriger geworden, sagte Alon Meyer, Präsident des Jüdischen Turn- und Sportverbands Makkabi Deutschland, im vergangenen November beim Fernsehsender Sky Sport News HD. „Es beginnt mit Zurufen, Schmähungen, Du Scheiß-Jude, euch hat man vergessen zu vergasen“, erklärte er. Das gehe bis hin zu Handgreiflichkeiten und Attacken mit Messern.

Was heißt Antisemitismus?

Antisemitismus bedeutet so viel wie Judenfeindschaft und äußert sich in Hass und Diskriminierung von Juden und Jüdinnen. Dabei wird ein kollektives Bild von „dem Juden“ oder „der Jüdin“ erzeugt – häufig auch als ein Volk oder eine Nation. Juden werden als „anders“ ausgewiesen im Gegensatz zu einem selbsternannten „Wir“ – und damit abgewertet. Etwa indem ihnen grenzenlose Macht, die Herrschaft ihres Geldes oder eine Heimatlosigkeit zugewiesen wird.

Oder rechte Kreise geben ihnen die Schuld an globalen Katastrophen und stellen sie unter den Generalverdacht, eine geheime Weltverschwörung zu planen.

Antisemitismus kann sich aber auch gegen Menschen richten, die in der Fremdwahrnehmung für Jüdinnen oder Juden gehalten werden oder angebliche „jüdische Interessen“ vertreten. Die Feindseligkeit basiert jedoch nicht nur auf religiösen, sondern meist auch auf rassistischen Vorurteilen, zum Beispiel vermeintlich angeborenen Charaktereigenschaften wie „rachsüchtig“ oder „heimtückisch“ oder zugeschriebenen äußerlichen Erscheinungen, wie „buckelig“, „große Nase“ und anderes mehr. Antisemitismus reicht dabei über die Feindschaft gegen konkrete Personen hinaus und dient als eine Form der Welterklärung, die Juden für ökonomische und soziale Prozesse verantwortlich macht. Antisemitismus drückt sich sogar in Morddrohungen oder Attentaten aus, wie beispielweise der Anschlag in Halle am 8. Oktober 2019.

Der weit in die Geschichte zurückreichende Antisemitismus mit dem Tiefpunkt des Massenmords an sechs Millionen Juden während der Herrschaft der Nationalsozialisten ist in Deutschland keineswegs überwunden. Vielmehr zeigen aktuelle Studien, dass Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft vorkommt und kein Phänomen der rechten Ränder darstellt.

Antisemitismus im Sport

Im Sport äußert sich Antisemitismus häufig in rassistisch motivierten Aussagen wie „Du Jude“, „Du Judensau“ oder in Form von Symbolen, die bei Spielen auf Flaggen und Bannern gezeigt werden. Auch körperliche Übergriffe gehören dazu. Betroffen sind neben Profiligen auch Amateurvereine. Besonders häufig tritt das Problem im Fußball auf, es besteht aber genauso in anderen Sportarten.

Wie bekämpft man Antisemitismus?

Die Sportbünde unterstützen mit dem Projekt „Zusammenhalt im Sport in Baden-Württemberg“ Vereine dabei, antisemitische Äußerungen im Vereinsalltag zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren.

Im Land gibt es rund 20 „Coaches für Zusammenhalt im Sport“, die bei konkreten Vorfällen für ein kostenloses Beratungsgespräch zur Verfügung stehen, Handlungsempfehlungen geben und sich daraus ergebende Folgeprozesse begleiten.

Auf Anfrage und unter Hinzuziehung externer Referenten können auch Bildungseinheiten in Vereinen umgesetzt und für das Problem sensibilisiert werden.

Um klar Stellung zu beziehen und Haltung gegen antidemokratisches Verhalten zu zeigen, schlägt Alon Meyer darüber hinaus vor, analog zur Politik zu handeln: „Dort gibt es einen Antisemitismus-Beauftragten – warum nicht auch im Sport“?

Weitere Informationen: www.wlsb.de/zusammenhalt-im-sport / Tel.: 0711/28077-166 / E-Mail: johanna.kramer(at)wlsb.de

Save the date: Online-Seminar in Kooperation mit der Bildungsstätte Anne Frank zum Thema „Antisemitismus im Sport“: 23.02.2021 18 Uhr – 20 Uhr / 02.03.2021 18 Uhr – 20 Uhr

Anmeldung möglich ab Dezember unter badischer-sportbund.de

Textquelle: Badischer Sportbund Nord


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