Bewegte Zukunft: „Mitgestalten“ wörtlich nehmen

Menschen mit Migrationsgeschichte haben Potenziale, sie haben Expertisen und sie haben genauso den Wunsch unsere Gesellschaft mitzugestalten.

Menschen mit Migrationsgeschichte sollten im organisierten Sport mehr mitgestalten. Foto: DOSB
Menschen mit Migrationsgeschichte sollten im organisierten Sport mehr mitgestalten. Foto: DOSB

„Wie können wir den Sport und die Sportstruktur in einer diversen Gesellschaft wie der unseren gestalten, damit mehr Menschen mit Migrationsgeschichte im organisierten Sport repräsentiert sind?“ - Unter dieser Frage wurde Ende 2021 das Projekt „Bewegte Zukunft“ vom Deutschen Olympischen Sportbund gemeinsam mit der Türkischen Gemeinde in Deutschland ins Leben gerufen. 

Ziel des Projektes ist die Identifikation von Ursachen für die mangelnde Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte als Entscheidungsträger*innen im organisierten Sport. Obwohl Menschen aus dieser Zielgruppe als aktive Sportler*innen im organisierten Sport entsprechend ihrem Anteil an der Gesellschaft sehr gut vertreten sind, finden sich kaum Mitglieder marginalisierter Gruppen in den Entscheidungsstrukturen und auf Vorstandsebenen in der deutschen Sportlandschaft. Wenn man Bilder von Jahreshauptversammlungen von Vereinen und Verbänden anschaut, sieht man vor allem weiß gelesene Menschen. Damit eine bessere Repräsentanz erreicht werden und damit gesellschaftlichen Herausforderungen wie der Förderung des Ehrenamtes, der Vermeidung von Gewalt und Polarisierung im Sport begegnet werden kann, ging das Projekt 2022 in die operative Umsetzung.  

Ein Projekt mit stark partizipativem Ansatz - „Mitgestalten“ wörtlich nehmen 

Um die Zielgruppen besser erreichen und ihre Sichtweisen besser verstehen zu können, hat das Projekt von Beginn an einen partizipativen Ansatz gewählt und Fokusgruppen in drei Bundesländern - Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Sachsen - umgesetzt. An den Fokusgruppen nahmen insgesamt 30 Personen teil. Dies waren aktive Sportler*innen, Vereinsvertreter*innen von Migrant*innen-Sportvereinen sowie Vertreter*innen aus den etablierten Sportstrukturen. Gemeinsam wurden Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen erarbeitet. Diese wurden in den Folgejahren umgesetzt. Dazu zählt beispielsweise die strukturelle Förderung von Migrant*innen Sportvereinen, die Förderung des Ehrenamts unter Menschen mit Migrationsgeschichte sowie die Etablierung einer Quote in den Strukturen des organisierten Sports. 

Ein Abschluss als Aufbruch 

Mit der Abschlussveranstaltung am 22. Juni im Deutschen Sport & Olympia Museum in Köln wollten wir zeigen, dass aus dem Projekt „Bewegte Zukunft“ eine „Zukunft in Bewegung“ entstanden ist. Zahlreiche namhafte Speaker*innen wie z.B. Eric Mbarga (Beauftragter für Kinder-/Jugendschutz und Prävention beim FC Bayern München), Dr. Özgür Özvatan (Soziologe), Asmaa El Idrissi (Juristin), Dr. Thaya Vester (Kriminologin) oder Prof. Dr. Silvester Stahl kamen zu Wort. 

Ein besonderes Highlight des Tages war die Verkündung der Gründung von zwei Interessenvertretungen: die des Interessenverbands migrantisch geprägter Sportvereine in Deutschland als Dachverband der migrantischen Sportvereine sowie die Interessenvertretung „Roots against Racism in Sports“ von Otto Addo, ghanaischer Nationaltrainer. Ein rundum gelungener Tag zu mehr Mitgestaltung von Menschen mit Migrationsgeschichte im organisierten Sport - und ein gemeinsamer Auftakt, um diese weiter in die Strukturen des Sports zu tragen. 

Warum Repräsentanz wichtig ist 

Mich persönlich motivieren zwei Tatsachen besonders die Ergebnisse des Projekts „Bewegte Zukunft“ auch über den Projektzeitraum hinaus zu verbreiten. Menschen mit Migrationsgeschichte haben Potenziale, sie haben Expertisen und sie haben genauso den Wunsch unsere Gesellschaft mitzugestalten. Wir können nicht darauf warten, dass die Sportstrukturen das endlich auch realisieren und uns mit an den Entscheidungstisch lassen. Der Wunsch nach Partizipation besteht schon heute, nicht erst morgen. 
Mein zweiter Antreiber ist, dass ich Rassismus im Sport erlebt habe und heute noch erlebe: weil ich weiß, was dieses Gefühl bei jungen Menschen auslöst und wie die mangelnde Repräsentanz von Menschen mit Migrationsgeschichte in den Strukturen des Sports rassistische Wirkungen reproduziert, brauchen wir mehr Diversität in den Entscheidungsgremien. Ein Land, dessen Jugend bald 50% Migrationsgeschichte hat, ist verpflichtet das zu erkennen und entsprechend anzupassen. 

Die Projekte „Bewegte Zukunft“ und „Bewegte Zukunft UEFA EURO 2024™“ werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verwaltet und vom Bundesministerium des Innern und für Heimat gefördert.  

Autor: Younis Kamil, Projektmitarbeiter der Türkischen Gemeinde Deutschland im Projekt „Bewegte Zukunft“ und Doktorand an der Vrije Universiteit Brussels


  • Menschen mit Migrationsgeschichte sollten im organisierten Sport mehr mitgestalten. Foto: DOSB
    Hände von im Kreis stehenden Menschen liegen auf einander Foto: DOSB