„Wir sind viel mehr als das NOK für Deutschland“

Christian Klaue, Pressesprecher des DOSB, wünscht sich eine differenzierte Außenwahrnehmung des Verbandes: Weniger Fixierung auf Erfolge, mehr Aufmerksamkeit für „das Alltägliche“ - etwa die Integrationsarbeit.

"Christian Klaue leitet seit November 2009 die DOSB-Abteilung Medien und Öffentlichkeitsarbeit (Quelle: DOSB)"
"Christian Klaue leitet seit November 2009 die DOSB-Abteilung Medien und Öffentlichkeitsarbeit (Quelle: DOSB)"

Herr Klaue, das Programm „Integration durch Sport“ will seine Opens external link in new windowÖffentlichkeitsarbeit intensivieren. Worauf kommt es aus Sicht des DOSB-Pressesprechers und Kommunikationsexperten bei der Darstellung eines so komplexen Themas an?

Das hängt maßgeblich vom Rezipienten ab. Wenn Sie die Menschen auf der Straße erreichen wollen, die über 80 Millionen Deutschen, dann braucht es kurze, verständliche und emotionale Botschaften. Die Reduktion aufs Wesentliche. So wie früher, als es hieß; Sport ist im Verein am schönsten. Und es braucht die Einordnung ins große Ganze des DOSB. Denn die Kraft solcher Botschaften entsteht aus der Gemeinschaft.

Was bringt es dem DOSB und seiner Außenwirkung, wenn ein Programm wie IdS stärker wahrgenommen würde?

Es ist immer hilfreich, wenn die Themen des DOSB wahrgenommen werden und er nicht nur auf Spitzensport und Olympia reduziert wird. Das Programm „Integration durch Sport“ besteht ja schon 25 Jahre – und das ist nur eins von vielen sozialen Feldern, auf denen sich der DOSB engagiert. Wichtig ist, dass die Öffentlichkeit die Vielfalt des organisierten Sports und des DOSB kennt und schätzt.

Tut sie das nicht?

Leider nicht ausreichend. Die Medien sind häufig auf Medaillen, Erfolge oder Skandale fixiert. Dadurch wird schnell das Alltägliche übersehen. Der Spitzensport ist durch seine Vorbildwirkung, durch Erfolge für Deutschland und das Wir-Gefühl, das er erzeugt, natürlich unverzichtbar. Aber ohne das tägliche Engagement der Ehrenamtlichen, die Arbeit für soziale Themen wie Integration, Gesundheit, Familie et cetera könnte der Weg für den Spitzensport nicht geebnet werden. Hier würden wir uns in der Tat mehr Aufmerksamkeit wünschen. Es gilt das alte Motto: ohne Breite keine Spitze – und umgekehrt.

Worum genau geht es dabei?

Es geht darum, das Ansehen und die Einstellung gegenüber dem Sport und insbesondere dem DOSB als Dachorganisation zu verändern. Wir sind eben viel mehr als das NOK für Deutschland und die Organisation von Zielvereinbarungen, Nominierungskriterien und Co. Wir sind auch der Verband für Gesundheit, Leistung, Lebensfreude, Engagement und gesellschaftliche Verantwortung im und durch den Sport.

Hier der Spitzen-, dort der Breitensport, dazu Integration oder Umweltschutz: Vielleicht sehen die Medienschaffenden und ihre Konsumenten manchmal nicht den inneren Zusammenhang zwischen so unterschiedlichen Themen.

Es gibt einen klaren inneren Zusammenhang. Niemand wird als Olympiasieger geboren, dass heißt, ohne Breitensport kein Spitzensport. Jeder fängt als Kind oder Jugendlicher an, ist Nachwuchssportler mit Spaß an der Sache, im besten Fall noch mit Talent. In dieser Zeit werden Regeln erlernt, Erfahrungen im sozialen Miteinander gesammelt und Tugenden entdeckt, vielleicht begegnet man auch neuen Kulturen und erlebt die Natur, denn viele Sportler sind im Freien unterwegs. Zusammengefasst lässt sich sagen: Sport bildet. In diesem Umfeld wachsen junge Athletinnen und Athleten zu Spitzensportlern, manche sogar zu Olympiasiegern heran und sind plötzlich Vorbilder für die Gesellschaft.

Die dann eben auch im Fokus der Medien stehen. Das ist doch gut für den Sport.

Natürlich. Aber der Hintergrund verschwindet dabei oft, vielen ist der beschriebene Zusammenhang nicht bewusst. Schauen Sie sich mal die Fotos von Spitzensportlern in jungen Jahren an. Wenn sie die ersten Schritte auf dem Sportplatz machen, sticht vielleicht beim ein oder anderen schon das Talent hervor, ansonsten sind sie jedoch Teil eines Ganzen, der größten Bürgerbewegung unseres Landes. Sie können sich in der Menge entwickeln, ehe alle Blicke auf sie gerichtet werden, wenn es im Olympiafinale um Gold, Silber und Bronze geht.

Nochmal zum Grundsätzlichen: Sie sprachen von der gesellschaftlichen Verantwortung des Sports. Worin liegt diese Verantwortung, gerade unter dem Aspekt der Integration?

Der Sport ist die größte Kommunikationsplattform der Welt. Er ist wunderbar emotional, vereint die Menschen in Sieg und in der Niederlage. Und er hat so ziemlich allen anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens etwas voraus: die grenzüberschreitenden Regeln. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat kürzlich in einem Interview gesagt: „Der Sport hat ein universales Regelwerk. Eine Abseitsfalle ist in Tuttlingen nichts anders als in Turkmenistan. Wir wären in der Politik froh, wenn wir diese international anerkannten Regeln, die überwacht und nötigenfalls sanktioniert werden, auch hätten.“ Allgemein lässt sich sagen, dass im Werkzeugkasten des Sports viele Instrumente liegen, mit denen sich eine Reihe von sozialen Problemen angehen lassen. Es wäre fahrlässig, diese Werkzeuge unbenutzt zu lassen.

Das Interview führte Nicolas Richter



  • "Christian Klaue leitet seit November 2009 die DOSB-Abteilung Medien und Öffentlichkeitsarbeit (Quelle: DOSB)"
    "Christian Klaue leitet seit November 2009 die DOSB-Abteilung Medien und Öffentlichkeitsarbeit (Quelle: DOSB)"