„Es braucht viel Überzeugungsarbeit“

Migranten ins Ehrenamt? Guter Gedanke, sagt Eiko Rümker, Geschäftsführer der MTG Horst Essen. Ihn umzusetzen fällt seinem Verein trotzdem nicht leicht.

Mit Goldenem Stern und Stargast: Eiko Rümker (3. v. r.) und die Vertreter der MTG Horst nebst Fabian Hambüchen bei der Preisverleihung 2012 (Foto: Horst Essen)
Mit Goldenem Stern und Stargast: Eiko Rümker (3. v. r.) und die Vertreter der MTG Horst nebst Fabian Hambüchen bei der Preisverleihung 2012 (Foto: Horst Essen)

Die MTG Horst hat 2008 „United Sports“ gegründet, eine Integrationsabteilung mit Boxschwerpunkt. Sind damit die Integrationsaktivitäten des Gesamtvereins gewachsen oder eher geschrumpft – weil das Thema ausgelagert war?

Schwierige Frage (überlegt). Wir waren ja vorher schon Stützpunkt von „Integration durch Sport“ und haben auch die Boxgruppe, aus der „United Sports“ entstanden ist, zunächst im Verein aufgebaut. Die Abteilungsgründung hat dann einen Schub gegeben, wir kamen an andere Fördertöpfe heran und konnten neue Kurse anbieten, zum Beispiel für Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund. Aber es ist nicht leichter geworden, die Leute aus den sozialen Brennpunkten hier für den Sportverein zu gewinnen. Insofern hat Integration bei uns wohl ähnliches Gewicht wie früher.

Ihr Verein wurde Anfang 2012 mit dem Großen Stern des Sports in Gold ausgezeichnet, für die Arbeit von United Sports im Jahr zuvor. Gab das keinen neuen Schub?

Natürlich war das eine tolle Auszeichnung und wir konnten das Preisgeld sehr gut gebrauchen. Aber die Kosten laufen ja weiter. Die Mitarbeiterzahl bei United Sports stagniert im Moment, weil immer wieder jemand aus privaten Gründen weggeht. Und seit diesem Jahr stehen dort deutlich weniger Mittel zur Verfügung.

Weil Sie kein Stützpunktverein mehr sind?

Genau. Das Ganze war als Anschub gedacht und lief jetzt acht Jahre, eine weitere Finanzierung kann nicht Sinn der Sache sein. Das Problem ist, dass weitere Förderungen eingestellt wurden, seitens von Stiftungen oder der Stadt – alle Geldgeber sehen ihre Unterstützung als Starthilfe und nicht als Dauerfinanzierung. Und bei uns soll sich jede Abteilung selbst tragen. United Sports erhebt schon sehr geringe Beiträge, um neue Mitglieder zu gewinnen. Aber viele Eltern hier sind nicht bereit oder sehen sich nicht in der Lage, drei Euro im Monat für den Sport der Kinder zu bezahlen. 

Horst und Eiko

Eiko Rümker ist einer von zwei Geschäftsführern der Märkischen Turngemeinde Horst Essen, neben Jens Fröhlich. 1975 geboren, wurde er Ende der 90er Jahre zunächst Übungsleiter in dem Verein, der ihn 2004 anstellte und 2008 zum Geschäftsführer erhob. Der Diplom-Sportlehrer ist aktiver Volleyballer und Wildwasser-Kajakfahrer. Die MTG Horst, nach eigenen Angaben Essens größter Breitensportverein, hat rund 3500 Mitglieder, die in 14 Abteilungen etwa 30 Sportarten betreiben. Die Integrationsabteilung „United Sports“ bietet Boxen, Fußball und Abenteuersport an.

 

Migrantenanteil unbekannt

Sie sind ein Großverein in kulturell sehr gemischtem Umfeld. Können Sie sagen, wie viele Ihrer Mitglieder Zugewanderte sind?

Das ist ganz schwer zu beziffern. Bei Vereinsbeitritt wird nicht nach Herkunft gefragt, und wir zählen das nicht anhand der Namen aus oder so. Bei United Sports ist es die Mehrheit, aber da haben wir nur 100 unserer knapp 3500 Mitglieder. Gerade in den klassischen Abteilungen wie Breitensport ist der Anteil sehr gering. Fitnessgruppen zum Beispiel bestehen fast komplett aus der Generation 50 Plus, da sind kaum Migranten dabei.

United Sports wird von jungen Männern mit Migrationsgeschichte gesteuert. Haben Sie noch weitere Trainer oder Funktionäre mit ausländischen Wurzeln?

Das ist das gleiche wie bei den Mitgliedern: Wir haben über 100 Trainer, einige haben auf jeden Fall Migrationshintergrund, aber ich weiß nicht wie viele. Im Vorstand und auf der Geschäftsstelle ist es niemand. Es fällt schwer, Ehrenamtliche aus anderen Kulturen für Vereinsarbeit zu gewinnen.

Warum?

Wir haben bei United Sports ein paar tolle Typen, die als Vorbilder taugen. Aber selbst da ist es nicht richtig gelungen, Nachfolger aufzubauen für die, die jetzt weggehen. Vielleicht haben wir den Bedarf unterschätzt oder sind das nicht optimal angegangen; aber leider ist auch die Bereitschaft der Menschen ziemlich gering. Sie wollen Sport konsumieren, aber jemanden davon zu überzeugen, sich aktiv einzubringen, verlangt ganz viel Arbeit.

Sportverein und Ehrenamt sind halt vielen anderen Kulturen fremd.

Das stimmt, der Weg ist weit. Und der Aufwand ist ganz schön hoch. Wir haben eine junge Frau, Fatima. Sie hat mithilfe des LSB-Projekts „Spin“ in NRW und des Büros für interkulturelle Arbeit Essen eine Übungsleiter-C-Ausbildung für Menschen mit Migrationshintergrund gemacht, das waren allein sechs Wochenenden. Dann haben wir sie noch für andere Kurse angemeldet, zum Beispiel in Rehasport – nochmal fünf Wochenenden. Für sie ist das Mitmachen etwas Selbstverständliches, aber sie ist auch hier aufgewachsen und hat zum Beispiel null Sprachprobleme.

Das neue Vorbild Fatima

Was macht sie im Verein?

Sie leitet mehrere Kurse, zum Beispiel eine Reha-Gruppe für Frauen.

Nur für Migrantinnen?

Nicht mehr. Am Anfang war das so, aber es gab da ein paar Schwierigkeiten. Außerdem bringen reine Migrantengruppen ja keine Integration. Wenn man Zuwanderer immer separiert behandelt, bleiben sie auch separiert. Es ist jetzt eine Rehagruppe wie jede andere, nur halt für Frauen. Dadurch können auch Musliminnen mitmachen – Fatima trägt ja selbst Kopftuch. Wobei sie sehr locker mit dem Thema umgeht.

Noch ein Vorbild, ein weibliches. Zeigt es Wirkung?

Das werden wir sehen, aber wir sind wirklich dankbar für Fatima. Sie hilft uns, die Grenzen vor allem zu älteren Frauen aufzuweichen, die vielleicht seit 20 Jahren hier leben, aber ganz zurückgezogen waren. Durch Projekte für weibliche Zielgruppen können wir vielleicht auch neue Zuschüsse auftun.

Die öffentlichen Kassen geben wenig her, zumal in NRW. Wie ist das mit Unternehmen? Der Goldene Stern könnte doch ein Aufhänger für die Sponsorenansprache sein.

Generell geht es der Wirtschaft hier nicht toll. Im Fußball geht oft noch was, aber ansonsten ist es ganz schwer. Wir haben den Joker Goldener Stern allerdings noch nicht gezogen. Man muss sich die Ansprache genau überlegen, um nicht drohend oder weinerlich zu klingen: „Wir haben ein tolles Projekt, aber ohne Euch ist es gefährdet“, oder so. Ein anderer Verein hier hat vor ein paar Jahren den Großen Stern gewonnen und daraufhin eine Broschüre entwickelt, diese Idee wollen wir aufnehmen. Und wenn wir die Broschüre haben, werden wir bei Stiftungen und Firmen hausieren gehen. Mal sehen, was möglich ist.

Das Interview führte Nicolas Richter

 


  • Mit Goldenem Stern und Stargast: Eiko Rümker (3. v. r.) und die Vertreter der MTG Horst nebst Fabian Hambüchen bei der Preisverleihung 2012 (Foto: Horst Essen)
    Mit Goldenem Stern und Stargast: Eiko Rümker (3. v. r.) und die Vertreter der MTG Horst nebst Fabian Hambüchen bei der Preisverleihung 2012 (Foto: Horst Essen)