„Wir wollen unsere Philosophie vermitteln“

Jeder Sportfachverband entscheidet selbst, ob er ausländische Ausbildungen anerkennt. Thomas Braun, Technischer Leiter Ausbildung, erklärt das Konzept des Deutschen Skiverbands.

Thomas Braun (Foto: Deutscher Skiverband)
Thomas Braun (Foto: Deutscher Skiverband)

Herr Braun, der DSV wird oft gelobt für sein Ausbildungs-Knowhow. Was sagt Ihnen das sogenannte Anerkennungsgesetz?

Sie meinen das Gesetz zur Anerkennung ausländischer Berufsausbildungen? Das ist mir ein Begriff, das Thema beschäftigt uns zumindest indirekt.

Inwiefern?

Zunächst muss man sagen, dass wir zwischen der Skilehrerausbildung im Breitensport und der Trainerausbildung im Leistungssport unterscheiden. Zum Skilehrer kann man sich in Bayern auch in einem staatlich anerkannten Verfahren ausbilden lassen, und zwar durch den Deutschen Skilehrerverband und die TU München ...

… und staatliches Verfahren bedeutet, dass das Anerkennungsgesetz gilt: Wer im Ausland eine Ausbildung gemacht hat, kann sie auf ihre Gleichwertigkeit mit der deutschen Ausbildung prüfen lassen.

Ja. Außerdem erkennen wir als Verband diesen Abschluss an und stellen dafür eine DSV-Skilehrerlizenz aus. Das entspricht einer Trainer A-Lizenz für den Breitensport.

Und wenn ich mich beim DSV zum Skilehrer ausbilden lasse, ist das staatlich nicht anerkannt?

Wir bieten ab Herbst 2013 einen Weiterbildungsstudiengang zum Master of Arts mit Abschluss Berufsskilehrer und Tourismusmanager an, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule Köln. Wir hoffen, dass diese Ausbildung anerkannt wird, sozusagen im Gegenzug.

Was ist mit ausländischen Lizenzen? Akzeptiert der DSV Skilehrer- oder Trainerausbildungen anderer Nationen?

Die Ausbildungen in anderen Nationen sind sehr unterschiedlich strukturiert. Daher ist eine grundsätzliche Anerkennung ausländischer Qualifikationen nicht so einfach. Wir schauen uns solche Fälle einzeln an: daraufhin, welchen Inhalt und Umfang Ausbildung und Prüfung hatten. Im Leistungssport ist es uns wichtig, unsere Trainingsphilosophie einheitlich zu vermitteln, daher prüfen wir dort noch detaillierter als im Breitensport. 

Was ist an dieser Trainingsphilosophie so speziell?

Einerseits geht es um das Sportliche, also darum, wie wir unsere Jugendlichen ausbilden, sowohl konditionell als auch im Schneetraining. Das geschieht bei uns vielseitig, die Spezialisierung kommt relativ spät. Das Zweite hat mit unserer Leitlinie eines eigenverantwortlichen Athleten zu tun: Unsere Alpinsportler sollen nicht runterfahren, eine Rückmeldung vom Trainer kriegen, wieder hoch- und nochmal runterzufahren und so weiter. Sie sollen vielmehr selbst ausprobieren, was funktioniert und was nicht, sie sollen eigene Erfahrungen sammeln. Diese Methodik begleiten wir zum Beispiel durch ein klares Konzept zur Sportpsychologie: Im Schüleralter bilden wir Grundlagen aus und wecken Verständnis, dann spezialisieren wir allmählich bis hin zur individuellen Betreuung der Spitzenathleten. Das läuft in vielen Ländern anders.

Wie oft fragen Zuwanderer nach einer DSV-Lizenz? Man kann sich vorstellen, dass zum Beispiel Menschen aus früheren GUS-Staaten Erfahrungen im nordischen Skisport mitbringen.

Wenn das so sein sollte, landen sie selten bei uns. Wir haben wenige solcher Anfragen, und wenn, dann kommen sie eher von Trainern aus anderen Skifahrernationen wie Österreich oder Schweiz und nur in Ausnahmefällen von Menschen aus der früheren Sowjetunion. Diese Ausnahmen betreffen dann allerdings meistens den nordischen Bereich, das stimmt.

Stichwort Einzelfallprüfung: Welche Chancen haben solche Menschen auf Anerkennung ihrer Lizenz?  

Die Einzelfallprüfung kann da schwierig sein, da Zeugnisse und Ausbildungsinhalte nur in der Sprache des Herkunftslandes verfasst sind und die Ausbildungen meist ganz anders strukturiert sind.

Heißt das soviel wie: keine Chance?

Das kommt darauf an. Überwiegend erkennen wir hauptamtliche Trainer an, die eine entsprechende Vorqualifikation und viel praktische Erfahrung mitbringen. Aber nicht nur. Wir hatten vor einiger Zeit ein aus Russland zugewandertes Ehepaar, das seine Qualifikation im alpinen Skisport anerkennen lassen wollte. Nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen konnten wir Teile ihrer Ausbildung anerkennen. Nach Absolvierung der fehlenden Ausbildungsinhalte hätten wir ihnen aufgrund der Sprachbarriere eine mündliche anstelle einer schriftlichen Prüfung ermöglicht. Sie haben das leider nicht wahrgenommen. Trotzdem arbeiten sie jetzt als Trainer in einer privaten Rennschule im Schwarzwald.

Ausbilder mit alpinem Fokus

Thomas Braun, 42, arbeitet als Technischer Leiter Ausbildung des Deutschen Skiverbandes (DSV). Er verantwortet in dieser Funktion die Skilehrer- wie die Trainerausbildung im DSV, und zwar disziplinübergreifend. Der Skilehrer und Diplomtrainer ist seit 1996 im Verband tätig, sowohl in der Ausbildung, als lange Zeit auch praktisch, mit Schwerpunkt auf Ski Alpin: Von 1999 betreute Braun als leitender Trainer zunächst den C- und D- sowie Europacup-Kader der DSV-Damen, ab 2006 den C- und den Europacup-Kader der Herren. Bevor er 2010 Technischer Leiter wurde, hatte er seit die Trainerausbildung im alpinen Leistungssport gelenkt.

Und der DSV toleriert das?

Da haben wir keinen Einfluss, aber grundsätzlich begrüßen wir jedes auch private Engagement im alpinen Skirennsport. Erst wenn Trainer in das System eines Landesverbandes einsteigen, sind wir als DSV beteiligt und sportlich mitverantwortlich. Ab diesem Punkt erwarten wir - das ist so etwas wie ein Ehrenkodex -, dass sie sich zentral, in unserer Trainerschule ausbilden lassen.

Wenn Sie den lizenzlosen Einsatz an der Basis begrüßen, warum erkennen Sie im Ausland geprüfte Skilehrer nicht gleich an?

Wir handeln da nach internationalem Standard. Die anderen Länder erkennen deutsche Lizenzen auch nicht an, die haben ja die gleichen Schwierigkeiten mit der Vergleichbarkeit der Ausbildungen.

Gibt es einen internationalen Dialog zu diesem Thema?

Eigentlich nicht. Es gibt zwar alle vier Jahre einen Skilehrer-Kongress, bei dem man einen Eindruck bekommt, welches Land welches Ausbildungsniveau hat – dieser Eindruck beeinflusst sicher die Einzelfallentscheidungen bei der gegenseitigen Anerkennung. Aber man redet da nicht über ein gemeinsames Abkommen oder so. Man muss aber auch sagen: Grundsätzlich entscheidet der Leiter einer Skischule selbst, wen er in welchem Verhältnis beschäftigt. Das gilt für Berufs- wie für Vereinsskischulen. Der eine will vielleicht einen staatlich geprüften Skilehrer, dem anderen reicht eine Breitensport-C- oder B-Lizenz des DSV.

Und wenn Zuwanderer beides nicht haben, bekommen sie weniger Geld als die Kollegen, trotz möglicherweise gleicher Qualifikation?

Ich glaube nicht, dass man das so sagen kann. In der Praxis ist das Verhandlungssache. Es gibt ja keine Rahmen- oder Tarifverträge für Skilehrer und -trainer. Ob jemand eine Lizenz hat oder nicht, muss finanziell keine große Rolle spielen.

(Quelle: DOSB / das Interview führte Nicolas Richter)


  • Thomas Braun (Foto: Deutscher Skiverband)
    Thomas Braun (Foto: Deutscher Skiverband)