„Wer sich wohlfühlt, bekommt kein Heimweh“

Pablo Garcia, 33, ist Integrationsbeauftragter beim Zweitligisten Union Berlin. Nach knapp einem Jahr weiß der Spanier, wofür so ein Posten gut ist – auch und gerade im Profifußball.

Auf der Bank bei „Eisern Union“: Pablo Garcia (rechts) ist Integrationsbeauftragter und Nachwuchstrainer (Foto: Union Berlin)
Auf der Bank bei „Eisern Union“: Pablo Garcia (rechts) ist Integrationsbeauftragter und Nachwuchstrainer (Foto: Union Berlin)

Herr Garcia, Sie sind Integrationsbeauftragter bei Union. Ist das eine wohlwollende Bezeichnung für Dolmetscher?

Was die Arbeit im Verein angeht, geht es schon viel um Übersetzen, beim Training oder in Besprechungen vor Spielen. Aber ich mache viel mehr. Wir versuchen den ausländischen Spielern die Abläufe im Verein zu erklären und helfen ihnen beim Aufbau eines Lebens hier. Ich unterstütze sie bei Eröffnung eines Bankkontos und der Wohnungssuche oder gehe mit ihnen zur Ausländerbehörde.

Im Fußball wechseln Spieler oft den Verein und auch das Land. Wozu dann der Aufwand einer  Integration abseits des Sports?

Sie sollen sich möglichst schnell an die neue Umgebung gewöhnen, einige Verhaltensweisen und Gewohnheiten sind hier ja doch anders als in anderen Ländern. Gerade wenn jemand aus Südamerika oder Afrika nach Deutschland kommt, kann das ein kleiner Kulturschock sein. Die Spieler sollen sich verständigen können und zumindest ungefähr wissen, was abläuft in der Gruppe, aber auch in der Stadt. Dann werden sie sich wohlfühlen und sie bekommen kein Heimweh.

Und spielen besser Fußball?

Ich gehe davon aus. Wenn man als Spieler weiß, dass sich jemand um gewisse Dinge kümmert und ich mir darüber keine Sorgen machen muss, kann man sich ganz aufs Sportliche konzentrieren. Soweit ich sehe, wirkt sich das sehr positiv aus.

Was qualifiziert Sie für die Arbeit als Integrationsbeauftragter, warum hat man Sie ausgewählt?

Natürlich hilft es, dass ich selbst aus Spanien nach Deutschland gekommen bin, erst für zwei Semester im Studium, dann, vor fünf Jahren, um hier zu leben. Ich kenne vieles aus eigener Erfahrung, zum Beispiel was bürokratische Dinge angeht. Aber mein Master in Sportwissenschaft ist auch sehr wichtig.

Inwiefern? Welche Inhalte von damals helfen Ihnen?

Ich habe meinen Master in Fußball und fußballspezifischem Konditionstraing gemacht und später als Athletiktrainer gearbeitet. Das Fachwissen hilft mir: Ich kann schnell und genau übersetzen, wenn die Trainer eine Übung oder bestimmte Abläufe erklären, auch wenn es um speziellere Informationen und Ausdrücke geht.

Die Spieler lernen aber schon Deutsch?

Ja, sie bekommen regelmäßig Sprachunterricht vom Verein. Aber bis sie die Trainer gut verstehen, dauert es ungefähr sechs Monate, und im Profibereich kann man es sich nicht leisten, dass irgendwelche Informationen nicht ankommen. Ich bin auch zur Verstärkung und Bestätigung da, wenn die Spieler sich nicht sicher sind, oder besondere Fragen auftauchen. Wir sprechen uns eigentlich täglich und verstehen uns gut. Da tun sie sich manchmal leichter, mir von einem  Problem zu erzählen.

Sind Sie auch bei den Spielen dabei?

Ja, bei den Spielen und bei jeder Trainingseinheit.

Wie stellt man sich das vor? Wie läuft eine Halbzeitbesprechung ab, wie geben Sie da die Inhalte weiter?

Das kommt natürlich auf die Situation an. Aber solange der Trainer redet, sage ich nichts. Ich schreibe das Meiste auf, und zwar jeweils das, was für den einzelnen Spieler wichtig ist. Danach kommen wir kurz zusammen und ich erkläre jedem seinen Teil.

Sie sind Spanier, bei Union ist aber nur ein spanischsprachiger Ausländer im Kader, ein Chilene. Wie unterhalten Sie sich mit den anderen?

Wir haben einen Spieler aus Brasilien, der kann ziemlich gut Deutsch und natürlich auch Spanisch, zudem spreche ich Portugiesisch und Italienisch. Mit Robert Punjec aus Kroatien und Patrick Zoundi aus Burkina Faso spreche ich Englisch, teils auch Deutsch, aber da sind sie manchmal unsicher. Unser slowakischer Nationalspieler Adam Nemec braucht im Deutschen höchstens noch Hilfe, wenn es um offizielle Dokumente geht.

Gibt es in anderen Proficlubs auch so eine Funktion wie Ihre?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich weiß nur, dass ich jedem Verein dazu raten kann, es tut den Spielern offensichtlich gut.

Werden Sie manchmal als Streitschlichter gebraucht? Gibt es so etwas wie interkulturelle Konflikte im Team oder mit dem Umfeld?

Im Team ist mir da noch nichts aufgefallen. Die Gruppe wirkt sehr gesund, die Stimmung ist gut. Wenn ich mich mit einem der ausländischen Spieler in einer anderen Sprache unterhalte, macht mal einer einen Witz, aber das ist überhaupt nicht bösartig. Was das Umfeld angeht: Ich habe hier 2004 als Student Praktikum gemacht, dann war ich Torwarttrainer in der A-Jugend, jetzt bin ich Integrationsbeauftragter. In der ganzen Zeit gab es nie große Probleme. Es gibt ein paar schwierige Fans wie bei jedem Verein, aber wenn man sich zum Beispiel die Reaktionen auf unsere ausländischen Spieler bei Facebook anschaut, sind die fast immer positiv.

Das Interview führte Nicolas Richter


  • Auf der Bank bei „Eisern Union“: Pablo Garcia (rechts) ist Integrationsbeauftragter und Nachwuchstrainer (Foto: Union Berlin)
    Auf der Bank bei „Eisern Union“: Pablo Garcia (rechts) ist Integrationsbeauftragter und Nachwuchstrainer (Foto: Union Berlin)