„Mehr Wissen macht den Sport handlungsfähiger“

Andreas Klages
"Es ist ein Bericht für und weniger über den Sport“ - Andreas Klages zum zweiten Sportentwicklungsbericht

Im Juni dieses Jahres wurde der zweite Sportentwicklungsbericht vorgestellt. Andreas Klages, stellvertretender Direktor Sportentwicklung des DOSB, spricht über die Ergebnisse der Studie und ihre Bedeutung für den vereinsorganisierten Sport.
  
Der DOSB ist einer der Auftraggeber des zweiten Sportentwicklungsberichts.
Welche Erkenntnisse hat sich der DOSB von der Studie versprochen?

 
„Die Sportentwicklung in Deutschland steht vor vielfältigen Herausforderungen. Der demographische Wandel, Werteveränderungen, schulpolitische Entwicklungen (Stichwort: Ganztag), die Krise der öffentlichen Finanzen und weitere gesellschaftspolitische Entwicklungen fordern den Sport und seine Akteure heraus, eröffnen aber auch neue Gestaltungsmöglichkeiten. Der Sport muss wissensbasierter vorgehen. Mehr Wissen macht den Sport handlungsfähiger. Er muss sein Leistungsspektrum qualifiziert darstellen, um seine Politikfähigkeit zu verbessern. Und er muss in seiner Programmatik und seinem Handeln noch strategischer vorgehen. Der Sportentwicklungsbericht stellt hierfür Argumentations- und Handlungswissen bereit. Es ist ein Bericht für und weniger über den Sport.“

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist der Rückgang des Ehrenamts. Wie sollte der organisierte Sport darauf reagieren?

„Wenn man das Gesamtbild betrachtet, verfügt der Sport unverändert über eine sehr hohe Zahl an ehrenamtlich Tätigen, die eine der Hauptressourcen des Sports bilden. Auch die Zahl derjenigen, die sich ohne Amt freiwillig vor Ort in den Vereinen engagieren, ist unverändert hoch. Ein gewisses Problem stellt der Bereich dar, wo sich Personen langfristig und in ausgewiesenen Ämtern oder Positionen engagieren, z.B. in Vorständen. Hier reagiert der Sport bereits mit einer Vielzahl von Maßnahmen, die von einer gezielten Personalentwicklung, über Fortbildungsangebote und Projektbezügen bis hin zu einer managementorientierten Personalsuche reichen. Es scheint, dass zumindest in einigen Bereichen durch eine ‚Verberuflichung’ ehrenamtliche Arbeit in bezahlte Arbeit überführt wird, da die bezahlte Mitarbeit im Sport gleichzeitig zugenommen hat.“

Der Bericht betont, dass die Gemeinwohlbedeutung des Sports zunehmend von seiner integrativen Leistung abhängt. Inwieweit meistert der vereinsorganisierte Sport diese Herausforderung?

„Der Vereinssport unter dem Dach des DOSB ist hier gut aufgestellt. Er integriert weit mehr Personen als alle anderen Freiwilligenorganisationen in Deutschland und er verfügt über ein zeitgemäßes und flächendeckendes Angebotsspektrum für alle Bevölkerungsgruppen. Die großen politischen Herausforderungen, wie z.B. gesundheitliche Prävention und die Integration von Älteren und Migranten sowie von weiteren Zielgruppen sind ohne den Sport und die Vereine kaum noch gestaltbar. Der Sport ist im Übrigen der größte nicht-staatliche Bildungsanbieter und engagiert sich mittlerweile für einen zeitgemäßen Umwelt-, Natur- und Klimaschutz und in vielen weiteren wichtigen Handlungsfeldern. Es ist ein ‚Politikfeld Sport’ entstanden und die Vereine und Verbände unter dem DOSB sind hier der wichtigste Akteur.“

Wie kann das Programm „Integration durch Sport“ vom zweiten Sportentwicklungsbericht profitieren?


„Der Bericht ist keine Analyse der Programmarbeit ‚Integration durch Sport’, sondern nimmt die Sportvereine ganz allgemein in den Blickpunkt. Wenn man sich ansieht, welche Faktoren zu einer erfolgreichen Vereinsarbeit beitragen, dann gibt der Sportentwicklungsbericht mehrfachen Rückenwind für das Programm ‚Integration durch Sport’: Der Anteil von Migranten in Vereinen kann dann gesteigert werden, wenn der Verein langfristig orientierte spezifische Maßnahmen anbietet und hierfür auf ein öffentliches Unterstützungsumfeld zurückgreifen kann. Zweitens sollte erwähnt werden, dass eine breite Vernetzung mit Akteuren vor Ort Vereine robuster, krisenfester und erfolgreicher macht – auch dies ist ein wichtiges Merkmal der Arbeit im Programm ‚Integration durch Sport’.“

Erstmalig ist Integration ein Schwerpunkt im Sportentwicklungsbericht. Dadurch gibt es zu diesem Bereich noch keine Längsschnittdaten. Haben Sie die Ergebnisse des zweiten Sportentwicklungsberichtes zu diesem Thema überrascht und was erwarten Sie vom dritten Sportentwicklungsbericht zu diesem Themenfeld?

„Die vorliegenden Befunde bestätigen im Wesentlichen unsere sonstigen Analysen. Es ist zu erwarten, dass diese durch den dritten Bericht in zwei Jahren erhärtet werden. Mich hat jedoch positiv überrascht, dass in über 12.200 Vereinen Migrantinnen und Migranten ehrenamtlich engagiert sind. Dies zeigt angesichts der Gesamtzahl der Vereine (91.000) gleichzeitig auch den Weiterentwicklungsbedarf und die Potenziale auf.“

Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Christoph Breuer stufen Migranten in deutschen Sportvereinen als unterrepräsentiert ein. Wie kann es gelingen, mehr Menschen mit Migrationsgeschichte für den vereinsorganisierten Sport zu gewinnen?

„Von allen Freiwilligenorganisationen in Deutschland sind die Sportvereine diejenigen, denen es am besten gelingt, Menschen mit Migrationshintergrund zu binden. Unabhängig davon sind Sportvereine grundsätzlich offen und zugänglich für Migrantinnen und Migranten – eine allgemeine und solide Vereinsförderung und -entwicklung hat daher immer auch einen integrationspolitischen Mehrwert. Spezifische Angebote sowie Maßnahmen wie im Programm ‚Integration durch Sport’, eine stärkere ‚aufsuchend-proaktive’ Angebotsentwicklung der Vereine, Qualifizierungsinitiativen und eine öffentliche Unterstützung treten hinzu.“


  • Andreas Klages
    "Es ist ein Bericht für und weniger über den Sport“ - Andreas Klages zum zweiten Sportentwicklungsbericht