„Integration ist ein Selbstverständnis“

Der LandesSportBund Niedersachsen (LSB) kooperiert im Bundesprogramm "Integration durch Sport" mit unterschiedlichen Landesfachverbänden, die integrative Maßnahmen umsetzen. Einer von ihnen ist der Niedersächsische Basketballverband (NBV). NBV-Geschäftsführer Danny Traupe und Dirk Povey, Verantwortungsbürger im NBV-Ressort Integration, geben in einem Doppelinterview einen Einblick in die laufenden Projekte und Ziele des Verbands.

Dirk Povey und Danny Traupe
Dirk Povey und Danny Traupe

Basketball und Integration: Wie passt das zusammen?

Povey: Basketball ist eine hoch integrative Sportart, das passt sehr gut. Viele Menschen mit Migrationshintergrund, besonders männliche, haben in ihren Herkunftsländern schon einmal Berührung mit der Sportart gehabt. In manchen Ländern ist Basketball hinter Fußball Sportart Nummer zwei und wird in Schulen oder auf Freiplätzen gespielt, auch teilweise des durchgängig besseren Wetters wegen. Hier in Deutschland öffnen sich immer mehr Vereine dieser Zielgruppe und auf Freiplätzen ist es sowieso egal, wer kommt - jeder spielt mit.

Traupe: Ich habe Basketball nur integrativ kennengelernt, auch wenn ich als Jugendlicher nie bewusst darüber nachgedacht habe. Aber so soll es ja sein, ein Selbstverständnis. Basketball wird spätestens seit dem Dream-Team bei den Olympischen Spielen 1992 überall auf der Welt gespielt, eine Weltsprache im Sport. Da gibt es dann auch zwangsläufig keine Grenzen in den Köpfen. Wenn ich Menschen mit einem Basketball sehe, gehe ich auf sie zu und auch anders herum erlebe ich das. Beides passt für mich daher sehr gut zusammen.

Wie weit ist der Basketballsport allgemein im Bereich der Integration?

Povey: Wir werden besser, aber sind noch nicht da, wo wir hin wollen bzw. müssen. Die Selbstverständlichkeit ist im Leistungsbereich bereits seit Langem gegeben. Viele Sportlerinnen und Sportler  in höheren Ligen kommen aus allen möglichen Ländern der Welt. In der Nationalmannschaft haben Spieler mit Migrationshintergrund eine lange Tradition. Immer wieder wurden Halbamerikaner aus der NBA mit einem Spielerpass ausgestattet und auch Demond Green, Robert Garrett und Marvin Willoughby, die mit Dirk Nowitzki zusammen spielten, haben einen Migrationshintergrund. Ein aktuelles Beispiel ist Dennis Schröder, der Sohn einer Gambischen Mutter ist. Im Breitensport haben wir noch einiges zu tun. Hier gib es punktuelle Erfolge, die meiner Meinung nach etwas mehr strukturellen Hintergrund benötigen, um einen permanenten Prozess und damit Nachhaltigkeit zu schaffen.

Traupe: Wie schon erwähnt, glaube ich, dass Integration im Basketball grundsätzlich tief verwurzelt ist. Dennoch glaube ich, dass wir ein wenig auf einer Insel der Glückseligkeit leben und Integration bewusster in den Mittelpunkt rücken müssen. Gerade unter Berücksichtigung von aktuellen Tendenzen in der Gesellschaft. Seit 2016 haben wir die Integrationsarbeit bewusst aufgenommen, ein Ressort gegründet und einige Projekte ins Leben gerufen. Für mich gehört aber auch dazu, sich gegen Rassismus zu positionieren. In unserem Online-Angebot, dem NBV-YouthSummit, haben wir dies im April mit drei Interviews getan.

Warum engagiert sich der NBV so intensiv für das Thema Integration?

Povey: Gesellschaftlich-soziales Engagement wird immer wichtiger, das zeigt sich zurzeit in dieser schwierigen Lage. Aber auch drüber hinaus wird dies, z.B. beim Thema Klimawandel, eine wichtige Rolle spielen. Solidarität, gegenseitige Rücksicht und damit Respekt werden gebraucht um diese sehr schwierige Hürde zu meistern. Wir freuen uns auf Herausforderungen und nehmen sie unter anderem auch mit regelmäßigen Teilnahmen an Vorträgen, Dialog-Foren, Workshops und Treffen von „Osnabrück alternativ“ gerne an.

Traupe: Wie Dirk bereits gesagt hat, ist soziales Engagement wichtig. Als Landesfachverband ist es unsere Aufgabe gesellschaftliche Themen aufzugreifen und unseren Mitgliedsvereinen und allen Basketballinteressierten zugänglich zu machen. Die vielfältigen Maßnahmen des LSB helfen den Vereinen sich neuen Mitgliederpotentialen zu öffnen und mit passenden Angeboten Bedarfe abzudecken. In meiner Zeit bei ALBA Berlin habe ich so viele Mädchen mit Kopftuch und Leggings Basketball spielen sehen, wie noch nie zuvor. Es gibt also immer Wege, die Teilhabe am Sport und Spielbetrieb zu verbessern.

Welche Ideen und Projekte hat der NBV bereits umgesetzt?

Traupe: Unser bisher größte Projekt überhaupt im NBV ist die Maßnahme: „UnserSpiel verbindet! – Grundschulliga für Niedersachsen“. Die Umsetzung fand in ausgewählten Standorten mit hohem Migrationsanteil statt. Ziel des Projekts war die Etablierung einer Basketball-AG an mehreren Grundschulen zur Durchführung einer Grundschulliga. Durch das Medium Basketball kommen Kinder verschiedenster Herkunft  zusammen, trainieren miteinander  und spielen Turniere. Sie verlieren und gewinnen gemeinsam.

Povey: Ein weiteres Projekt ist seit dem letzten Jahr der Einsatz des LSB-SportMobils  bei unterschiedlichsten Veranstaltungen. Hier werden alle Menschen, egal welcher Herkunft, Hautfarbe, Religion und Abstammung und Alter mit kleinen Geräten und Spielen zur Bewegung animiert. Für die Einsätze konnte ein Geflüchteter aus Syrien als wichtiger Helfer gewonnen werden, der teilweise die Sprache der Zielgruppe spricht.
Hinzu kommen die Förderberatung,  die einen stetigen Baustein im Vereinsservice darstellt,  und die Vermittlung von verschiedenen Menschen zu Sportarten, Vereinen oder Qualifikationen. Ein Geflüchteter hat zum Beispiel einen Trainerschein absolviert, ein anderer ein BFD-Welcome in einem Osnabrücker Großverein. Weitere Sportlerinnen und Sportler wurden fachverbandsübergreifend zum Fußball, zur Leichtathletik, zum Laufsport, zum  Boxen oder in den Bereich Gymnastik/Fitness vermittelt. Teilweise ist das auch mit einer Unterstützung im Alltag verbunden, die zum Beispiel  die Wohnungs- und Jobsuche, eine Kontoeröffnung oder die Begleitung zu Ämtern und zur Flüchtlingshilfe umfasst. Das ist sehr wichtige Sozialarbeit an der Basis. 

Gab es Schwierigkeiten bei der Umsetzung  der Projekte?

Povey: Sehr wenige. Es gibt wenige Vorgaben vom Fachverband und sehr viel Unterstützung. Es herrscht viel Freiraum, um Ideen zu entwickeln und auch frei umzusetzen. Auch bei unterschiedlichen Meinungen gibt es stets einen gemeinsamen Weg. Manchmal gab und gibt es sprachliche Probleme. aber die lösen wir auch. Wenn man häufiger mit Behörden zu tun hat, muss man sich auch an deren Arbeitsweisen gewöhnen, das ist manchmal etwas mühselig.

Traupe: Bei unserer Grundschulliga  hat es lange gedauert, bis überall das gleiche Verständnis vorhanden war. Es sollten am Ende alle Kinder aus allen Schulen für den Sport im Verein gewonnen werden. Mancherorts wollten sich die Vereine nur auf die Talente stürzen. Der Basketball in Niedersachsen hat aber den Bedarf, möglichst alle Spielerinnen und Spieler aus Grundschulen in die Vereine zu integrieren. Sonst fehlt irgendwann die Masse, die im Seniorenspielbetrieb das System trägt.

Wie wurden die Angebote angenommen?

Povey: Die Resonanz ist stets gut. Sportlerinnen und Sportler aus der Zielgruppe, die ich zu einem geeigneten Sportangebot vermittelt habe und teilweise noch über Hilfsorganisationen mit Equipment ausgestattet habe, sind überglücklich und äußerst dankbar. Auch die genannte Unterstützung für alltägliche Dinge wird sehr gerne in Anspruch genommen. Die Anfragen für das Sportmobil laufen sehr gut, da bin ich auch äußerst zufrieden. Was die Anfragen zu Förderungen im Bereich Integration betrifft, gibt es noch Luft nach oben.

Traupe: Das Interesse an einer Grundschulliga ist stetig zunehmend gewesen. Durch die Corona-Pandemie ist das Projekt etwas zum Stehen gekommen ist.

Sind weitere Projekte sind in Planung?

Traupe: Momentan planen wir keine neuen Projekte im Bereich der Integration. Das Sportmobil ist im Grund noch recht neu. Viel wichtiger finde ich es, Geschaffenes zu verstetigen und zu etablieren. Dirk kümmert sich momentan darum, Mitstreiter für das Ressort Integration zu finden.

Wie kann man sich dort engagieren?

Povey: Wir suchen Teamer für die Einsatze mit dem Sportmobil, die bei Aktionen und Veranstaltungen von Vereinen helfen und Spaß an Spiel, Sport und Bewegung, Vor- und Mitmachen haben. Außerdem hätte ich gerne noch einen ehrenamtlichen Kollegen, der den Bereich Ostfriesland oder Lüneburg abdeckt, dort jeweils als Multiplikator wirkt und selbständig ein wenig Öffentlichkeitsarbeit machen möchte. Wer Lust hat, kann sich gerne beim NBV melden.

Was wünscht ihr euch für die Zukunft?

Povey: Mein Ziel ist es, dass in jedem Ressort und im Präsidium ein Mensch mit Migrationshintergrund mitarbeitet. Und allgemein sind wir inzwischen vielleicht soweit, über professionelles Qualitätsmanagement nachzudenken: Wie kann man wichtige Prozesse und Abläufe visualisieren? Wie greifen sie ineinander? Wo  sind die Schnittstellen? Wo können wir etwas optimieren, um unsere Mitglieder und Partner noch besser zufrieden zu stellen?

Traupe: Wenn es nach mir geht, ist Integration im Grunde gar nicht notwendig, sondern ein Selbstverständnis. Ich möchte jedes Kind und jeden Erwachsenen für Basketball begeistern. Da unterscheide ich nicht nach Pass, Hautfarbe oder anderen Kriterien. Wir haben im Basketball in Niedersachsen unglaublich viele tolle Überzeugungstäter als Trainerinnen und Trainer oder in anderen Funktionen in den Hallen stehen. Ich weiß aber auch, dass wir davon mehr benötigen. Aus diesem Grund werden gesellschaftsrelevante Themen wie die Integration auch mehr in die Trainerausbildung aufgenommen.

Das Interview mit dem NBV ist erschienen in der Juni-Ausgabe des LSB Magazins.

Fotos: NBV


  • Dirk Povey und Danny Traupe