Der Sport als Brücke zur neuen Heimat

Die Integration geflüchteter Menschen wird beim ASV Ladenburg gelebt

Wer mit Hossein Alizadeh spricht, merkt rasch, dass der junge Mann über den Tellerrand hinausblickt und sehr ehrgeizig ist. Alizadeh ist 27 Jahre alt, stammt aus dem Iran und ist als Ringer für den ASV Ladenburg aktiv. Seit Anfang des Jahres gibt er sein Wissen auch als Trainer weiter. Rund 230 Mitglieder umfasst die Ringerabteilung des Mehrspartenvereins im Sportkreis Mannheim, der seit 2016 zu den IdS-Stützpunktvereinen des Badischen Sportbunds Nord zählt. „Wir wollten und wollen geflüchteten Menschen auf sozialer Ebene durch den Sport eine Perspektive geben und ihnen helfen“, erzählt Herbert Maier, Abteilungsleiter und seit über 40 Jahren in verschiedenen Funktionen prägender Bestandteil des Vereins. Mehrere Athleten seien seither fest im Verein integriert, vertreten die 1. und 2. Mannschaft auf den Wettkampfmatten und engagieren sich zudem ehrenamtlich, beispielsweise als Schiedsrichter, Zeitnehmer und Helfer bei Vereinsveranstaltungen.

Ebenso liegt der Fokus des Vereins auf dem Kinder- und Jugendbereich, in dem insgesamt fünf Trainer den jungen Menschen, die überwiegend aus Spätaussiedlerfamilien oder dem Nahen Osten stammen, Grundfertigkeiten des Ringens vermitteln. Die Trainingsgruppen in diesen Altersklassen erfreuen sich großer Beliebtheit und wachsen stetig. Ergänzend ist seit kurzem eine Trainerin im Verein tätig, die die zunehmende Anzahl an weiblichen Ringer*innen im Schulalter betreut und deren Ansprechpartnerin ist, berichtet Maier.

Privat und sportlich angekommen

Hossein Alizadeh kam in Jahr 2015 nach Deutschland. Er lebte zunächst in Daxlanden und knüpfte hier erste Kontakte zum Ringen in seiner neuen Heimat. Zuvor hatte er bereits im Jahr 2004 im Iran damit begonnen. „Dort ist Ringen ein sehr populärer Volkssport“, beschreibt er die Gegebenheiten vor Ort. Das Ringen nehme einen hohen Stellenwert ein und über das ganze Jahr gebe es Möglichkeiten zu täglichen Trainingseinheiten.

Nach seiner Ankunft in Deutschland begann er sofort, die Sprache zu lernen. „Am Anfang war es sehr schwierig für mich,“ erzählt Alizadeh in fließendem Deutsch. „Vor allem durch Videos konnte ich meine Kenntnisse dann kontinuierlich ausbauen.“ Noch ist er mit seinem Level nicht ganz zufrieden, doch eine Unterhaltung ist problemlos möglich. Parallel dazu absolviert er eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei einem Mineralölkonzern und plant, seinen Führerschein zu machen.

„Hossein möchte auf eigenen Beinen stehen und verfolgt seine Ziele sehr akribisch“, sagt Herbert Maier, der ihn nach seinem Umzug nach Ladenburg im Jahr 2018 kennenlernte. Dies gelte sowohl privat als auch sportlich. Seit knapp zwei Jahren ist er nun für den ASV aktiv - ein Glücksfall für alle Beteiligten, bestätigen beide unisono.

Erfolge und Visionen

Auf der Matte konnte er in diesem Zeitraum bereits einige Erfolge erringen und wurde sowohl im freien als auch im griechisch-römischen Stil Nordbadischer Meister in seiner Gewichtsklasse. Darüber hinaus vertritt er die die Farben seines Vereins regelmäßig bei Mannschaftswettkämpfen. Hin und wieder werde er von Verletzungen etwas ausgebremst, doch dies tut seinem Tatendrang keinen Abbruch. Anfang des Jahres setzten sich Maier und Alizadeh zusammen und beschlossen, dass letzterer seine Erfahrungswerte fortan auch als Trainer einbringen wird – eine Funktion, die er kurzzeitig bereits im Iran ausgeübt hatte. „Ich möchte etwas von meinen Erfahrungswerten weitergeben,“ sagt er. Ziel sei es, mit den jungen Ringern – die 1. Mannschaft weist einen Altersdurchschnitt von 18 Jahren auf – eine Mannschaft mit der Perspektive Regionalliga oder 2. Bundesliga aufzubauen.

Neben der 1. und 2. Mannschaft liegt ihm die Jugend ebenfalls am Herzen. So betreut er im Verein auch den Nachwuchs ab einem Alter von etwa 14 Jahren. „Er hat eine sehr gute Ansprache und Verbindung zu jungen Menschen,“ erzählt Maier. In gewisser Weise sei er ein ‚Zugpferd“ und seine Trainingseinheiten seien mit steigender Tendenz gut besucht. „Als Trainer habe ich eine gewisse Verpflichtung“, gibt Alizadeh Einblicke in die die Ansätze seiner Philosophie. „Ich möchte die Menschen motivieren und ihnen helfen, sich zu verbessern sowie ihr individuelles sportliches Niveau zu steigern.“ Im Ringen bedeute dies insbesondere die Vermittlung von Technik, durch deren Weiterentwicklung man im Kampf viel weniger Kraft benötige.

Respekt und Ziele

Doch am allerwichtigsten ist für Hossein Alizadeh Respekt. „Wenn Du Respekt hast, kommt alles zu Dir“, ist er davon überzeugt: „Respekt ist elementar für einen Ringer.“ Nach der durch die gesellschaftliche Situation in den vergangenen Monaten bedingten sportlichen Zwangspause freuen sich Alizadeh und Herbert Maier, dass es wieder los gehen kann. Mindestens vier bis fünf Jahre möchte Alizadeh noch selbst auf der Matte stehen. Am Abend ist wieder ein Training angesetzt. Und auch das nächste Ziel steht fest: Im kommenden Jahr möchte er die Trainerausbildung beim Nordbadischen Ringerverband absolvieren, seinen Horizont erweitern und weiterhin die verschiedenen Elemente aus beiden Welten miteinander verbinden.